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»Ich finde immer noch, es wäre einfacher gewesen, wenn du dir einen neuen Packsack beschafft hättest«, beharrte Tanis. »Der da sieht aus, als habe er einen Bürgerkrieg mitgemacht.«

»Hat er auch«, murmelte Kitiara trotzig.

»Warum wolltest du ihn dann unbedingt wiederhaben?« Er starrte sie forschend und unnachgiebig an.

Sie wurde unwirsch. »Ich hab’ dir doch gesagt, das geht dich nichts an.«

Tanis wischte ihren Widerspruch wie eine der Fliegen, die sie in der Hitze umschwirrten, beiseite. »Ich habe dafür mein Leben riskiert, Kit.«

Kitiara schlug auf den Sattelknauf. »Ich habe mit Raistlin etwas Geschäftliches zu besprechen«, sagte sie hitzig. »Und in dem Sack ist etwas, was… ich ihm gerne zeigen möchte.«

»Das erklärt, warum du unbedingt den Horax verfolgen wolltest«, sagte er störrisch. »Es erklärt nicht, warum du es jetzt überhaupt nicht mehr eilig hast, deinem Bruder zu begegnen.«

Bei den Göttern, dieser Halbelf war wirklich neugierig! »Ich arbeite noch an dem Plan«, sagte sie erregt. »Du hättest ja ohne mich weiterreiten können, Halbelf. Es war nicht deine Sache. Du hättest ja weiterreiten können, zu deinem Zwergenfreund in Solace.«

»Als ob ich eine Frau im Stich lassen würde, damit sie allein gegen ein räuberisches Monster antritt.«

Blitzschnell hatte Kitiara einen Dolch gezogen. Bevor Tanis noch Luft holen konnte, sah er in die Spitze der scharfen Waffe. Ihre erstaunliche Geschwindigkeit schien ihn zu Kitiaras großem Ärger jedoch gar nicht zu beeindrucken. Schließlich sagte die Kämpferin, wobei sie jedes Wort einzeln ausspuckte: »Halbelf, ich brauche keinen Mann als Beschützer!«

Erstaunlicherweise lächelte Tanis. Dann warf er den Kopf zurück und lachte. »Natürlich nicht, Kit. Natürlich nicht.«

Immer noch wutschnaubend steckte Kitiara den Dolch wieder ein. Eine Meile ritten sie wortlos weiter. Schließlich brach Tanis mit zerknirschtem Blick das Schweigen. »Kann ich dir helfen? Bei deinem Plan, meine ich?«

Die Söldnerin schnaubte. »Ganz sicher nicht.«

»Ich verkaufe die Waren von Flint Feuerschmied, und niemand ist verwirrter als dieser Zwerg, wenn’s um Geschäfte geht. Vielleicht könnte ich ein paar Vorschläge für dich und deinen Bruder machen.«

Kitiara sah Tanis an. »Danke, nein«, war alles, was sie sagte.

Tanis schien es nicht zu bekümmern, daß Kitiara sein Angebot ausschlug. Einträchtig ritten die beiden fast eine Stunde durch den stillen Spätnachmittag nebeneinander her. Als Kitiara schließlich wieder etwas sagte, war es jedoch, als wäre nur wenig Zeit vergangen.

»Du scheinst es selbst nicht sehr eilig zu haben, nach Solace zurückzukehren«, stellte sie fest. »Was ist mit deinem Zwergenfreund? Macht der sich keine Sorgen, wo du bist?«

Der Halbelf schüttelte den Kopf. »Flint weiß, daß ich in Qualinesti war, um meine Verwandten zu besuchen. Er weiß, daß ich komme, sobald ich kann.«

Kitiara langte nach oben, rupfte einem überhängenden Sycamorebaum ein Blatt ab und zerriß es langsam in kleine Stücke. »Verwandte? Deine Eltern?«

Tanis zögerte, bevor er antwortete. »Meine Mutter ist tot. Ich bin beim Bruder ihres Mannes aufgewachsen.«

»Ihres Mannes…« Kitiara sah Tanis verwirrt an. »Nicht bei deinem Vater?« Das paßte nicht recht mit dem zusammen, was er ihr bisher über sich erzählt hatte. »Aber du hast doch gesagt, du bist bei der Stimme der Sonne aufgewachsen.« Sie konnte nicht verbergen, wie sehr sie davon beeindruckt war. Jeder wußte, daß die Stimme der Sonne der Herrscher des Qualinesti-Volks war. »Hat denn der Bruder der Stimme eine Menschenfrau geheiratet? Ich dachte, es wären jahrhundertelang keine Menschen in Qualinesti gewesen?«

»Wenn überhaupt jemals«, meinte Tanis angespannt. »Meine Mutter war eine Elf in. Mein Vater war ein Mensch.«

Kitiara riß Obsidian an den Zügeln. Die wohlerzogene Stute blieb auf der Stelle stehen. »Also, jetzt versteh’ ich gar nichts mehr«, gab die Kämpferin zu. »Der Bruder der Stimme der Elfen ist ein Mensch?«

Tanis sah zur Seite. »Können wir nicht das Thema wechseln?«

»Gut.« Kitiara spornte Obsidian zu einem leichten Galopp an. »Deine Herkunft ist mir sowieso schnuppe, Halbelf.« Hochaufgerichtet ritt sie davon.

Reglos saß Tanis in Gedanken verloren auf Paladin, während Kitiara ohne einen Blick zurück davonritt. Als sie schließlich hinter einer Biegung zu verschwinden drohte, rief der Halbelf hinter ihr her. Sie wartete, bis der Wallach aufgeholt hatte.

Der Halbelf sah Kitiara nicht an. »Meine Mutter war mit dem Bruder der Stimme verheiratet – und der war natürlich ein Elf«, sagte er tonlos. »Eine Bande Menschen lauerte ihnen unterwegs auf – Schurken und Diebe. Den Mann meiner Mutter brachten sie um. Meine Mutter wurde von einem Menschen vergewaltigt; sie starb nach meiner Geburt. Die Stimme hat mich zusammen mit seinen eigenen Kindern erzogen.«

»Aha.« Kitiara hielt es für klüger, nichts zu sagen. Aber Tanis war noch nicht fertig. Er schien weitererzählen zu wollen, um es hinter sich zu bringen. Sein Kiefer war angespannt, die braunen Augen blickten hart, die Hände um die Zügel von Paladin waren an den Knöcheln weiß.

»Der Drahtzieher hinter dem Überfall war kein Mensch«, sagte er. »Es war der andere Bruder der Stimme.«

Kitiara riß die Augen auf. »Ich dachte, Elfen stünden über solchen Sachen«, murmelte sie. »Elfenehre und so.«

Tanis durchbohrte sie mit seinem Blick. »Das ist kein Witz, Kitiara. Ehre ist mir sehr wichtig. Meine Mutter und der Mann, der mein Vater hätte sein sollen, sind wegen einer Unehrenhaftigkeit ums Leben gekommen.« Er brach ab. Die Haut über seinen spitzen Wangenknochen schimmerte rot.

Kitiara nickte besänftigend. Bei sich aber dachte sie: Nein. Tanis würde ihr bei den Purpurjuwelen keine große Hilfe sein.

Das Dorf hatte so viel Charme wie abgestandenes Bier.

Tanis und Kitiara zügelten die Pferde. Der Ort bestand aus zwei kurzen Hauptstraßen und einigen blaßgrauen Häusern, von denen manche nur aus einem einzigen großen Raum mit Strohdach bestanden. Statt mit Glas besetzt, waren die Fenster mit eingefettetem Pergament bespannt. Ein Haus, das größer war als die anderen, stach heraus. Der Besitzer hatte ihm einen dunkelbraunen Anstrich verpaßt. Neben dem warmen Braun des großen Hauses wirkten die grauen Gebäude wie tot. Ein Lattenzaun und eine Doppelreihe hoher Stockrosen zogen sich um das Haus, und die strahlenden, rosaroten Blüten hellten den ansonsten trostlosen Ort auf. Die Gefährten sahen keine Einwohner.

Kitiara schnupperte und zeigte auf die offenstehende Vordertür des braunen Hauses. »Gewürze und Hefe«, sagte sie. »Riechst du’s auch?«

Tanis war abgestiegen und war bereits auf dem Weg zu dem Gebäude. »Vielleicht verkauft der Besitzer uns etwas Brot«, rief er zurück. Kitiaras leerer Magen knurrte zustimmend.

Kitiara blieb auf Obsidian sitzen, während Tanis auf die Veranda des braunen Hauses sprang, den Türklopfer betätigte, kurz abwartete und dann eintrat, obwohl er von drinnen keine Antwort gehört hatte. Das Dorf hatte keinen Mietstall, kein Gasthaus, wo ein Reisender einen Krug Bier trinken konnte, aber darin unterschied es sich nicht von Dutzenden anderer Dörfer, in denen Kitiara über die Jahre haltgemacht hatte. Irgendwer in solchen Orten war normalerweise bereit, Fremden gegen entsprechende Bezahlung etwas zu trinken anzubieten.

Doch dieser Ort hier wirkte verlassen. Türen und Fensterläden waren fest geschlossen. »Jemand zu Hause?« rief Kitiara. Obsidian, die die Belagerungen im Sturmangriff mitgemacht hatte, stand ruhig da. Ihr einziges Lebenszeichen war der zuckende, schwarze Schwanz, denn es wimmelte von Fliegen.

Schließlich quietschte eine Tür. »Was wollt ihr in Meddow?« erklang eine schneidende Frauenstimme durch den Türspalt. »Was macht dein Freund in Jarlburgs Laden? Wir haben viele Männer hier, alle mit Schwertern und Streitkolben bewaffnet. Wir können uns verteidigen. Verschwindet.«