Während er mit den anderen auf die Schleuse zuschwamm, sagte der Creppelianer zu einem der AACPs: „Nach unserer Vorstellung ist die Hölle mit kochendheißem Dampf gefüllt, aber man muß schon ganz schön böse gewesen sein, um dort hinzukommen.“ Daraufhin antwortete der AACP: „Unsere Hölle ist zwar auch heiß, aber dort herrscht leider absolute Trockenheit, und man verkommt sozusagen zu Dörrgemüse.“
Conway wollte sich schon dafür entschuldigen, daß er gerade die Geduld verloren hatte, weil er fürchtete, die Gefühle des einen oder anderen Extraterrestriers verletzt zu haben, aber offenbar hatten sie das, was er zuvor gesagt hatte, nicht sonderlich ernst genommen.
6. Kapitel
Durch eine transparente Wand hindurch konnte man in einen großen, dunklen Raum sehen, in dem drei große Kontrollpulte standen, von denen aber zur Zeit nur eins besetzt war. Davor saß ein Nidianer, ein kleiner Humanoid mit siebenfngrigen Händen, dessen Körper mit einem lockigen, roten Pelz überzogen war. An einer Reihe blinkender Kontrolleuchten konnte man erkennen, daß er gerade zu einem Schiff Kontakt aufgenommen hatte, das sich dem Hospital näherte.
„Hören Sie einfach mal zu.“, sagte Conway zu seinen Schützlingen.
„Identifizieren Sie sich bitte“, forderte der rote Teddybär das Schiff auf. Seine abgehackte, bellende Sprache klang durch den Translator, der sämtliche stimmlichen Eigenarten „herausfilterte“, für Conway genauso ausdruckslos wie für die anderen, die die Übersetzung in gleichsam emotionslosem Kelgianisch, Illensanisch oder in jeder x-beliebigen anderen Sprache mithören konnten. „Patient, Besucher oder Mitarbeiter? Und welche Spezies?“
„Pilot, mit einem Patienten an Bord“, kam die Antwort vom Schiff. „Beide menschlich.“
Nach kurzem Zögern sagte der nidianische „Teddybär“: „Bitte nennen Sie mir Ihre physiologische Klassifikation, oder schalten Sie auf vollständigen Sichtkontakt um“, wobei er zu den neugierigen Zuschauern hinter der Glasscheibe hinüberzwinkerte. „Alle intelligenten Lebensformen bezeichnen ihre eigene Spezies im übertragenen Sinne Ihrer Muttersprache als menschlich und halten alle anderen für nichtmenschlich, also ist es völlig belanglos, wie Sie sich selbst nennen, insbesondere was die Unterbringung des Patienten angeht.“
Conway stellte den Lautsprecher, der das Gespräch zwischen dem Schiff und der Aufnahme in den Korridor übertragen hatte, leiser und sagte: „Das scheint mir der richtige Zeitpunkt zu sein, Ihnen unser physiologisches Klassifikationssystem zu erklären. Allerdings will ich nur kurz darauf eingehen, da Sie später über dieses Thema ausführlich unterrichtet werden.“
Er räusperte sich und fuhr fort: „In dem aus vier Buchstaben bestehenden Klassifikationssystem zeigt der erste Buchstabe den Stand der physikalischen Evolution an, der zweite die Art und Verteilung der Gliedmaßen und Sinnesorgane und der dritte und vierte den Metabolismus sowie die erforderlichen Druck- und Schwerkraftverhältnisse, was zugleich ein Hinweis auf die physische Masse und auf die Beschaffenheit der Außenhaut eines Wesens ist. Bevor jemand von Ihnen bezüglich der für ihn zutreffenden Klassifikation irgendwelche Minderwertigkeitskomplexe bekommt, muß ich an dieser Stelle hervorheben, daß der Stand der physikalischen Evolution keinerlei Rückschlüsse auf den Grad der Intelligenz zuläßt.“
Weiterhin erklärte er, daß alle Wesen mit A, B oder C als erstem Buchstaben Wasseratmer seien. Auf den meisten Planeten war das Leben im Wasser entstanden, und diese Wesen hatten eine hohe Intelligenz entwickelt, ohne das nasse Element verlassen zu müssen. D bis F waren warmblütige Sauerstoffatmer — unter diese Klassifikation fielen die meisten intelligenten Wesen der Galaxis. G bis K waren auch Sauerstoffatmer, aber insektenartige Wesen von Planeten mit geringer Schwerkraft, ebenso wie die vogelartigen Wesen der Kategorie L und M. Die Chloratmer waren in die Gruppen O und P eingeteilt, darauf folgten die eher exotischen, physikalisch hochentwickelten und völlig absonderlich anmutenden Spezies — Strahlungsverwerter; starrblütige oder kristalline Wesen; Kreaturen, die ihre physische Gestalt beliebig verändern konnten. Diejenigen, die verschiedene Arten übersinnlicher Kräfte besaßen und bereits so weit entwickelt waren, daß sie nicht einmal mehr Fortbewegungs- oder Greiforgane benötigten, hatten unabhängig ihrer Form oder Größe als ersten Buchstaben ein V.
Conway räumte ein, daß das System nicht ganz fehlerfrei sei, aber Schuld daran sei einfach die mangelnde Vorstellungskraft der Urheber gewesen, und man habe es deshalb auch hin und wieder ändern müssen. So seien die anwesenden AACPs — eine Spezies mit vegetarischem Metabolismus — ein typisches Beispiel dafür. Normalerweise wies das A als deren erster Buchstabe auf Wasseratmer hin. Da das System mit seiner Klassifikation jedoch erst bei den fischähnlichen Lebensformen begann und die AACPs als pflanzliche Wesen noch vor den Fischen hätten eingestuft werden müssen, hatte man sie einfach dieser Gruppe zugeordnet.
„. allerhöchster Wert wird auf die umgehende und genaue Klassifikation eingelieferter Patienten gelegt, die häufig selbst nicht in der Lage sind, diese grundlegend wichtigen Informationen zu geben“, fuhr Conway fort. „Der Idealfall wäre, mit der Zeit eine solche Fertigkeit darin zu entwickeln, daß Sie allein aufgrund der Betrachtung eines Fußes oder einer Hautpartie eines Wesens innerhalb weniger Sekunden eine Klassifikation vornehmen können. Aber sehen Sie selbst“, sagte er, wobei er in den Aufnahmeraum deutete.
Über dem Kontrollpult, hinter dem der Nidianer saß, leuchteten drei Monitore auf, und direkt angrenzende Anzeigegeräte lieferten zu dem, was auf den Bildschirmen zu sehen war, noch zusätzliche Informationen. Der erste Monitor zeigte das Innere der Einlaßschleuse drei, in der gerade zwei terrestrische Sanitäter und eine lange Tragbahre zu sehen waren. Die beiden Krankenpfleger trugen schwere Schutzanzüge und auf Abstoßung eingestellte G-Gürtel, was Conway überhaupt nicht verwunderte, da in Schleuse drei und in den mit ihr verbundenen Ebenen fünf Ge und entsprechend hohe Druckverhältnisse herrschten. Auf dem zweiten Bildschirm sah man die Schleuse von außen mit ihrem Servomechanismus zum automatischen Andocken und das Schiff, das kurz vorm Anlegen war. Der dritte und letzte Monitor übertrug Bilder aus dem Schiffsinnern und zeigte den neuen Patienten.
„Wie Sie sehen können, handelt es sich hier um ein etwas schwerfällig wirkendes, untersetztes Wesen mit sechs kurzen, dicken Gliedmaßen, die gleichermaßen als Arme und Beine dienen. Die Hautoberfläche ist dick, fast stahlhart, sehr widerstandsfähig und überall eingekerbt. Außerdem ist sie an einigen Stellen mit einer spröden, bräunlichen Substanz überzogen, die bei Bewegungen des Patienten hin und wieder von selbst abblättert. Achten Sie besonders auf diese braune Substanz und auf Körpermerkmale, die dem Wesen zu fehlen scheinen. Auf der Anzeige steht, daß es sich um einen warmblütigen Sauerstoffatmer handelt, der von einer Vier-Ge-Welt stammt. Wäre einer von Ihnen bereit, ihn für mich zu klassifizieren?“
Eine ganze Weile herrschte Schweigen, dann zuckte der creppelianische AMSL nervös mit einem Tentakel und sagte: „FROL, Sir.“
„Sehr gut, aber knapp daneben“, bemerkte Conway anerkennend. „Zufällig weiß ich, daß die Atmosphäre auf dem Heimatplaneten dieses Wesens eine sehr dichte, fast undurchdringliche Suppe ist. Der Vergleich mit der Suppe wird dadurch verstärkt, daß in der untersten Atmosphäreschicht Mikroorganismen herumschweben, von denen sich diese Wesen ernähren. Ihnen ist offensichtlich entgangen, daß der Patient keine Eßorgane besitzt, sondern die Nahrung direkt durch die Vertiefungen in der Panzerhaut absorbiert. Wenn er aber auf Reisen ist, muß er mit einem konzentrierten Nahrungspräparat besprüht werden, und deshalb auch diese bräunliche Kruste.“