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»Überprüf das Nummernschild«, sagt Lucy.

Rudy holt seinen Palmtop heraus und geht ins Netz. Doch er kann die Nummer nicht eingeben, weil er sie nicht sieht. Der Wagen hat nämlich, wie in Florida üblich, vorne kein Nummernschild. Lucy kommt sich reichlich dämlich vor, weil sie nicht daran gedacht hat.

»Lass dich überholen«, fordert Rudy sie auf.

Sie berührt die rechte Schaltwippe und schaltet in den zweiten Gang. Nun fährt sie deutlich langsamer, als erlaubt ist, doch der andere Wagen bleibt weiter hinter ihr. Der Fahrer scheint kein Interesse daran zu haben, sie zu überholen.

»Okay. Lass das Spiel beginnen«, sagt sie. »Da hast du dich mit der Falschen angelegt, Arschloch.« Ohne Vorwarnung biegt sie scharf in den Parkplatz eines Einkaufszentrums ein.

»Oh, Mist. Was zum Teufel …? Jetzt weiß er, dass du ihn ärgern willst«, schimpft Rudy.

»Schreib dir die Nummer auf. Jetzt müsstest du sie lesen können.«

Er dreht sich im Sitz um, kann aber das Nummernschild trotzdem nicht sehen, denn der Ford LTD ist mit ihnen abgebogen, klebt weiter an ihrer Stoßstange und folgt ihnen über den Parkplatz.

»Bleib stehen!«, befiehlt Rudy. Er hat eine Stinkwut auf sie. »Halt sofort das Auto an!«

Als sie vorsichtig auf die Bremse tritt und in den Leerlauf schaltet, stoppt der Ford direkt hinter ihr. Rudy steigt aus und geht auf den Wagen zu, während der Fahrer das Fenster hinunterlässt. Lucys Fenster ist ebenfalls offen. Die Pistole auf dem Schoß, beobachtet sie das Geschehen im Seitenspiegel und versucht, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Sie kommt sich dumm vor, ist verlegen und wütend und hat ein wenig Angst.

»Haben Sie ein Problem?«, hört sie Rudy zu dem Fahrer, einem jungen Latino, sagen.

»Ob ich ein Problem habe? Ich hab doch nur geschaut.«

»Vielleicht wollen wir das aber nicht.«

»Es ist ein freies Land. Ich kann schauen, so viel ich will. Verdammt. Du bist derjenige, der ein Problem hat, du Scheißer.«

»Suchen Sie sich was anderes zum Anglotzen. Und jetzt hauen Sie endlich ab!«, meint Rudy, ohne die Stimme zu heben. »Wenn Sie uns weiter verfolgen, stecke ich Sie höchstpersönlich in den Knast.«

Albernerweise würde Lucy am liebsten laut loslachen, als Rudy seinen gefälschten Dienstausweis zückt. Sie schwitzt, das Herz klopft ihr bis zum Halse, und sie möchte lachen und aussteigen und den jungen Latino abknallen. Auf der anderen Seite würde sie am liebsten weinen, weil sie ihre Gefühle einfach nicht versteht. Sie sitzt hinter dem Steuer des Ferrari, ohne sich zu rühren. Der Latino erwidert etwas, das sie nicht hören kann, und fährt wütend und mit quietschenden Reifen davon. Rudy kehrt zum Ferrari zurück und steigt ein.

»Spitzenleistung«, sagt er, während sie sich wieder in den Verkehr auf dem Atlantic Boulevard einfädelt. »Nur ein Penner, der sich für dein Auto interessiert hat, und du machst eine Staatsaffäre daraus. Erst glaubst du, dass dich ein Cop verfolgt, weil der Wagen ein blauer LTD ist. Dann merkst du, dass dein Radar kein gottverdammtes Signal auffängt, und denkst sofort … was? Was hast du gedacht? Die Mafia? Ein bezahlter Killer, der dir mitten auf einem belebten Highway die Rübe wegpusten will?«

Sie macht es Rudy nicht zum Vorwurf, dass er die Geduld mit ihr verliert. Allerdings darf sie es nicht zulassen. »Schrei mich nicht an«, sagt sie.

»Weißt du was? Du hast dich nicht mehr im Griff. Du bist ein Sicherheitsrisiko.«

»Es geht um etwas anderes«, erwidert sie so selbstbewusst wie möglich.

»Da hast du verdammt Recht«, gibt er zurück. »Es geht um sie. Du lässt jemanden bei dir wohnen – und schau dir an, was passiert. Sie hätte tot sein können. Und du auch. Wenn du dich nicht zusammenreißt, wird noch etwas viel Schlimmeres passieren.«

»Sie wurde verfolgt, Rudy. Tu nicht so, als wäre das meine Schuld. Ich kann nichts dafür.«

»Verfolgt. Du hast verdammt Recht. Natürlich wurde sie verfolgt, verflucht, und das ist nur deine Schuld. Wenn du zum Beispiel einen Jeep aus der Firma fahren würdest … oder den Explorer. Warum nimmst du nicht hin und wieder den? Warum hast du ihr deinen verdammten Ferrari überlassen, damit Miss Hollywood den großen Star spielen kann? Mein Gott. Du mit deinen bescheuerten Ferrari.«

»Sei nicht eifersüchtig. Ich hasse …«

»Ich bin nicht eifersüchtig!«, brüllt er.

»Seit wir sie eingestellt haben, benimmst du dich aber so.«

»Es geht nicht darum, dass du sie eingestellt hast. Wozu eigentlich? Soll sie etwa unsere Klienten in Los Angeles schützen? Das ist doch wohl ein Scherz! Für welche Aufgaben hast du sie also angeheuert?«

»Ich erlaube dir nicht, so mit mir zu reden«, sagt Lucy ruhig. Sie ist erstaunlich gelassen, aber ihr bleibt auch gar nichts anderes übrig. Wenn sie zurückschreit, werden sie wirklich in Streit geraten, und dann könnte Rudy etwas Schreckliches tun. Kündigen zum Beispiel.

»Ich lasse mir nicht in mein Leben hineinpfuschen. Ich fahre, welches Auto ich will, und wohne, wo es mir gefällt.« Sie starrt zornig geradeaus auf den Atlantic Boulevard und auf die Autos, die in Seitenstraßen und Parkplätze einbiegen. »Ich kann großzügig sein, zu wem es mir passt. Den schwarzen Ferrari durfte sie nicht fahren, das weißt du genau. Aber sie hat ihn trotzdem genommen, und damit hat es angefangen. Er hat sie gesehen und sie verfolgt, und dann ist es passiert. Aber sie ist nicht schuld daran. Schließlich hat sie ihn nicht dazu aufgefordert, mein Auto zu beschädigen, ihr nachzufahren und zu versuchen, sie umzubringen.«

»Sehr gut. Du lebst, wie du willst«, erwidert Rudy. »Und so werden sich Situationen wie vorhin auf dem Parkplatz weiter wiederholen. Nur dass ich beim nächsten Mal möglicherweise irgendeinen unschuldigen Fremden zusammenschlage, der einfach nur deinen blöden Ferrari angaffen wollte. Verdammt, vielleicht kriege ich sogar die Chance, jemanden zu erschießen. Oder ich werde selbst erschossen. Das wäre doch noch besser. Dass ich wegen einem bescheuerten Auto abgeknallt werde.«

»Beruhig dich«, entgegnet Lucy und stoppt an einer roten Ampel. »Bitte beruhig dich. Ich hätte das besser regeln sollen, einverstanden.«

»Regeln? Ich habe nicht bemerkt, dass du überhaupt was geregelt hättest. Du hast einfach nur idiotisch reagiert.«

»Rudy, hör auf. Bitte.« Sie will nicht so wütend auf ihn werden, dass sie einen Fehler macht. »Zwing mich nicht, auf meine Stellung zu pochen.«

Sie biegt am Highway A1A links ab und fährt langsam den Strand entlang. Einige Jugendliche fallen fast von ihren Rädern, als sie sich umdrehen, um ihr Auto anzustarren. Rudy schüttelt den Kopf und zuckt die Achseln, als wolle er »Ich geb’s auf« sagen. Allerdings geht es bei dem Gespräch längst nicht mehr um den Ferrari. Wenn Lucy ihre Lebensweise änderte, würde sie ihn gewinnen lassen. Sie glaubt, dass die Bestie ein Mann ist. Henri ist zumindest überzeugt davon, und Lucy teilt ihre Ansicht. Zum Teufel mit der Wissenschaft, zum Teufel mit Beweisen, zum Teufel mit dem ganzen Rest. Sie weiß genau, dass die Bestie ein Mann ist.

Entweder ist er eine übertrieben selbstbewusste oder eine dumme Bestie, weil er zwei bruchstückhafte Fingerabdrücke auf der Glasplatte des Nachttischs hinterlassen hat. Das war leichtsinnig von ihm. Bis jetzt gab es aber keine Übereinstimmung zwischen diesen Fingerspuren und den Abdrücken im Integrierten Automatisierten Fingerabdruck-Identifikations-System IA-FIS. Das kann heißen, dass seine Abdrücke nicht in einer Datenbank registriert wurden, weil er möglicherweise nie verhaftet wurde. Vielleicht war es ihm auch gleichgültig, dass er drei Haare, drei schwarze Kopfhaare, auf dem Bett zurückgelassen hat. Warum sollte ihn das auch interessieren? Selbst bei einem wichtigen Fall wie diesem dauert die Analyse der Mitochondrien-DNS dreißig bis neunzig Tage. Dabei gibt es keine Garantie für verwertbare Ergebnisse, denn eine zentralisierte Datenbank für Mitochondrien-DNS, die einen weiterbringen würde, existiert nicht, und anders als bei der Nukleus-DNS, die man aus Blut und Gewebe gewinnt, gibt die Mitochondrien-DNS aus Haaren und Knochen keinen Aufschluss über das Geschlecht des Täters. Also spielen die von der Bestie hinterlassenen Spuren keine Rolle. Möglicherweise kommen sie ja nie zum Tragen, außer man findet einen Verdächtigen und kann direkte Vergleiche anstellen.