Выбрать главу

Nur ein Teil des Puzzles schien nicht passen zu wollen — nämlich die merkwürdige Art, in der sich der EPLH gegen die Behandlungsversuche gewehrt hatte. Doch war Conway davon überzeugt, es müsse sich hierbei um ein rein psychologisches Problem handeln, das sich auch bald klären ließe. Entscheidend war nur, daß er jetzt wußte, wie er von nun an vorzugehen hatte.

Entgegen Thornnastors Behauptungen sprach eben doch nicht jeder Patient auf eine medikamentöse Behandlung an, und Conway hätte sofort einen operativen Eingriff durchgeführt, wenn die ganze Geschichte nicht zu so abwegigen Überlegungen geführt hätte, wer oder was der Patient eigentlich war und welche Tat man ihm überhaupt vorwarf. Der Umstand, daß der EPLH ein Halbgott und ein Mörder sein sollte oder ganz generell jemand, mit dem es nicht zu spaßen galt, waren unwichtige Begleitumstände, die ihn eigentlich nichts angingen.

Seufzend schwang er die Beine vom Schreibtisch; er hatte sich in dieser bequemen Lage allmählich zu wohl gefühlt und beschloß, lieber ins Bett zu gehen, denn fast wäre er im Sessel eingeschlafen.

Am nächsten Morgen bereitete Conway gleich nach dem Frühstück alles für die Operation des EPLH vor. Dazu forderte er die notwendigen Instrumente und Geräte an und erteilte die strikte Anweisung, daß der Beobachtungsraum völlig steril gehalten werden müsse — immerhin wurde dem Patienten unterstellt, bereits einen Arzt wegen mangelnder Sorgfaltspflicht getötet zu haben, und der EPLH würde bestimmt alles andere als begeistert sein, wenn er sich durch nachlässige Hygienemaßnahmen eines anderen Arztes eine Infektion zugezogen hätte. Zudem bat Conway einen tralthanischen Arzt, ihm bei den mikrochirurgischen Feinarbeiten zu assistieren, und suchte schließlich eine halbe Stunde vor Beginn der Operation O’Mara auf.

Der Chefpsychologe hörte sich zunächst kommentarlos an, was Conway zu berichten hatte, und auch das, was dieser zu planen gedachte.

„Wissen Sie eigentlich, was es für unser Hospital heißen kann, wenn dieser Kannibale hier frei herumläuft, Conway?“ fragte er schließlich besorgt. „Und das meine ich nicht nur im rein physischen Sinn. Nach Ihrer Darstellung ist der Patient psychisch stark gestört, wenn nicht sogar regelrecht psychotisch. Im Augenblick ist er bewußtlos, aber Ihren Worten nach müßte er über ein solch enormes psychologisches Wissen verfügen, daß er uns dazu bringen könnte, ihm aus der Hand, oder besser, aus den Tentakeln zu fressen. Am meisten beschäftigt mich die Frage, was passiert, sobald er aufwacht.“

Es war das erstemal, daß O’Mara vor Conway zugab, besorgt zu sein. Allerdings soll er vor einigen Jahren, als ein außer Kontrolle geratenes Raumschiff mit dem Hospital kollidiert war, wobei es sechzehn Stockwerke in Mitleidenschaft gezogen hatte, vor anderen Mitarbeitern des Orbit Hospitals eine ähnliche Besorgnis ausgedrückt haben.

„Darüber denke ich lieber erst gar nicht nach. Das lenkt vom aktuellen Problem nur noch mehr ab“, bemerkte Conway etwas kleinlaut.

O’Mara atmete tief ein und schnaubte die angestaute Luft langsam durch die Nase wieder aus — eine Marotte von ihm, mit der er seinem Gegenüber mehr klarmachen konnte, als mit jeder noch so vernichtenden verbalen Standpauke. „Irgend jemand sollte sich aber darüber Gedanken machen, Doktor. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen einzuwenden, wenn ich bei der bevorstehenden Operation zuschaue, oder?“

Auf diesen in höfliche Worte gefaßten Befehl blieb Conway nichts anderes übrig, als ebenso höflich zu antworten: „Es wäre mir sogar eine große Ehre, Sir.“

Als sie im Beobachtungsraum eintrafen, war das „Bett“ des Patienten, den man mit dicken Riemen überall fest angeschnallt hatte, bereits auf eine bequeme Operationshöhe eingestellt worden. Der Tralthaner hatte seinen Platz neben den Überwachungs- und Anästhesiegeräten eingenommen und beobachtete mit einem Auge den Patienten und mit einem anderen die Anzeigeinstrumente. Die beiden restlichen Augen waren auf Prilicla gerichtet, mit dem er sich genüßlich über die schlüpfrigen Einzelheiten eines besonders gepfefferten Skandals unterhielt, der erst tags zuvor ans Licht gekommen war. Da es sich bei den beiden Betroffenen um PVSJ-Chloratmer handelte, hätte diese Affäre für sie eigentlich nur von rein akademischem Interesse sein können, aber offensichtlich war dieses akademische Interesse sehr ausgeprägt. Beim Anblick von O’Mara stellten sie ihren Klatsch allerdings umgehend ein, und Conway gab das Zeichen, mit der Narkose zu beginnen.

Die Pathologie hatte das Anästhetikum als unbedenklich für die EPLH-Spezies bezeichnet, und während es verabreicht wurde, beschäftigten sich Conways Gedanken kurz mit seinem tralthanischen Assistenten.

Ein tralthanischer Chirurg setzte sich in Wirklichkeit aus zwei Wesen zusammen, nämlich aus einem FGLI und einem OTSB. Auf dem lederartigen Rücken des elefantenähnlichen Tralthaners haftete ein winziges und mit nur geringer Intelligenz ausgestattetes Wesen, das mit dem FGLI in Symbiose lebte. Auf den ersten Blick wirkte der OTSB wie ein kleiner Pelzball, aus dem so etwas wie ein relativ langer Pferdeschwanz hervorragte. Bei genauerem Hinsehen konnte man aber erkennen, daß sich der vermeintliche Pferdeschwanz aus dünnen, drahtähnlichen Tentakeln zusammensetzte, von denen die meisten mit winzigen Augen und Saugnäpfen besetzt waren. Da Wirt und Parasit stets miteinander in Verbindung standen, waren die FGLIs in der Kombination mit diesen kleinen OTSBs die besten Chirurgen der Galaxis. Zwar gingen nicht alle Tralthaner eine solche Symbiose ein, aber die Ärzte unter ihnen trugen ihre OTSBs auf dem Rücken mit sichtlichem Stolz wie ein hohes Rangabzeichen.

Plötzlich huschte der kleine OTSB über den Rücken seines Wirts und verharrte direkt zwischen den vier Stielaugen des kuppelförmigen Kopfs des FGLI. Der Tralthaner war also bereit.

„Wie man noch sehen wird, ist nur die Oberflächenhaut von der Krankheit betroffen“, sagte Conway, um seiner Protokollpflicht genüge zu tun, da die gesamte Operation von automatischen Kameras aufgezeichnet wurde. „Die gesamte Haut sieht spröde und ausgetrocknet aus und blättert an einigen Stellen bereits ab. Bei der Entnahme der ersten Hautproben traten keine Schwierigkeiten auf, aber bei späteren Entnahmen bin ich bis zu einem gewissen Grad auf Widerstand gestoßen, was an winzigen Wurzelfasern von wenigen Millimetern Länge lag, die, jedenfalls was meine Sehfähigkeiten anbelangt, mit bloßem Auge kaum zu erkennen waren. Es liegt also auf der Hand, daß die Krankheit in eine neue Phase eintritt. Sie dringt allmählich von der Oberhaut tiefer nach innen, und je eher wir etwas dagegen unternehmen, desto besser.“

Conway gab das gemeinsame Aktenzeichen des Pathologieberichts und der von ihm selbst erstellten Voruntersuchungsergebnisse an und fuhr dann fort: „Da der Patient aus für uns bis jetzt noch unerfindlichen Gründen auf eine medikamentöse Behandlung nicht anspricht, werde ich jetzt die befallenen Hautpartien operativ entfernen und dann die betroffenen Stellen ausspülen und reinigen und durch künstliche Haut ersetzen. Zudem wird ein von einem Tralthaner angeleiteter OTSB eingesetzt, um sicherzustellen, daß auch wirklich sämtliche Wurzelfasern herausgeschnitten werden. Da fast die gesamte Hautoberfläche betroffen ist, wird es sich zwar um einen recht langen Eingriff handeln, die Operation selbst dürfte aber relativ unkompliziert verlaufen.“

„Entschuldigung, Doktor“, unterbrach ihn Prilicla, „aber der Patient ist noch immer bei Bewußtsein.“

Im Nu brach zwischen dem Tralthaner und dem Empathen ein heftiger Streit aus, der von Priliclas Seite her allerdings in einem höflichen Ton ausgetragen wurde. Prilicla hielt daran fest, daß der EPLH nach wie vor geistig rege sei und entsprechende Gefühle ausstrahle, während sein Gegenpart darauf beharrte, der Patient habe so viel Anästhetikum im Blutkreislauf, daß er wenigstens die nächsten sechs Stunden gegenüber sämtlichen äußeren Einwirkungen völlig unempfindlich sein müsse. Kurz bevor der Streit auf eine persönliche Ebene abzurutschen drohte, fuhr Conway dazwischen.