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Sie hatte so schön und begehrenswert wie immer ausgesehen, und zweifellos hatte er ihre Gefühle verletzt, aber darauf kam es ihm im Moment nicht an. Seine Gedanken galten allein dem bevorstehenden Treffen mit O’Mara, und als er sich kurz darauf im Büro des Chefpsychologen einfand, schienen sich seine schlimmsten Befürchtungen zu bewahrheiten.

„Setzen Sie sich, Doktor“, begann O’Mara. „Also haben Sie es endlich doch noch geschafft, uns in einen interstellaren Krieg zu verwickeln, wie.?“

„Das ist überhaupt nicht komisch“, erwiderte Conway.

O’Mara musterte ihn mit einem ausgiebigen Blick. Dabei beobachtete er nicht nur Conways Gesichtsausdruck, sondern bemerkte auch andere Faktoren wie die Körperhaltung im Stuhl und die Position und Bewegungen der Hände. O’Mara legte zwar keinen großen Wert auf korrekte Anredeformen, doch daß es Conway unterlassen hatte, ihn mit „Sir“ anzusprechen, nahm er ebenfalls als Begleitumstand zur Kenntnis, dem er den richtigen Stellenwert in seiner Situationsanalyse beimaß. Der ganze Vorgang dauerte vielleicht zwei Minuten, und während dieser Zeit zuckte der Chefpsychologe nicht ein einziges Mal mit den Augenlidern. Aber O’Mara legte sowieso keine irritierenden Gebärden an den Tag — seine kräftigen, groben Hände zuckten nie und spielten auch keinen Augenblick mit irgendwelchen Gegenständen herum, und wenn er es wollte, konnten seine Gesichtszüge so ausdrucksvoll wie ein Felsblock aussehen.

Bei diesem Anlaß jedoch entspannte er das Gesicht zu einem Ausdruck von fast gütiger Mißbilligung, und dann redete er endlich.

„Da gebe ich Ihnen ausnahmsweise mal recht“, entgegnete er leise. „Das ist kein bißchen komisch. Aber in einem Hospital wie diesem besteht eben immer die Möglichkeit, daß ein Arzt zum Unruhestifter wird, gerade weil er es so gut meint — das wissen Sie genausogut wie ich. Wir haben doch schon oft irgendein seltsames Lebewesen einer bisher unbekannten Spezies ins Hospital eingeliefert bekommen, das dringend behandelt werden mußte. In so einem Fall bleibt eben keine Zeit für die Suche nach den Freunden des Patienten, bloß um herauszubekommen, ob die beabsichtigte Behandlungsmethode unter den gegebenen Umständen auch wirklich die richtige Verfahrensweise ist. Ein ganz typischer Fall war zum Beispiel diese riesige ianische Schmetterlingspuppe, die Sie vor ein paar Monaten behandelt haben, noch bevor wir uns mit den Ianern formell in Verbindung setzten konnten. Hätten Sie damals nicht vollkommen richtig diagnostiziert, daß der Patient eine im Wachstum befindliche Puppe war und keineswegs an bösartigen, unverzüglich zu entfernenden Hautwucherungen litt — eine Operation, an der der Patient bestimmt gestorben wäre — dann hätten wir jetzt mit den Ianern ernsthafte Schwierigkeiten. Daran sieht man ja, das Sie auch anders können.“

„Ja, Sir“, erwiderte Conway.

O’Mara fuhr fort: „Mit meiner Bemerkung wollte ich Sie vorhin doch nur aufziehen. Aber wenn man an Ihr noch gar nicht so lange zurückliegendes Erlebnis mit dem Ianer denkt, dann war meine Feststellung auf gewisse Weise sogar treffend. Gut, vielleicht war sie geschmacklos, aber falls Sie nun annehmen, ich würde mich entschuldigen, dann glauben Sie offenbar an Wunder. So, und jetzt berichten Sie mir über Etla.

Übrigens, mein Schreibtisch und mein Papierkorb sind voll von Berichten, die ausführlich auf die Auswirkungen und furchtbaren Konsequenzen dieser ganzen Geschichte mit Etla eingehen“, fügte er schnell hinzu, bevor Conway etwas sagen konnte. „Alles, was ich wissen will, ist also, wie Sie Ihren ursprünglich erhaltenen Auftrag ausgeführt haben.“

Ganz nach O’Maras Weisung lieferte Conway nun einen so knapp wie möglich gehaltenen Bericht. Er spürte, wie er sich während des Rapports langsam entspannte. Zwar spukte ihm noch immer ein wirres und äußerst erschreckendes Bild von den Auswirkungen eines Krieges auf unzählige Millionen von Lebewesen, auf das Hospital und auf ihn selbst im Kopf herum, aber wenigstens fühlte er sich nicht mehr für die Kriegsursache mitverantwortlich. Genau das hatte ihm O’Mara zu Anfang des Gesprächs aber vorgeworfen, dann hatte er ihm allerdings ohne allzu viele Worte klargemacht, wie albern dieses Schuldgefühl war. Als Conway mit seinem Bericht bei der Zerstörung von Lonvellins Schiff anlangte, kehrte dieses Gefühl jedoch mit voller Stärke zurück. Wenn er damals die einzelnen Teile früher zusammengefügt hätte, wäre Lonvellin heute noch am Leben.

O’Mara mußte seinen Gefühlswandel wohl bemerkt haben, ließ Conway aber seinen Bericht beenden, bevor er sagte: „Bei der ganzen Sache wundert mich nur, daß Lonvellin den Stand der Dinge nicht schon vor Ihnen erkannt hat. Er war doch schließlich der Kopf, der hinter der ganzen Operation gestanden hat. Wo wir gerade von Köpfen sprechen: Ihrer scheint ja von den Problemen, die eine große Anzahl von unterschiedlich zu behandelnden Wesen aufwirft, überhaupt nicht durcheinandergebracht worden zu sein. Und deshalb hab ich auch eine neue interessante Aufgabe für Sie. Und dieser Job hat gleich mehrere Vorteile — er ist weniger umfangreich als der Auftrag auf Etla, Sie müssen dazu nicht das Hospital verlassen, und mit etwas Glück werden Sie ihn ohne große Probleme erledigen.

Ich möchte nämlich, daß Sie die Evakuierung des Orbit Hospitals organisieren.“

Conway schluckte. Und dann schluckte er noch ein zweites Mal.

„Also, nun gucken Sie bitte nicht so, als ob ich Ihnen einen Schlag in die Magengrube versetzt hätte!“ sagte O’Mara. „Sonst mache ich das nämlich wirklich. Auch Ihnen muß klargeworden sein, daß wir hier keine Patienten gebrauchen können, wenn die Streitkräfte des Imperiums anrücken. Genausowenig sollte sich im Hospital nichtmilitärisches Personal aufhalten, wenn es nicht freiwillig hierbleibt. Auf jeden Fall müssen sämtliche Wesen, die detaillierte Informationen über die Position irgendeines Planeten der Föderation besitzen, aus dem Orbit Hospital verschwinden. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, welchen Rang oder welche Stellung diese Wesen haben. Aber bestimmt erschreckt Sie die Vorstellung sowieso nicht mehr, Ihren nominellen Vorgesetzten Befehle zu erteilen, wo Sie ja schon einen Colonel des Monitorkorps herumkommandiert haben.“

Conway spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoß. Er ließ O’Mara jedoch den Seitenhieb über Williamson durchgehen und erwiderte: „Ich hab eigentlich gedacht, wir sollten dem Imperium das Hospital am besten leer hinterlassen.“

„Nein“, entgegnete O’Mara trocken. „Dafür ist der ideelle, finanzielle und strategische Wert zu groß. Wir hoffen, durch Unterstützung der Verteidigungseinheiten ein paar Ebenen zur Behandlung von Opfern funktionsfähig halten zu können. Colonel Skempton befaßt sich bereits mit dem Problem der Evakuierung und wird Ihnen helfen, wo er kann. Wie spät ist es denn jetzt bei Ihnen, Doktor?“

Conway erklärte O’Mara, daß es für ihn zwei Stunden nach dem Frühstück gewesen sei, als er von Bord der Vespasian gegangen war.

„Schön“, entgegnete O’Mara. „Dann können Sie sich ja mit Skempton in Verbindung setzen und sich anschließend sofort an die Arbeit machen. Für mich ist die Schlafenszeit zwar schon lange überschritten, aber ich schlafe eben hier, falls Sie oder der Colonel irgend etwas wollen. Gute Nacht, Doktor.“

Kaum gesagt, zog er auch schon seine Uniform aus, legte sie zusammen, stieg aus den Schuhen und legte sich hin. Innerhalb von Sekunden ging sein Atem tief und regelmäßig. Conway mußte plötzlich lachen.

„Es ist doch irgendwie fast schon ein traumatisches Erlebnis, wenn man den Chefpsychologen auf seiner eigenen Couch liegen sieht“, stellte Conway zwischen dem Gelächter fest. „Nach diesem Anblick bezweifle ich doch sehr, ob unser Verhältnis jemals wieder dasselbe sein wird, Sir.“

Als er hinausging, murmelte O’Mara schläfrig: „Da bin ich ja heilfroh. Eben hab ich noch befürchtet, Sie würden wegen mir noch ganz melancholisch.“