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Lonvellin drängte allerdings auch gar nicht auf faßbare Resultate. Er war ein sehr geduldiges Lebewesen, das alle Zeit der Welt besaß. Manchmal ertappte sich Conway bei der Frage, ob Schwester Murchison mit ihm wohl genausoviel Geduld haben würde wie Lonvellin.

10. Kapitel

Conway drückte den Knopf der Gegensprechanlage, und gleich darauf kam Major Stillman mit geröteten Augen hereingestolpert und setzte sich. Seine normalerweise steife, glatte Uniform war auch jetzt nur leicht zerknittert. Die beiden gähnten sich gegenseitig an, und schließlich eröffnete Conway das Gespräch.

„In ein paar Tagen werde ich die genauen Angaben über die Liefer- und Verteilungsmengen zusammenhaben, um in dieser Gegend mit der medizinischen Versorgung zu beginnen“, sagte er. „In der Liste ist jede ernsthafte Erkrankung zusammen mit Informationen über Alter, Geschlecht und Aufenthaltsort des Patienten sowie der berechneten Medikamentenmenge aufgeführt worden. Aber mir wäre viel leichter ums Herz, wenn wir erst einmal genaue Kenntnisse von dem ursprünglichen Zustandekommen dieser Verhältnisse hätten, bevor ich den Startschuß gebe, die ganze Gegend mit medizinischen Vorräten zu überschwemmen.

Ehrlich gesagt, ich mach mir Sorgen“, fuhr er fort. „Ich fürchte fast, wir begehen möglicherweise den Fehler, das zerschlagene Geschirr schon zu ersetzen, bevor wir überhaupt den Elefanten aus dem Porzellanladen gescheucht haben.“

Stillman nickte, aber Conway konnte nicht sagen, ob das Nicken Zustimmung oder Müdigkeit ausdrückte.

Warum waren auf einem Planeten, der einen ausgemachten Seuchenherd darstellte, die Säuglingssterblichkeit so gering und die wegen Komplikationen oder Infektionen während der Geburt auftretenden Todesfälle so selten? Weshalb zeigte sich auf der einen Seite bei den Kindern die deutliche Tendenz, gesund zu bleiben, und auf der anderen Seite bei den Erwachsenen die spürbare Neigung, chronisch zu erkranken? Zugegebenermaßen wurde zwar ein großer Teil der Säuglinge blind geboren oder war durch Erbkrankheiten körperlich beeinträchtigt, doch nur relativ wenige starben bereits in jungem Alter. Vielmehr überstanden sie ihre Mißbildungen und Entstellungen bis ans Ende des mittleren Alters, in dem dann — statistisch gesehen — die meisten ihrer Krankheit erlagen.

Darüber hinaus bewies die Statistik, daß die Etlaner in bezug auf ihre Krankheiten einen krassen Exhibitionismus an den Tag legten, denn bei ihnen entwickelten sich im großen Umfang unerfreuliche Hautkrankheiten: Leiden, die zu einem allmählichen körperlichen Verfall oder zur Deformierung der Gliedmaßen und zu einigen ziemlich grauenerregenden Kombinationen aus beidem führten. Ihre Nationaltracht trug nichts dazu bei, die Gebrechen zu verbergen, ganz im Gegenteil, und Conway drängte sich manchmal der Vergleich zu kleinen Jungen auf, die vor ihren Freunden so gerne mit zerschundenen Knien prahlten.

Als Stillman ihn unterbrach, bemerkte er plötzlich, daß er laut gedacht hatte.

„Das stimmt nicht, Doktor“, sagte Stillman in einem für seine Verhältnisse scharfen Ton. „Diese Leute sind keine Masochisten. Was auch immer hier ursprünglich einmal schiefgegangen ist, sie haben versucht, es zu bekämpfen. Seit über einem Jahrhundert haben sie sich mit nur sehr wenig Unterstützung von außen diesen Krankheiten widersetzt und dauernd Niederlagen einstecken müssen. Es überrascht mich, daß sie überhaupt noch eine Zivilisation haben. Und die kurze Tracht tragen sie in dem Glauben, frische Luft und Sonnenlicht wären für ihre Gebrechen gut — und in den meisten Fällen haben sie sogar völlig recht damit.

Dieser Glaube wird ihnen nämlich von Kindesalter an genauso eingeimpft wie ihr Haß auf alle fremdartig aussehenden Wesen und die Überzeugung, es sei unnötig, Infektionsherde oder an ansteckenden Krankheiten leidende Patienten zu isolieren“, fuhr Stillman fort, wobei sein Ton nach und nach seine Schärfe verlor. „Und das ist sogar gefährlich, weil sie glauben, die Erreger der einen Krankheit würden die Erreger der zweiten bekämpfen, so daß dann schließlich alle Bazillen geschwächt wären.“

Bei diesem Gedanken schauderte es Stillman, und er verfiel in Schweigen „Ich wollte unsere Patienten nicht persönlich angreifen, Major“, entgegnete Conway. „Ich hab ja auch keine vernünftigen Antworten auf dieses Problem, und deshalb fallen mir eben nur dumme ein. Aber Sie haben vorhin die mangelnde Unterstützung angesprochen, die die Etlaner von ihrem Imperium erhalten. Darüber hätte ich gerne mehr Einzelheiten gewußt, besonders darüber, wie diese minimalen Hilfsmittel überhaupt verteilt werden. Aber noch lieber würde ich mal den Vertreter des Imperiums auf Etla danach fragen. Konnten Sie den inzwischen ausfindig machen?“

Stillman schüttelte den Kopf und antwortete trocken: „Diese Hilfsmittel werden nicht wie eine Sendung von Lebensmittelpaketen geliefert. Natürlich sind Medikamente dabei, aber zum größten Teil handelt es sich um die neueste, auf die hiesigen Zustände bezogene medizinische Fachliteratur. Wie diese dann die Leute erreicht, das versuchen wir im Moment noch herauszufinden.“

Wie Stillman in seinen Erklärungen fortfuhr, landete alle zehn Jahre ein Schiff des Imperiums auf Etla, das der Vertreter des Imperiums am Landeplatz erwartete. Nachdem das Schiff die Ladung gelöscht und an den Vertreter etwas übergeben hatte, bei dem es sich vermutlich um Berichte handelte, startete es schon einige Stunden später wieder. Anscheinend wollte kein Bürger des Imperiums auch nur eine Sekunde länger als nötig auf Etla verweilen, was ja auch verständlich war. Anschließend machte sich dann der Vertreter des Imperiums, eine Persönlichkeit namens Teltrenn, an die Verteilung der medizinischen Hilfsmittel.

Aber anstatt sich der Mittel des Massenvertriebs zu bedienen, um die örtlichen medizinischen Institutionen über die neuesten Behandlungsmethoden aufzuklären und den ortsansässigen Ärzten Zeit zu geben, sich vor dem Eintreffen der Medikamente erst einmal mit deren Wirkungsweise vertraut zu machen, hielt Teltrenn die gesamten Informationen so lange zurück, bis er den Ärzten und Institutionen einen persönlichen Besuch abstatten konnte. Dann erst überreichte er ihnen alles als persönliches Geschenk ihres glorreichen Imperators, wobei ihm selbst natürlich auch kein geringes Maß an Ehre zuteil wurde, weil er ja schließlich der Mittelsmann war. Deshalb erreichten die Informationen, die jeder Arzt auf dem Planeten innerhalb von drei Monaten in Händen hätte halten können, die Ärzte und Institutionen Stück für Stück über einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren.

„Sechs Jahre!“ rief Conway entsetzt aus.

„Teltrenn ist, soweit wir herausfinden konnten, kein besonders tatkräftiger Mensch“, antwortete Stillman. „Und was die Sache noch viel schlimmer macht: auf Etla wird nur wenig oder gar keine medizinische Grundlagenforschung betrieben, und zwar deshalb, weil das lebenswichtigste Instrument des Forschers fehlt: das Mikroskop. Auf Etla ist man nämlich nicht in der Lage, optische Präzisionsgeräte zu fertigen, und anscheinend hat kein Schiff des Imperiums jemals daran gedacht, Mikroskope mitzubringen.

Und das alles läuft dann darauf hinaus, daß sämtliche medizinischen Überlegungen für den Planeten Etla vom Imperium übernommen werden. Und allen Anzeichen nach ist das Imperium medizinisch ja nicht gerade gewitzt.“

„Ich würde gern den direkten Zusammenhang zwischen dem Eintreffen dieser Hilfsmittel und der Krankheitsquote unmittelbar danach untersuchen“, entgegnete Conway in bestimmtem Ton. „Können Sie mir dabei helfen?“