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»Was ist mit Ihrem Gehilfen?«

»Nennen Sie ihn bloß nicht so, sonst wird er sauer.«

»Er ist auch eingeladen. Mit der LAPD-Kappe sieht er ziemlich dämlich aus.«

»Ich habe ihn gewarnt.«

»Woher, glauben Sie, hat er die Schnittwunde im Gesicht? Von etwas auf dem Boden oder hinten am Traktor?«, fragt Fielding. Blut rinnt Mr. Whitby seitlich übers bartstoppelige Gesicht, als Fielding die halb abgetrennte Nase berührt.

»Vielleicht ist es ja gar keine Schnittwunde. Als der Reifen über seinen Körper gerollt ist, kann er Haut mitgerissen haben. Diese Verletzung«, sie weist auf die tiefe, gezackte Wunde, die über seine Wangen und den Nasenrücken verläuft, »könnte auch ein Riss und kein Schnitt sein. Falls es wichtig werden sollte, müssten Sie unter dem Mikroskop eigentlich Rost oder Schmieröl und eindeutige Hautbrücken durch den Abriss erkennen können. Übrigens würde ich an Ihrer Stelle alle Fragen beantworten.«

»Oh, ja.« Fielding blickt von seinem Klemmbrett auf, wo er gerade mit einem Kugelschreiber, der an einer Stahlklammer hängt, das Formular »Kleidung und persönliche Gegenstände« ausfüllt.

»Die Chancen stehen hoch, dass die Familie dieses Mannes eine Entschädigung für ihren schmerzlichen Verlust einklagen wird«, sagt sie. »Ein tödlicher Arbeitsunfall, ein Arbeitsplatz, über den man reden wird.«

»Stimmt. Ausgerechnet dort zu sterben.«

Fieldings Latexhandschuhe verfärben sich rot, als er die Wunde im Gesicht des Mannes berührt. Warmes Blut fließt ungehindert, als er die halb abgetrennte Nase hin und her bewegt. Dann blättert er eine Seite auf dem Klemmbrett um und fängt an, die Verletzung auf einem Körperdiagramm einzuzeichnen. Er beugt sich tief über die Leiche und mustert sie eingehend durch eine Schutzbrille aus Plastik. »Ich sehe weder Rost noch Schmieröl«, stellt er fest. »Aber das muss nicht heißen, dass keines da ist.«

»Richtig. Ich würde einen Abstrich machen und ihn im Labor überprüfen lassen. Untersuchen Sie alles. Es würde mich nicht wundern, wenn jemand behauptet, dass dieser Mann überfahren, vom Traktor geworfen oder davor gestoßen wurde und dass ihm vorher jemand eine Schaufel ins Gesicht geschlagen hat. Man kann nie wissen.«

»Oh, ja. Das liebe Geld.«

»Es ist nicht nur das«, entgegnet sie. »Eine Geldfrage machen dann die Anwälte daraus. Doch eigentlich geht es viel mehr um Schock, Schmerz und Verlust. Darum, dass es einen Schuldigen geben muss. Kein Angehöriger will glauben, dass es ein sinnloser Tod war, der zu vermeiden gewesen wäre. Dass jemand, der Erfahrung mit Traktoren hat, so leichtsinnig ist, sich vor einen Hinterreifen zu stellen, am Anlasser herumzubasteln und die Sicherheitsvorrichtung zu umgehen, die bewirkt, dass man den Traktor nur im Leerlauf anlassen kann, nicht wenn ein Gang eingelegt ist. Aber so sind die Leute nun mal. Sie fühlen sich zu sicher, haben es eilig und denken nicht nach. Und es entspricht nun einmal der menschlichen Natur, abzustreiten, dass jemand, der uns etwas bedeutet, seinen eigenen Tod herbeigeführt haben könnte, sei es absichtlich oder aus Versehen. Doch Sie kennen meine Vorträge ja.«

Fielding wurde unter Scarpettas Leitung zum Facharzt ausgebildet. Sie hat ihm forensische Pathologie beigebracht und ihn gelehrt, nicht nur kompetente, sondern auch gründliche und eingehende gerichtsmedizinische Tatortuntersuchungen und Autopsien durchzuführen. Es macht sie traurig, wenn sie an seine offene Begeisterung denkt, als er ihr gegenüber am Autopsietisch arbeiten durfte. Wie begierig er alles in sich aufgesogen und wie er sie, wenn die Zeit es zuließ, zum Gericht begleitet hat, um sich ihre Aussagen anzuhören. Wie oft hat er bei ihr im Büro gesessen und ist seine Berichte mit ihr durchgegangen, um etwas zu lernen. Inzwischen ist er ausgebrannt und hat Probleme mit der Haut, während sie ihren Posten verloren hat. Und jetzt stehen sie beide hier.

»Ich hätte Sie anrufen sollen«, sagt sie, während sie Mr. Whitbys billigen Ledergürtel öffnet und den Reißverschluss seiner olivgrünen Hose aufzieht. »Wir werden gemeinsam am Fall Gilly Paulsson arbeiten und rauskriegen, was dahintersteckt.«

»Oh, ja«, erwidert Fielding. Das hat er früher auch nicht so oft gesagt.

7

Henri Waiden trägt Wildlederpantoffeln mit Vliesfutter, die auf dem Teppich kein Geräusch erzeugen, als sie wie eine schwarze Geistergestalt auf den hellbraunen Ohrensessel gegenüber dem Sofa zugleitet.

»Ich habe geduscht«, verkündet sie, kauert sich auf die Sesselkante und schlägt die schlanken Beine unter.

Kurz erhascht Benton den ihm absichtlich dargebotenen Blick auf junge Haut und die bleichen Einbuchtungen oben an den Oberschenkeln. Aber anders als die meisten Männer reagiert er nicht darauf.

»Ich habe dich mit jemandem reden hören«, meint sie.

»Das ist ein Problem«, entgegnet er und sieht ihr über den Brillenrand hinweg in die Augen. Wie vorhin liegt der Notizblock auf seinem Schoß, es sind weitere Einträge hinzugekommen, nämlich »schwarzer Ferrari« und »ohne Erlaubnis« und »wahrscheinlich ist ihr jemand vom Ausbildungslager aus gefolgt« und »Kontaktpunkt schwarzer Ferrari«.

»Ein Privatgespräch ist das, was der Name besagt«, meint er. »Also müssen wir wohl noch einmal über unsere Abmachung reden, Henri. Erinnerst du dich, wie die lautete?«

Sie zieht die Pantoffeln aus und lässt sie auf den Teppich fallen. Ihre zarten nackten Füße ruhen auf dem Sesselpolster, und als sie sich vorbeugt, um sie zu betrachten, klafft ihr roter Morgenmantel leicht auseinander. »Nein.« Ihre Stimme ist kaum zu hören, und sie schüttelt den Kopf.

»Ich weiß, dass du dich erinnerst, Henri.« Benton wiederholt häufig ihren Namen, um ihr vor Augen zu halten, wer sie ist, und um wieder persönlich zu machen, was entpersönlicht und bis zu einem gewissen Grade unwiederbringlich beschädigt wurde. »Wir haben Respekt vereinbart, schon vergessen?«

Sie beugt sich noch weiter vor und spielt an einem unlackierten Zehennagel herum; den Blick starr auf ihre Beschäftigung gerichtet, bietet sie ihm ihre Nacktheit unter dem Bademantel dar.

»Und zu Respekt gehört, seinen Mitmenschen eine Privatsphäre zuzugestehen. Und sich nicht aufdringlich zu entblößen«, fährt er ruhig fort. »Wir haben viel über Grenzen gesprochen. Wer anderen seine Nacktheit aufdrängt, verletzt ihre Grenzen.«

Ihre freie Hand kriecht zur Brust hinauf und zieht den Bademantel zusammen, während sie weiter ihre Zehen betrachtet und an ihnen herumspielt. »Ich bin eben erst aufgestanden«, erwidert sie, als wäre das eine Erklärung für ihren Exhibitionismus.

»Danke, Henri.« Es ist wichtig für sie zu glauben, dass Benton sie nicht sexuell begehrt, nicht einmal in seinen Phantasien. »Aber du bist nicht eben erst aufgestanden. Du bist aufgestanden, reingekommen, wir haben geredet, und dann hast du geduscht.«

»Ich heiße nicht Henri«, sagt sie.

»Wie soll ich dich sonst nennen?«

»Gar nicht.«

»Du hast zwei Namen«, spricht er weiter. »Du hast den Namen, den du bei deiner Geburt bekommen hast, und den, den du als Schauspielerin benutzt hast und immer noch benutzt.«

»Gut, dann bin ich eben Henri«, gibt sie nach und betrachtet ihre Zehen.

»Also nenne ich dich Henri.«

Sie nickt und schaut unverwandt ihre Zehen an. »Wie nennst du sie?«

Benton weiß, wen sie meint, aber er antwortet nicht.

»Du schläfst mit ihr. Lucy hat mir alles darüber erzählt.« Sie betont das Wort alles.

Benton spürt, wie kurz Wut in ihm aufsteigt, doch er lässt es sich nicht anmerken. Lucy hätte Henri nie alles über seine Beziehung mit Scarpetta verraten. Henri will ihn wieder provozieren und seine Grenzen austesten. Nein, sie durchbricht sie sogar gewaltsam.

»Warum ist sie nicht hier bei dir?«, fragt sie. »Du hast doch Urlaub, oder? Und sie ist nicht hier. Viele Leute haben nach einer Weile keine Lust mehr auf Sex. Das ist der Grund, warum ich keine feste Beziehung will, wenigstens keine lange. Kein Sex. Die meisten Leute haben nach einem halben Jahr keinen Sex mehr. Sie ist nicht hier, weil ich hier bin.« Henri starrt ihn an.