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Madame Sommer.

Meine Tochter ist noch ein bißchen obenaus.

Postmeisterin.

Das tut die Jugend. Werden sich schon legen, die stolzen Wellen.

Madame Sommer.

Desto schlimmer.

Postmeisterin.

Kommen Sie, Madame, wenn's gefällig ist.

Beide ab.

Man hört einen Postillion.

Fernando, in Offizierstracht. Ein Bedienter.

Bedienter.

Soll ich gleich wieder einspannen und Ihre Sachen aufpacken lassen?

Fernando.

Du sollst's hereinbringen, sag ich dir; herein. Wir gehen nicht weiter, hörst du.

Bedienter.

Nicht weiter? Sie sagten ja —

Fernando.

Ich sage, laß dir ein Zimmer anweisen und bring meine Sachen dorthin.

Bedientet ab.

Fernando, ans Fenster tretend.

So seh ich dich wieder? Himmlischer Anblick! So seh ich dich wieder? Den Schauplatz all meiner Glückseligkeit! Wie still das ganze Haus ist! Kein Fenster offen! Die Galerie wie öde, auf der wir so oft zusammen saßen! Merk dir's, Fernando, das klösterliche Ansehn ihrer Wohnung, wie schmeichelt es deinen Hoffnungen! Und sollte, in ihrer Einsamkeit, Fernando ihr Gedanke, ihre Beschäftigung sein? Und hat er's um sie verdient? O! mir ist, als wenn ich nach einem langen, kalten, freudelosen Todesschlaf ins Leben wieder erwachte; so neu, so bedeutend ist mir alles. Die Bäume, der Brunnen, noch alles, alles! So lief das Wasser aus eben den Röhren, wenn ich, ach, wie tausendmal! mit ihr gedankenvoll aus unserm Fenster schaute, und jedes, in sich gekehrt, still dem Rinnen des Wassers zusah! Sein Geräusch ist mir Melodie, rückerinnernde Melodie. Und sie? Sie wird sein, wie sie war. Ja, Stella, du hast dich nicht verändert; das sagt mir mein Herz. Wie's dir entgegenschlägt! Aber ich will nicht, ich darf nicht! Ich muß mich erst erholen, muß mich erst überzeugen, daß ich wirklich hier bin, daß mich kein Traum täuscht, der mich so oft schlafend und wachend aus den fernsten Gegenden hierher geführt hat. Stella! Stella! Ich komme! fühlst du nicht meine Näherung? in deinen Armen alles zu vergessen! — Und wenn du um mich schwebst, teurer Schatten meines unglücklichen Weibes, vergib mir, verlaß mich! Du bist dahin; so laß mich dich vergessen, in den Armen des Engels alles vergessen, meine Schicksale, allen Verlust, meine Schmerzen, und meine Reue — Ich bin ihr so nah und so ferne — Und in einem Augenblick — Ich kann nicht, ich kann nicht! Ich muß mich erholen, oder ich ersticke zu ihren Füßen.

Postmeisterin kommt.

Postmeisterin.

Verlangen der gnädige Herr zu speisen?

Fernando.

Sind Sie versehen?

Postmeisterin.

O ja! wir warten nur auf ein Frauenzimmer, das hinüber zur gnädigen Frau ist.

Fernando.

Wie geht's Ihrer gnädigen Frau?

Postmeisterin.

Kennen Sie sie?

Fernando.

Vor Jahren war ich wohl manchmal da. Was macht ihr Gemahl?

Postmeisterin.

Weiß Gott. Er ist in die weite Welt.

Fernando.

Fort?

Postmeisterin.

Freilich! Verläßt die liebe Seele! Gott verzeih's ihm!

Fernando.

Sie wird sich schon zu trösten wissen.

Postmeisterin.

Meinen Sie doch? Da müssen Sie sie wenig kennen. Sie lebt wie eine Nonne, so eingezogen, die Zeit ich sie kenne. Fast kein Fremdes, kein Besuch aus der Nachbarschaft kommt zu ihr. Sie lebt mit ihren Leuten, hat die Kinder des Orts alle an sich und ist, ungeachtet ihres innern Schmerzens, immer freundlich, immer angenehm.

Fernando.

Ich will sie doch besuchen.

Postmeisterin.

Das tun Sie. Manchmal läßt sie uns invitieren, die Frau Amtmännin, die Frau Pfarrerin und mich, und diskuriert mit uns von allerlei. Freilich hüten wir uns, sie an den gnädigen Herrn zu erinnern. Ein einzigmal geschah's. Gott weiß, wie's uns wurde, da sie anfing, von ihm zu reden, ihn zu preisen, zu weinen. Gnädiger Herr, wir haben alle geweint wie die Kinder, und uns fast nicht erholen können.

Fernando vor sich.

Das hast du um sie verdient! —

Laut.

Ist meinem Bedienten ein Zimmer angewiesen?

Postmeisterin.

Eine Treppe hoch. Karl, zeig dem gnädigen Herrn das Zimmer!

Fernando mit dem Jungen ab.

Lucie, Annchen kommen.

Postmeisterin.

Nun, wie ist's?

Lucie.

Ein liebes Weibchen, mit der ich mich vertragen werde. Sie haben nicht zuviel von ihr gesagt. Sie wollt mich nicht lassen. Ich mußte ihr heilig versprechen, gleich nach Tisch mit meiner Mutter und dem Gepäck zu kommen.

Postmeisterin.

Das dacht ich wohl! Ist's jetzt gefällig zu essen? Noch ein schöner langer Offizier ist angefahren, wenn Sie den nicht fürchten.

Lucie.

Nicht im geringsten. Mit Soldaten hab ich lieber zu tun als mit andern. Sie verstellen sich wenigstens nicht, daß man die Guten und Bösen gleich das erste Mal kennt. Schläft meine Mutter?

Postmeisterin.

Ich weiß nicht.

Lucie.

Ich muß doch nach ihr sehn.

Ab.

Postmeisterin.

Karl! Da ist wieder das Salzfaß vergessen. Heißt das geschwenkt? Sieh nur die Gläser! Ich sollt dir sie am Kopf entzwei schmeißen, wenn du so viel wert wärst, als sie kosten!

Fernando kommt.

Postmeisterin.

Das Frauenzimmer ist wieder da. Sie wird gleich zu Tisch kommen.

Fernando.

Wer ist sie?

Postmeisterin.

Ich kenn sie nicht. Sie scheint von gutem Stande, aber ohne Vermögen; sie wird künftig der gnädgen Frau zur Gesellschaft sein.

Fernando.

Sie ist jung?

Postmeisterin.

Sehr jung; und schnippisch. Ihre Mutter ist auch droben.

Lucie kommt.

Lucie.

Ihre Dienerin!

Fernando.

Ich bin glücklich, eine so schöne Tischgesellschaft zu finden.

Lucie neigt sich.

Postmeisterin.

Hierher, Mamsell! Und Sie belieben hierher!

Fernando.

Wir haben nicht die Ehre von Ihnen, Frau Postmeisterin?

Postmeisterin.

Wenn ich einmal ruhe, ruht alles.

Ab.

Fernando.

Also ein Tête-à-tête!