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Fernando.

Madame!

Madame Sommer, gelinde spottend, ihre Rührung zu verbergen.

Nein, gewiß! Ich seh ihn als einen Gefangenen an. Sie sagen ja auch immer, es sei so. Er wird aus seiner Welt in die unsere herübergezogen, mit der er im Grunde nichts gemein hat. Er betrügt sich eine Zeitlang, und weh uns, wenn ihm die Augen aufgehn! — Ich nun gar konnte ihm zuletzt nichts sein als eine redliche Hausfrau, die zwar mit dem festesten Bestreben an ihm hing, ihm gefällig, für ihn sorgsam zu sein; die dem Wohl ihres Hauses, ihres Kindes all ihre Tage widmete, und freilich sich mit so viel Kleinigkeiten abgeben mußte, daß ihr Herz und Kopf oft wüste ward, daß sie keine unterhaltende Gesellschafterin war, daß er mit der Lebhaftigkeit seines Geistes meinen Umgang notwendig schal finden mußte. Er ist nicht schuldig!

Fernando zu ihren Füßen.

Ich bin's!

Madame Sommer mit einem Strom von Tränen an seinem Hals.

Mein! —

Fernando.

Cäcilie! — mein Weib! —

Cäcilie, von ihm sich abwendend.

Nicht mein — Du verlässest mich, mein Herz! —

Wieder an seinem Hals.

Fernando! — wer du auch seist — laß diese Tränen einer Elenden an deinem Busen fließen — Halte mich diesen Augenblick aufrecht, und dann verlaß mich auf ewig! — Es ist nicht dein Weib! — Stoße mich nicht von dir! —

Fernando.

Gott! — Cäcilie, deine Tränen an meinen Wangen — das Zittern deines Herzens an dem meinigen! — Schone mich! schone mich! —

Cäcilie.

Ich will nichts, Fernando! — Nur diesen Augenblick! — Gönne meinem Herzen diese Ergießung, es wird frei werden, stark! Du sollst mich loswerden —

Fernando.

Eh soll mein Leben zerreißen, eh ich dich lasse!

Cäcilie.

Ich werde dich wiedersehn, aber nicht auf dieser Erde! Du gehörst einer andern, der ich dich nicht rauben kann — Öffne, öffne mir den Himmel! Einen Blick in jene selige Ferne, in jenes ewige Bleiben — Allein, allein ist's Trost in diesem fürchterlichen Augenblicke.

Fernando, sie bei der Hand fassend, ansehend, sie umarmend.

Nichts, nichts in der Welt soll mich von dir trennen. Ich habe dich wiedergefunden.

Cäcilie.

Gefunden, was du nicht suchtest!

Fernando.

Laß! laß! — Ja, ich habe dich gesucht; dich, meine Verlassene, meine Teure! Ich fand sogar in den Armen des Engels hier keine Ruhe, keine Freuden; alles erinnerte mich an dich, an deine Tochter, an meine Lucie. Gütiger Himmel! wieviel Freude! Sollte das liebenswürdige Geschöpf meine Tochter sein? — Ich habe dich aufgesucht überall. Drei Jahre zieh ich herum. An dem Ort unsers Aufenthalts fand ich, ach! unsere Wohnung verändert, in fremden Händen, und die traurige Geschichte des Verlusts deines Vermögens. Deine Entweichung zerriß mir das Herz; ich konnte keine Spur von dir finden, und meiner selbst und des Lebens überdrüssig, steckt ich mich in diese Kleider, in fremde Dienste, half die sterbende Freiheit der edeln Korsen unterdrücken; und nun siehst du mich hier, nach einer langen und wunderbaren Verirrung wieder an deinem Busen, mein teuerstes, mein bestes Weib!

Lucie tritt auf.

Fernando.

O meine Tochter!

Lucie.

Lieber, bester Vater! wenn Sie mein Vater wieder sind!

Fernando.

Immer und ewig!

Cäcilie.

Und Stella? —

Fernando.

Hier gilt's schnell sein. Die Unglückliche! Warum, Lucie, diesen Morgen, warum konnten wir uns nicht erkennen? — Mein Herz schlug mir; du weißt, wie gerührt ich dich verließ! Warum? Warum? — Wir hätte uns das alles erspart! Stella! wir hätten ihr diese Schmerzen erspart — Doch wir wollen fort. Ich will ihr sagen ihr beständet darauf, euch zu entfernen, wolltet sie mi eurem Abschied nicht beschweren, wolltet fort. Und du Lucie, geschwind hinüber; laß eine Chaise zu dreien anspannen. Meine Sachen soll der Bediente zu den eurigen packen. — Bleib noch hüben, beste, teuerste Frau! Und du, meine Tochter, wenn alles bestellt ist, komm herüber; und verweilt im Gartensaal, wartet auf mich. Ich will mich von ihr losmachen, sagen, ich wollte euch hinüber begleiten, sorgen, daß ihr wohl fortkämt, und das Postgeld für euch bezahlen. — Arme Seele, ich betrüge dich mit deiner Güte! — Wir wollen fort! —

Cäcilie.

Fort? — Nur ein vernünftig Wort!

Fernando.

Fort! Laß sein! — Ja, meine Lieben, wir wollen fort!

Cäcilie und Lucie ab.

Fernando allein.

Fort? — Wohin? Wohin? — Ein Dolchstich würde allen diesen Schmerzen den Weg öffnen, und mich in die dumpfe Fühllosigkeit stürzen, um die ich jetzt alles dahingäbe! — Bist du da, Elender? Erinnere dich der vollglücklichen Tage, da du in starker Genügsamkeit gegen den Armen standst, der des Lebens Bürde abwerfen wollte; wie du dich fühltest in jenen glücklichen Tagen, und nun! — Ja, die Glücklichen! die Glücklichen! — Eine Stunde früher diese Entdeckung, und ich war geborgen; ich hätte sie nicht wieder gesehn, sie mich nicht; ich hätte mich überreden können: sie hat dich diese vier Jahre her vergessen, verschmerzt ihr Leiden. Aber nun? Wie soll ich vor ihr erscheinen, was ihr sagen? — O meine Schuld, meine Schuld wird schwer in diesen Augenblicken über mir! — Verlassen, die beiden lieben Geschöpfe! Und ich, in dem Augenblick, da ich sie wieder finde, verlassen von mir selbst! elend! O meine Brust!

Vierter Akt

Einsiedelei in Stellas Garten

Stella allein.

Stella.

Du blühst schön, schöner als sonst, liebe, liebe Stätte der gehofften ewigen Ruhe — Aber du lockst mich nicht mehr — mir schaudert vor dir — kühle lockre Erde, mir schaudert vor dir — Ach wie oft, in Stunden der Einbildung, hüllt ich schon Haupt und Brust dahingegeben in den Mantel des Todes, und stand gelassen an deiner Tiefe, und schritt hinunter, und verbarg mein jammervolles Herz unter deine lebendige Decke. Da solltest du, Verwesung, wie ein liebes Kind, diese überfüllte, drängende Brust aussaugen, und mein ganzes Dasein in einen freundlichen Traum auflösen — Und nun! — Sonne des Himmels, du scheinst herein — es ist so licht, so offen um mich her, und ich freue mich des! — Er ist wieder da! — und in einem Wink steht rings um mich die Schöpfung lebevoll — und ich bin ganz Leben — und neues, wärmeres, glühenderes Leben will ich von seinen Lippen trinken! — Zu ihm — bei ihm — mit ihm in bleibender Kraft wohnen! — Fernando! — Er kommt! Horch! — Nein, noch nicht! — Hier soll er mich finden, hier an meinem Rasenaltar, unter meinen Rosenzweigen! Diese Knöspchen will ich ihm brechen — Hier! Hier! — Und dann führ ich ihn in diese Laube. Wohl, wohl war's, daß ich sie doch, so eng sie ist, für zwei eingerichtet habe — Hier lag sonst mein Buch, stand mein Schreibzeug — Weg Buch und Schreibzeug! — Käm er nur! — Gleich verlassen! — Hab ich ihn denn wieder? — Ist er da? —

Fernando kommt.