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Kitiara unterdrückte ein Lächeln. Ja, ja, sich verteidigen! Sie versteckten sich wie die Kaninchen. Die Kriegerin nahm den Helm ab. »Wir sind auf dem Weg nach Haven. Wir wollen nur etwas zu essen und zu trinken, weiter nichts. Und« – sie machte eine bedeutsame Pause – »ich kann bezahlen.«

Wieder eine Pause. Dann trat zögernd eine Frau mittleren Alters in bäuerlichem Rock, Tuch um die Schultern und Lederschuhen auf die Veranda der Hütte neben dem braunen Gebäude. In den Händen hielt sie eine große, hölzerne Häkelnadel mit einem grünen Faden, der anscheinend am Rückenteil eines Kinderpullovers hing. Ihre Hände standen keinen Augenblick still, sondern häkelten weiter. Die Spitze der Häkelnadel senkte und hob sich unablässig, wie ein emsiges Eichhörnchen. Kitiara verfolgte den handgesponnenen Faden bis in eine ausgebeulte Tasche vorne am Rock der Frau. Alle paar Schlingen zog die Bäuerin an dem Faden, so daß die Tasche zuckte und aus dem Knäuel darin eine neue Länge Garn abgespult wurde.

»Ich kann euch Wasser geben, aber zu essen habe ich nichts übrig«, sagte die Frau nervös. Ihr Blick wanderte immer wieder von Kitiara zum Boden der Veranda und zurück.

»Kein Brot?« fragte Kitiara. »Aber ich rieche doch die Hefe.«

»Wir haben… hatten…« Die Frau holte tief Luft und setzte neu an. »Jarlburg…« Ihr Mut verließ sie, und sie drückte die Häkelnadel an die zitternden Lippen, um dann damit auf die offene Tür des braunen Hauses zu zeigen. »Da.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Jarlburg ist auch tot. Ich weiß es einfach. Einer nach dem anderen von uns stirbt.«

»Auch tot?« wiederholte Kitiara, die Obsidian etwas zurückzog. »Wieso denn – eine Seuche?« Sie bekam eine Gänsehaut. Mit jedem lebenden Gegner nahm Kitiara es bereitwillig auf, aber eine Seuche? Keiner auf Krynn wußte, woher Krankheiten kamen, auch wenn manche Leute sagten, daß die Kleriker und Heiler der alten Götter vor der Umwälzung solche Krankheiten geheilt hätten. Heutzutage behaupteten die Sucher der neuen Religionen, daß die Kranken ihr Schicksal durch moralische Verfehlungen selbst verursacht hätten.

Die Frau schüttelte den Kopf. »Nein, keine Seuche. Die Menschen… verschwinden einfach. Ich glaube, sie gehen in den Sumpf.« Sie zeigte mit ihrer dünnen Hand, die auf einmal kaum noch die Nadel halten konnte, nach Osten.

»Irgendwelche Spuren eines Kampfes?« fragte Kitiara.

Die Bauersfrau schüttelte den Kopf. Jetzt schien sie überzeugt zu sein, daß die Fremden nicht zu jenen gehörten, die Meddow heimsuchten – wer auch immer das sein mochte. Sie wagte sich einen weiteren Schritt vor. Die Frau sah nicht auf ihre Handarbeit, doch sie sprach im Takt der hektischen Bewegungen ihrer hölzernen Häkelnadel.

»Morgens stehen die Türen offen, und sie sind fort«, sagte sie, den Tränen nahe. »Ich weiß einfach, daß sie alle tot sind – Berk, Duster, Braun, Johon, Maron und Keat bisher. Und jetzt Jarlburg! Es sind nur noch drei Männer übrig, ein halbes Dutzend Frauen und mehr als doppelt so viele Kinder. Was wird aus unseren Kindern, wenn es ihre Eltern alle erwischt hat?« Sie fing an zu weinen und wischte die Tränen mit dem Häkelwerk ab. »Ihr seid doch Soldaten. Könnt ihr uns nicht helfen, du und dein Freund?«

Kitiara überlegte. »Was könntet ihr bezahlen?«

Die Frau wich einen Schritt zurück. »Bezahlen?« bebte sie. »Wir haben kein Geld.«

»Dann tut’s mir leid«, erklärte Kitiara kurz angebunden. »Mein Begleiter und ich haben dringende Geschäfte in Solace. Wir dürfen uns nicht verspäten.« Sie wendete Obsidian zu Jarlburgs Laden hin. Die Frau hinter ihr brach wieder in Tränen aus.

»Warte!« Das war wieder die Frau. »Ich kann dir das hier geben.« Sie winkte Kitiara mit dem Pulloverteil. »Der ist bald fertig. Vielleicht hast du ja eine Tochter oder einen Sohn, dem es passen könnte?«

»Mögen die Götter es verhüten«, erwiderte Kitiara mit kurzem Lachen. »Das fehlte mir noch.« Wieder wehrte sie die Bäuerin ab. »Ich muß meinen Kameraden suchen, und dann müssen wir weiterziehen. Wir wollten noch vor Einbruch der Dunkelheit in Haven sein.«

Die Hände der Frau hielten inne und suchten die Schürze, in der sie sich festklammerten. Als Kitiara sich umdrehte, wich der flehende Ausdruck aus den Augen der Bäuerin. »Es gibt eine Abkürzung«, rief sie Kitiara zu. »Folgt dem Pfad hinter Jarlburgs Haus, und zwar nach Osten. Dann kommt ihr bald an die Gabelung beim Rosenquarzfels. Der linke Weg schlängelt sich zwar, führt aber nach Haven.«

»Und der rechte?« Als Kitiara auf Jarlburgs Veranda trat, sah sie sich noch einmal um.

»Der geht mitten in den Sumpf. Seid vorsichtig.«

Kitiara bedankte sich und betrat das braune Haus.

Die Bäuerin drehte sich wieder zu ihrer Hütte um. »Oder vielleicht ist es andersrum«, murmelte sie mit bösem Lächeln in sich hinein. »Vergeß ich immer.«Trotz der offenen Tür war es in der Bäckerei stickig. Kitiara rann der Schweiß den Rücken hinunter. Sie konnte den Duft von Zimt, Ingwer und Nelken riechen, dazu noch etwas Süßes wie Blütenblätter. Sie hörte Tanis hinten rumoren und trat in eine große Küche. Am einen Ende stand ein gemauerter Ofen, die Mitte des Raums wurde von einem dicken Holztisch beherrscht. Unter dem Tisch lagen eineinhalb Sack Weizenmehl.

Tanis stand an der Doppeltür in die Seitengasse. Die untere Hälfte war geschlossen, doch die obere war offen. »Von hier aus riecht man den Sumpf«, sagte er und fügte hinzu: »Es ist alles verlassen, aber offenbar hat jemand erst vor kurzem gebacken.«

»Irgend etwas Seltsames geht hier vor, und zwar immer nachts. Eine Bauersfrau hat es mir erzählt.« Kitiara berichtete, was die Frau gesagt hatte, ließ jedoch die vergebliche Bitte um Hilfe aus. »Wir sollten Proviant einpacken und verschwinden.« Ausgeblichene Mehlsäcke waren über einige Tabletts gelegt, von denen eines gleich neben Kitiaras Ellbogen in einem Regal stand. Kitiara hob die Abdeckung hoch und fand ein paar Küchlein mit Zuckerguß. Sie spießte eins mit ihrem Dolch auf und biß hinein.

»Mmmmmm«, sagte sie, noch bevor sie den Bissen geschluckt hatte. »Mit Marzipanfüllung. Du auch?«

Tanis suchte ein Geldstück – zweifellos Bezahlung für den Proviant – aus einem Beutel an seinem Gürtel. Er sah sich um und legte es dann auf einen zerkratzten Tresen. »Da wird es schon jemand finden. Wie kannst du eigentlich hier essen?« wollte er wissen. »Der Besitzer liegt wahrscheinlich tot da draußen im Sumpf.«

Mit drei Bissen hatte sie das Küchlein aufgegessen, leckte sich die Finger und nahm noch eins. »Wenn ich wegen so etwas jedesmal fasten würde, dann würde ich verhungern, Halbelf. Und halbverhungert bin ich als Kriegerin nicht zu gebrauchen.« Sie wischte sich die Hände an ihrem kurzen Lederrock ab. »Siehst du irgendwo Brot? Guck mal unter das Tuch an der Tür.«

Tanis regte sich nicht. Er sagte kein Wort.

»Empfindlich?« fauchte Kitiara. »Ich glaube kaum, daß es dem alten Jarlburg etwas ausmacht, wenn wir sein Lager ausräumen. Was hat er jetzt noch von den paar Keksen?«

Tanis sagte immer noch nichts. Kitiara schob ihren Dolch in die Scheide. Sie schüttete ein Tablett voll Brötchen auf ein Handtuch und knotete das Tuch zusammen. »Die können wir später gut gebrauchen«, meinte sie dazu.

»Interessiert es dich denn überhaupt nicht, was aus den Leuten geworden ist?« fragte Tanis.

Kitiara schüttelte den Kopf. »Solange nicht ich in Gefahr bin, ist mir das egal.« Tanis sah ihr mit undurchschaubarer Miene zu. »Was ist?« fragte sie verärgert.

»Ich versuche, etwas zu entscheiden«, sagte der Halbelf ruhig, der sich zu der Seitengasse umdrehte.

»Was?« fragte sie.

»Ob du ein Unmensch bist oder typisch menschlich.«

Tanis trat ins Freie und ließ Kitiara mitten in der Küche stehen. In der einen Hand hielt sie einen Laib Roggenbrot, in der anderen das Tuch mit den Brötchen.