Sie ergreift das Porträt.
Und dich sollt ich zurücklassen?
Sie nimmt ein Messer und fängt an, die Nägel loszubrechen.
O daß ich ohne Gedanken wäre! daß ich in dumpfem Schlaf, daß ich in hinreißenden Tränen mein Leben hingäbe! — Das ist und wird sein: — du bist elend! —
Das Gemälde nach dem Monde wendend.
Ha, Fernando! da du zu mir tratst und mein Herz dir entgegensprang, fühltest du nicht das Vertrauen auf deine Treue, deine Güte? — Fühltest du nicht, welch Heiligtum sich dir eröffnete, als sich mein Herz gegen dich aufschloß? — Und du bebtest nicht vor mir zurück? Versankst nicht? Entflohst nicht? — Du konntest meine Unschuld, mein Glück, mein Leben so zum Zeitvertreib pflücken, und zerpflücken, und am Wege gedankenlos hinstreuen? — Edler! — Ha, Edler! — Meine Jugend! — meine goldnen Tage! — Und du trägst die tiefe Tücke im Herzen! — Dein Weib! — deine Tochter! — Und mir war's frei in der Seele, rein wie ein Frühlingsmorgen! — Alles, alles Eine Hoffnung! — Wo bist du, Stella? —
Das Porträt anschauend.
So groß! so schmeichelnd! — Der Blick war's, der mich ins Verderben riß! — Ich hasse dich! Weg! wende dich weg! — So dämmernd! so lieb! — Nein! Nein! — Verderber! — Mich?
— Mich? — Du? Mich? —
Sie zuckt mit dem Messer nach dem Gemälde.
Fernando! —
Sie wendet sich ab, das Messer fällt, sie stürzt mit einem Ausbruch von Tränen vor den Stuhl nieder.
Liebster! Liebster! — Vergebens! Vergebens! —
Bedienter kommt.
Bedienter.
Gnädige Frau! wie Sie befahlen, die Pferde sind an der hintern Gartentür. Ihre Wäsche ist aufgepackt. Vergessen Sie nicht Geld!
Stella.
Das Gemälde!
Bedienter nimmt das Messer auf und schneidet das Gemälde von dem Rahmen und rollt's.
Hier ist Geld.
Bedienter.
Aber warum?
Stella, einen Moment stillstehend, auf- und umherblickend.
Komm!
Ab.
Saal
Fernando.
Fernando.
Laß mich! Laß mich! Sieh! da faßt's mich wieder mit all der schrecklichen Verworrenheit! — So kalt, so graß liegt alles vor mir — als wär die Welt nichts — ich hätte drin nichts verschuldet — Und sie! — Ha! bin ich nicht elender als ihr? Was habt ihr an mich zu fordern? — Was ist nun des Sinnens Ende? — Hier! und hier! Von einem Ende zum andern! durchgedacht! und wieder durchgedacht! und immer quälender! immer schrecklicher! —
Sich die Stirn haltend.
Wo's zuletzt widerstößt! Nirgends vor, nicht hinter sich! Nirgends Rat und Hülfe! — Und diese zwei, diese drei besten weiblichen Geschöpfe der Erde? — elend durch mich — elend ohne mich! — Ach, noch elender mit mir! — Wenn ich klagen könnte, könnte verzweifeln, könnt um Vergebung bitten — könnt in stumpfer Hoffnung nur eine Stunde hinbringen — zu ihren Füßen liegen, und in teilnehmendem Elend Seligkeit genießen! — Wo sind sie? — Stella! du liegst auf deinem Angesichte, blickst sterbend nach dem Himmel, und ächzest: —Was hab ich Blume verschuldet, daß mich dein Grimm so niederknickt? Was hatte ich Arme verschuldet, daß du diesen Bösewicht zu mir führtest?" — Cäcilie! Mein Weib! o mein Weib! — Elend! Elend! tiefes Elend! — Welche Seligkeiten vereinigen sich, um mich elend zu machen! — Gatte! Vater! Geliebter! — Die besten, edelsten weiblichen Geschöpfe — Dein! Dein? — Kannst du das fassen, die dreifache, unsägliche Wonne? — Und nur die ist's, die dich so ergreift, die dich zerreißt! — Jede fordert mich ganz — Und ich? — Hier ist's zu! — tief! unergründlich! — Sie wird elend sein! Stella! bist elend! — Was hab ich dir geraubt? Das Bewußtsein deiner selbst, dein junges Leben! — Stella! — Und ich bin so kalt!
Er nimmt eine Pistole vom Tisch.
Doch, auf alle Fälle! —
Er ladet.
Cäcilie kommt.
Cäcilie.
Mein Bester! wie ist uns?
Sie sieht die Pistolen.
Das sieht ja reisefertig aus!
Fernando legt sie nieder.
Cäcilie.
Mein Freund! Du scheinst mir gelassener. Kann man ein Wort mit dir reden?
Fernando.
Was willst du, Cäcilie? Was willst du, mein Weib?
Cäcilie.
Nenne mich nicht so, bis ich ausgeredet habe. Wir sind nun wohl sehr verworren; sollte das nicht zu lösen sein? Ich hab viel gelitten, und drum nichts von gewaltsamen Entschlüssen. Vernimmst du mich, Fernando?
Fernando.
Ich höre!
Cäcilie.
Nimm's zu Herzen! Ich bin nur ein Weib, ein kummervolles, klagendes Weib; aber Entschluß ist in meiner Seele. — Fernando — ich bin entschlossen — ich verlasse dich!
Fernando spottend.
Kurz und gut?
Cäcilie.
Meinst du, man müsse hinter der Tür Abschied nehmen, um zu verlassen, was man liebt?
Fernando.
Cäcilie!
Cäcilie.
Ich werfe dir nichts vor, und glaube nicht, daß ich dir so viel aufopfere. Bisher beklagte ich deinen Verlust; ich härmte mich ab über das, was ich nicht ändern konnte. Ich finde dich wieder, deine Gegenwart flößt mir neues Leben, neue Kraft ein. Fernando, ich fühle, daß meine Liebe zu dir nicht eigennützig ist, nicht die Leidenschaft einer Liebhaberin, die alles dahingäbe, den erflehten Gegenstand zu besitzen. Fernando! mein Herz ist warm, und voll für dich; es ist das Gefühl einer Gattin, die, aus Liebe, selbst ihre Liebe hinzugeben vermag.
Fernando.
Nimmer! Nimmer!
Cäcilie.
Du fährst auf?
Fernando.
Du marterst mich!
Cäcilie.
Du sollst glücklich sein! Ich habe meine Tochter — und einen Freund an dir. Wir wollen scheiden, ohne getrennt zu sein. Ich will entfernt von dir leben und ein Zeuge deines Glücks bleiben. Deine Vertraute will ich sein; du sollst Freude und Kummer in meinen Busen ausgießen. Deine Briefe sollen mein einziges Leben sein, und die meinen sollen dir als ein lieber Besuch erscheinen — Und so bleibst du mein, bist nicht mit Stella verbannt in einen Winkel der Erde, wir lieben uns, nehmen teil an einander! Und so, Fernando, gib mir deine Hand drauf.