Lonvellins Bericht zufolge hatte er zunächst den Planeten während mehrerer Umkreisungen beobachtet, wobei er per Translator verschiedene Sender abgehört hatte. Besonders war ihm dabei der erstaunlich niedrige Stand der Industrialisierung aufgefallen, der in einem so merkwürdigen Kontrast zu dem einzigen Raumfughafen auf dem Planeten stand. Als er glaubte, die nach seinem Dafürhalten notwendigen Informationen beisammen und ausgewertet zu haben, suchte er sich den seiner Ansicht nach geeignetsten Landeplatz aus.
Alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß dieser Planet, den die Bewohner Etla nannten, früher einmal eine wohlhabende Kolonie gewesen war, die sich aus wirtschaftlichen Gründen zurückentwickelt und heute nur noch wenige Verbindungen zur Außenwelt hatte; aber irgendwelche Kontakte schienen noch immer zu bestehen. Das wiederum hieß, daß ihm die erste und gewöhnlich schwierigste Aufgabe eigentlich hätte stark erleichtert werden müssen — denn normalerweise mußte man die Bewohner eines Planeten erst einmal dazu bringen, einem Alien zu vertrauen, der für sie buchstäblich vom Himmel gefallen war und dessen Anblick sie möglicherweise in Angst und Schrecken versetzt hatte. Die Etlaner aber hätten an die Existenz außerplanetarischer Wesen gewöhnt sein müssen. Deshalb wollte er die Rolle eines bemitleidenswerten, leicht verängstigten und etwas dummen Wesens aus einer anderen Welt spielen, das angeblich wegen dringend anstehender Reparaturarbeiten zu einer Notlandung gezwungen worden war. Für die Wiederinstandsetzung seines Raumschiffs wollte er die Etlaner um verschiedene völlig absonderliche und wertlose Reparaturhilfsmittel aus Metall- oder Gesteinsresten bitten und so tun, als würde es ihm ungeheuer schwerfallen, den Etlanern verständlich zu machen, was er genau benötigte. Für diesen Ramsch beabsichtigte er, ihnen dann im Austausch äußerst nützliche und wertvolle Gegenstände zu geben, mit denen die etwas findigeren Etlaner schon bald etwas würden anfangen können.
Zwar erwartete Lonvellin, während dieser Phase schamlos ausgebeutet zu werden, das war ihm aber egal, denn seiner Überzeugung nach würde sich die Lage allmählich ändern — anstatt ihnen immer wertvollere Gegenstände zu geben, wollte er ihnen seine noch wertvolleren Dienste anbieten. Danach hatte er vor, sie wissen zu lassen, daß der Schaden an seinem Schiff irreparabel sei, und mit der Zeit würden sich die Einheimischen als Dauergast an ihn gewöhnt haben. Schließlich würde alles nur noch eine Frage der Zeit sein, und davon hatte Lonvellin ja bekanntlich genug.
Um diesen Plan in die Tat umzusetzen, war er damals direkt neben einer Straße gelandet, die zwei kleine Städte miteinander verband, und schon kurz darauf hatte sich ihm die erste Gelegenheit geboten, sich einem Einheimischen zu erkennen zu geben. Aber obwohl er während dieser Kontaktaufnahme sehr behutsam vorging und den Etlaner immer wieder per Translator zu beruhigen versuchte, ergriff dieser sofort die Flucht. Einige Stunden später wurden vorsintflutliche kleine Granaten mit chemischen Sprengköpfen auf sein Schiff abgefeuert, und das gesamte Gebiet, das dicht bewaldet war, wurde mit flüchtigen Chemikalien überzogen und war binnen kurzem völlig entlaubt.
Ohne zu wissen, warum diese raumfahrterfahrene Spezies außerplanetarischen Wesen gegenüber derart feindlich gesinnt war, war Lonvellin in dieser Situation ein weiteres Vorgehen unmöglich. Und da er zu diesem Zeitpunkt allein nicht mehr weiterwußte, bat er um terrestrische Hilfe.
Kurz darauf traf ein Monitorkreuzer mit Spezialisten für den Erstkontakt mit Aliens ein. Nachdem sie ihrerseits die Lage eingeschätzt hatten, ohne aus ihrer Landung ein Geheimnis gemacht zu haben, entdeckten sie bald, daß die Etlaner Angst vor fremden Wesen hatten, weil sie glaubten, diese würden Krankheiten übertragen. Besonders bemerkenswert daran war, daß sie der Meinung waren, ihnen drohe von Weltraumreisenden der eigenen oder einer artverwandten Spezies keine Ansteckungsgefahr, obwohl diese sehr viel eher als Krankheitsüberträger in Frage kamen — es galt nämlich als eine medizinisch unumstößliche Tatsache, daß sich verschiedenartige Spezies mit ihren Krankheiten gegenseitig nicht anstecken konnten. Und wie Conway meinte, hätte jede raumfahrterfahrene Spezies dies wissen müssen, da es sich um eine der ersten Erfahrungen handelte, die eine weltraumreisende Zivilisation machte.
Trotz seiner geistigen Müdigkeit versuchte er gerade, diesen merkwürdigen Widerspruch mit Hilfe eines dicken Nachschlagewerks über das Kolonisationsprogramm der Föderation zu klären, als ihm der Besuch Major Stillmans eine willkommene Unterbrechung bot.
„Wir werden in drei Tagen unser Ziel erreichen, Doktor“, begann der Major, „und ich denke, es ist an der Zeit, Sie ein wenig in Tarnungs- und Spionagetechniken zu unterweisen. Damit meine ich in erster Linie, Sie mit der Kleidung der Etlaner vertraut zu machen. Es handelt sich dabei um ein wirklich reizendes Kostüm, obwohl ich selbst nicht die passenden Knie für einen Schottenrock hab.“
Wie Stillman weiter erläuterte, hatte das Monitorkorps bei der Kontaktaufnahme mit den Etlanern zwei verschiedene Methoden angewandt. Bei der einen Vorgehensweise waren die Monitore unbemerkt gelandet, wobei sie etlanisch gesprochen und sich die Kleidung der Planetenbewohner angezogen hatten, so daß aufgrund der täuschend echt wirkenden äußerlichen Ähnlichkeit keine andere Tarnung notwendig gewesen war. Auf diese Weise hatten sie in erster Linie die aus letzter Zeit herrührenden Informationen erhalten, und bislang war noch kein Agent enttarnt worden. Bei der anderen Methode hatten sie ihre außerplanetarische Herkunft nicht verleugnet und den Etlanern per Translator zu verstehen gegeben, sie hätten von deren mißlichen Lage gehört und seien gekommen, um ihnen medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Die Etlaner hatten sich mit dieser Erklärung abgefunden und ihrerseits den Monitoren offenbart, ihnen seien in der Vergangenheit bereits immer wieder ähnliche Angebote gemacht worden, und obwohl alle zehn Jahre ein, wie sie es nannten, „Schiff des Imperiums“ mit den neuesten Medikamenten kommen würde, habe sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung ständig verschlechtert. Also wurde das Vorhaben der Monitore, die gesundheitliche Situation auf dem Planeten zu verbessern, zwar begrüßt, aber die Etlaner weckten bei ihnen den Eindruck, als würden sie das Korps trotz aller unterstellten positiven Absichten lediglich für eine weitere Gruppe von Kurpfuschern halten.
Sobald sich das Gespräch aus irgendeinem Anlaß um Lonvellins Landung drehte, gaben sich die Monitore selbstverständlich völlig ahnungslos und äußerten sich dazu stets nur in sehr zurückhaltendem und höchst gemäßigtem Ton.
Wie Stillman weiter ausführte, handelte es sich um eine äußerst komplizierte Situation, die mit jedem neu eintreffenden Lagebericht der Agenten noch verworrener wurde. Lonvellin habe aber eine herrlich einfache Idee, um das ganze Problem mit einem Schlag zu lösen. Als Conway von Lonvellins Plan hörte, wünschte er plötzlich, er hätte den EPLH mit seinen Heilkünsten nicht so stark beeindruckt und wäre wieder in der wohlvertrauten Umgebung des Orbit Hospitals. Die Verantwortung für die Gesundheit der Gesamtbevölkerung eines Planeten übertragen bekommen zu haben, verursachte bei ihm ein höchst unbehagliches Gefühl in der Magengegend.
Die Etlaner wurden nicht nur von vielen Krankheiten heimgesucht, sondern litten auch an Engstirnigkeit und Aberglauben — ihre Reaktion auf das Erscheinen Lonvellins war ein schockierendes Beispiel ihrer Intoleranz gegenüber außerplanetarischen Wesen, die ein für sie fremdartiges Aussehen hatten. Durch Krankheiten wurde dieser Fremdenhaß zusätzlich geschürt, der seinerseits die Leiden nur verschlimmerte. Lonvellin hoffte nun, diesen Teufelskreis durchbrechen zu können, indem er die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung so merklich verbesserte, daß dieser Fortschritt selbst dem dümmsten und engstirnigsten Etlaner nicht verborgen bleiben konnte. Danach sollten sich die Monitore öffentlich dazu bekennen, die ganze Zeit unter seiner Anleitung gehandelt zu haben. Er hoffte, dadurch die fremdenfeindlich gesinnten Etlaner so sehr in die Enge zu treiben, daß sie sich ihrer alten Ansichten nur noch schämen konnten. In dem darauf folgenden Klima wachsender Toleranz wollte Lonvellin das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen, um schließlich zu seinem eigentlichen Vorhaben zurückzukehren, nämlich die Etlaner zu gesunden und glücklichen Wesen mit einer blühenden Kultur zu machen.