Du Engel!
Stella.
Was siehst du mich so an? Nicht wahr, ich bin älter worden? Nicht wahr, das Elend hat die Blüte von meinen Wangen gestreift? —
Fernando.
Rose! meine süße Blume! Stella! — Was schüttelst du den Kopf?
Stella.
— Daß man euch so lieb haben kann! — Daß man euch den Kummer nicht anrechnet, den ihr uns verursachet!
Fernando, ihre Locken streichelnd.
Ob du wohl graue Haare davon gekriegt hast? — Es ist dein Glück, daß sie so blond ohne das sind — Zwar ausgefallen scheinen dir keine zu sein.
Er zieht ihr den Kamm aus den Haaren, und sie rollen tief herunter.
Stella.
Mutwille!
Fernando, seine Arme drein wickelnd.
Rinaldo wieder in den alten Ketten!
Bedienter kommt.
Bedienter.
Gnädige Frau!
Stella.
Was hast du? Du machst ein verdrießlich, ein kaltes Gesicht; du weißt, die Gesichter sind mein Tod, wenn ich vergnügt bin.
Bedienter.
Und doch, gnädige Frau — Die zwei Fremden wollen fort.
Stella.
Fort? Ach!
Bedienter.
Wie ich sage. Ich sah die Tochter ins Posthaus gehn, wiederkommen, zur Mutter reden. Da erkundigt ich mich drüben: es hieß, sie hätten Extrapost bestellt, weil der Postwagen hinunter schon fort ist. Ich redete mit ihnen; sie bat mich, die Mutter, in Tränen, ich sollte ihnen ihre Kleider heimlich hinüberschaffen, und der gnädigen Frau tausend Segen wünschen; sie könnten nicht bleiben.
Fernando.
Es ist die Frau, die heute mit ihrer Tochter angekommen ist?
Stella.
Ich wollte die Tochter in meine Dienste nehmen und die Mutter dazu behalten. — O daß sie mir jetzt diese Verwirrung machen, Fernando! —
Fernando.
Was mag ihnen sein?
Stella.
Gott weiß! Ich kann, ich mag nichts wissen. Verlieren möcht ich sie nicht gern — Hab ich doch dich, Fernando! Ich würde zugrunde gehn in diesen Augenblicken! Rede mit ihnen, Fernando. — Eben jetzt! jetzt! — Mache, daß die Mutter herüber kommt, Heinrich!
Der Bediente geht ab.
Sprich mit ihr: sie soll Freiheit haben. — Fernando, ich will ins Boskett! Komm nach! Komm nach! — Ihr Nachtigallen, ihr empfangt ihn noch!
Fernando.
Liebste Liebe!
Stella, an ihm hangend.
Und du kommst doch bald?
Fernando.
Gleich! Gleich!
Stella ab.
Fernando allein.
Engel des Himmels! Wie vor ihrer Gegenwart alles heiter wird, alles frei! — Fernando, kennst du dich noch selbst? Alles, was diesen Busen bedrängt, es ist weg; jede Sorge, jedes ängstliche Zurückerinnern, was war — und was sein wird! — Kommt ihr schon wieder? — und doch, wenn ich dich ansehe, deine Hand halte, Stella! flieht alles, verlischt jedes andre Bild in meiner Seele!
Der Verwalter kommt.
Verwalter, ihm die Hände küssend.
Sie sind wieder da?
Fernando, die Hand wegziehend.
Ich bin's.
Verwalter.
Lassen Sie mich! Lassen Sie mich! O gnädiger Herr! —
Fernando.
Bist du glücklich?
Verwalter.
Meine Frau lebt, ich habe zwei Kinder — Und Sie kommen wieder!
Fernando.
Wie habt ihr gewirtschaftet?
Verwalter.
Daß ich gleich bereit bin, Rechenschaft abzulegen — Sie sollen erstaunen, wie wir das Gut verbessert haben. — Darf ich denn fragen, wie es Ihnen ergangen ist?
Fernando.
Stille! — Soll ich dir alles sagen? Du verdienst's, alter Mitschuldiger meiner Torheiten.
Verwalter.
Gott sei nur Dank, daß Sie nicht Zigeunerhauptmann waren; ich hätte auf ein Wort von Ihnen gesengt und gebrennt.
Fernando.
Du sollst's hören!
Verwalter.
Ihre Gemahlin? Ihre Tochter?
Fernando.
Ich habe sie nicht gefunden. Ich traute mich selbst nicht in die Stadt; allein aus sichern Nachrichten weiß ich, daß sie sich einem Kaufmann, einem falschen Freunde vertraut hat, der ihr die Kapitalien, die ich ihr zurückließ, unter dem Versprechen größerer Prozente ablockte und sie darum betrog. Unter dem Vorwande, sich aufs Land zu begeben, hat sie sich aus der Gegend entfernt und verloren, und bringt wahrscheinlicher Weise durch eigene und ihrer Tochter Handarbeit ein kümmerliches Leben durch. Du weißt, sie hatte Mut und Charakter genug, so etwas zu unternehmen.
Verwalter.
Und Sie sind nun wieder hier! Verzeihn wir's Ihnen, daß Sie solange ausgeblieben.
Fernando.
Ich bin weit herumgekommen.
Verwalter.
Wäre mir's nicht zu Hause mit meiner Frau und zwei Kindern so wohl, beneidete ich Sie um den Weg, den Sie wieder durch die Welt versucht haben. Werden Sie uns nun bleiben?
Fernando.
Will's Gott!
Verwalter.
Es ist doch am Ende nichts anders und nichts Bessers.
Fernando.
Ja wer die alten Zeiten vergessen könnte!
Verwalter.
Die uns bei mancher Freude manche Not brachten. Ich erinnere mich noch an alles genau: wie wir Cäcilien so liebenswürdig fanden, uns ihr aufdrangen, unsere jugendliche Freiheit nicht geschwind genug loswerden konnten.
Fernando.
Es war doch eine schöne, glückliche Zeit!
Verwalter.
Wie sie uns ein munteres, lebhaftes Töchterchen brachte, aber zugleich von ihrer Munterkeit, von ihrem Reiz manches verlor.
Fernando.
Verschone mich mit dieser Lebensgeschichte.
Verwalter.
Wie wir hie und da, und da und dort uns umsahn, wie wir endlich diesen Engel trafen, wie nicht mehr von Kommen und Gehen die Rede war, sondern wir uns entschließen mußten, entweder die eine oder die andere unglücklich zu machen; wie wir es endlich so bequem fanden, daß sich eben eine Gelegenheit zeigte, die Güter zu verkaufen, wie wir mit manchem Verlust uns davonmachten, den Engel raubten, und das schöne, mit sich selbst und der Welt unbekannte Kind hierher verbannten.
Fernando.
Wie es scheint, bist du noch immer so lehrreich und geschwätzig wie vor alters.
Verwalter.
Hatte ich nicht Gelegenheit, was zu lernen? War ich nicht der Vertraute Ihres Gewissens? Als Sie auch von hier, ich weiß nicht, ob so ganz aus reinem Verlangen, Ihre Gemahlin und Ihre Tochter wiederzufinden, oder auch mit aus einer heimlichen Unruhe, sich wieder wegsehnten, und wie ich Ihnen von mehr als einer Seite behülflich sein mußte —