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Endlich gelangte Thorpe auf die Kuppe einer kleinen Erhebung und sah hundert Meter vor sich die Bahn auf ihrer einzigen dünnen Schiene liegen. Er konnte das flexible Druckrohr erkennen, das an der vorderen Luftschleuse der Bahn befestigt war, und eine Anzahl von Gestalten in Raumanzügen, die davor herumliefen.

Er rief einmal, dann fühlte er seine Beine unter sich nachgeben. Den Aufprall spürte er nicht, als er zu Boden stürzte. Stattdessen nahm er als Nächstes wahr, dass sich jemand über ihn beugte und durch sein Visier spähte.

»Mr. Thorpe, nicht wahr?«, fragte Vern Hadley, der Eigentümer der kleinen Siedlung.

Thorpe nickte.

»Wo sind die anderen?«

»Fünf Kilometer weiter draußen. Sie mussten vor der Hitze Zuflucht suchen. Ich bin gekommen, um bessere Anzüge für sie zu holen.«

Hadleys Antwort war unerwartet. Er lachte.

Das Dröhnen in Thorpes Kopf wollte nicht aufhören. »Was ist denn so lustig?«

»Tut mir leid«, antwortete der raubeinige Unternehmer aus dem Niemandsland. »Ich hätte es Ihnen früher sagen sollen. Die Bahn hat Anweisung von Luna City, auf Ihre Gruppe zu warten. Sie haben auch einen kleinen Traktor mitgebracht. Wir wollten gerade aufbrechen und Sie suchen.«

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NACHRICHTENMELDUNG:

UNIVERSAL FAX, LUNA CITY, REPUBLIK LUNA – 7. Juli 2087

(Zur Verbreitung in AUSL, CHN, NORAM, SOAM, VREU, LUNA, XTERR)

DIE EVAKUIERUNG DES MONDES GEHT HEUTE IN IHRE ZWANZIGSTE WOCHE. DAS UNTERNEHMEN, IN DESSEN VERLAUF BISLANG 9,7 MILLIONEN MENSCHEN UMGESIEDELT WURDEN, SOLLTE URSPRÜNGLICH BIS ZUM ERSTEN JULI ABGESCHLOSSEN SEIN. AUS DEM LUNAPARLA-MENT VERLAUTET, DIE VERZÖGERUNG SEI AUF EINE ANFÄNGLICHE KNAPPHEIT AN FÄHRSCHIF-FEN SOWIE EIN GEWISSES DURCHEINANDER ZU BEGINN DER EVAKUIERUNGSMASSNAHMEN ZURÜCKZUFÜHREN, EHE DIESE VERBESSERT WORDEN SEIEN. BETRIEBSPANNEN UND EINIGE GE-WALTTÄTIGE VORFÄLLE WURDEN EBENFALLS ALS ERANTWORTLICHE FAKTOREN GENANNT. TROTZ DER FRÜHEREN PROBLEME SCHÄTZT DIE REGIERUNG, DASS SICH DER LETZTE UM-SIEDLER SPÄTESTENS SECHSUNDNEUNZIG STUNDEN VOR DEM EINTREFFEN DES KOMETEN AUF DEM WEG ZUR ERDE BEFINDEN WIRD.

NACH OFFIZIELLEN SCHÄTZUNGEN BEFINDEN SICH NOCH ANNÄHERND 300.000 PERSONEN AUF LUNA. DARIN EINGESCHLOSSEN SIND PERSONEN, DIE IHRE EVAKUIERUNG BISLANG AB-LEHNTEN, VON DENEN JEDOCH ERWARTET WIRD, DASS SIE ES SICH NOCH ANDERS ÜBERLEGEN WERDEN. AUF DIE FRAGE, OB DIE ZAHL DER FÄHRSCHIFFE FÜR DIE BEFÖRDERUNG VON 60.000 PERSONEN PRO TAG AUSREICHE, VERSICHERTE DER REGIERUNGSSPRECHER UNSEREM REPORTER, ES GÄBE »MEHR ALS GENUG SCHIFFE, SELBST WENN UNSERE AKTUELLEN AUSLASTUNGSBERECHNUNGEN ZU OPTIMISTISCH SEIN SOLLTEN«.

BEI ANDERER GELEGENHEIT WURDE DER VERTRETER DES PREMIERMINISTERS HOBART ZU DER ANHALTEND STRENGEN ZENSUR VON NACHRICHTENMELDUNGEN SOWIE DER ÜBERWACHUNG SÄMTLICHER KOMMUNIKATIONS-KANÄLE ZWISCHEN ERDE UND LUNA BEFRAGT. ER ERKLÄRTE, DASS DERLEI MASSNAHMEN NOTWENDIG SEIEN UND DASS »ANDERNFALLS DIE DINGE DURCH WILDE GERÜCHTE AUSSER KONTROLLE GERATEN KÖNNTEN, DIE DIE EVAKUIERUNG WOMÖGLICH BEHINDERN WÜRDEN. DENKEN SIE DARAN«, SAGTE DER SPRECHER DES WEITEREN, »DASS IN LUNA CITY IMMER NOCH MENSCHEN AUS DEM HINTER-LAND EINTREFFEN. DA SIE DIE SITUATION NICHT AUS ERSTER HAND KENNEN, MÖCHTEN WIR VERHINDERN, DASS SIE DIE ÜBERZOGENE RHETORIK EINES REPORTERS IN ANGST UND SCHRECKEN VERSETZT.« UM BESTÄTIGUNG GEBETEN, DASS DIES DER GRUND FÜR DIE ZEN-SURMASSNAHMEN SEI, VERWEIGERTE DER PREMIERMINISTER EINEN KOMMENTAR.

- ENDE -

Für die Fahrt nach Luna City benötigten sie, in den überfüllten Abteilen der Einschienenbahn zusammengepfercht, drei Tage. Zu dem Zeitpunkt, als sie sich der Hauptstadt näherten, drängten sich mehr als dreihundert Menschen in zwölf Wagen. Tom Thorpe und Amber Hastings waren auf die untere Etage der dritten Kabine in der Reihe verbannt worden. Die meiste Zeit über saßen sie mit dem Rücken gegen die Knie anderer Passagiere gepresst. Im Wagen war es heiß und beengt, und es roch nach zu vielen ungewaschenen Körpern. Er erinnerte Thorpe an den Sturmbunker der Admiral Farragut, als sie die Strahlungsgürtel des Jupiter durchflogen hatten. Trotz aller Unzulänglichkeiten war es im Wagen immer noch unendlich viel bequemer, als im Raumanzug über die Wüsten von Farside zu wandern.

Der Zug fuhr spät nach Mitternacht in den Bahnhof von Luna City ein. Als die erschöpften Passagiere, ihre Anzüge über eine Schulter geworfen, ausstiegen, sahen sie sich einem Polizeikordon gegenüber, der sie begleiten sollte. Jeder Polizist hielt eine Straßenkampfwaffe in der Hand. Die Gewehre überzeugten Thorpe davon, dass die Berichte über öffentliche Unruhen zutreffend gewesen waren. Wie die legendären Londoner Bobbys auch, hatte die Polizei von Luna City noch nie Feuerwaffen gebraucht, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Dass sie jetzt welche benötigte, sprach Bände.

Thorpe und Amber gingen die unterirdische Plattform entlang bis dorthin, wo Niels Grayson und die anderen Astronomen beieinanderstanden. Die Gruppe war in Hadley’s Crossroads getrennt worden, und ihre Mitglieder hatten sich die drei Tage über nicht gesehen.

»Also, was machen wir jetzt?«, fragte Amber ihren Vorgesetzten.

»Ich nehme an, dass wir uns registrieren lassen müssen«, antwortete Grayson. »Am besten legen wir unsere Anzüge hier auf einen Haufen, gehen dann zur nächsten Ebene hoch und erkundigen uns, wo wir was tun müssen.«

Auf der nächsten Ebene war eine Menschenmenge, die eher noch zahlreicher war als diejenige, die Thorpe bei seiner Ankunft beobachtet hatte. Die Menge war auch von einer anderen usammensetzung. An Stelle der großen Zahl von Familien, die letztes Mal dominiert hatten, waren es jetzt mehr Einzelpersonen, von denen viele offenbar der lunaren Unterschicht angehörten.

Der Vorgang der Evakuierung, so fand die Observatoriumsgruppe bald heraus, war in zwei Abschnitte unterteilt. Der erste umfasste die Registrierung bei der Raumhafenbehörde. Zunächst hatte man den Bürgern Prioritäten auf Grundlage einer Reihe von Faktoren zugeteilt. Jetzt galt nur noch: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Sobald eine Person registriert war, erhielt sie den nächsten verfügbaren Platz auf einer Boden-Orbit-Fähre zugewiesen und bekam einen Bordpass für den Einschiffungsbahnhof ausgehändigt, an dem die Schiffe beladen wurden. Verlor jemand seinen Pass oder versäumte er das Schiff aus anderen Gründen, musste er sich wieder hinten anstellen.

Die Spannung in den langen Registrierungsschlangen war greifbar. Da sich jede mit einer anderen Geschwindigkeit voranbewegte, blickten die in den langsameren Schlangen neidisch auf ihre Nachbarn. Es war eine Situation, die einem die Nerven bloßlegen konnte. Es dauerte fast drei Stunden, bis die Gruppe vom Farside-Observatorium an die Spitze der Schlange gelangt war. Niels Grayson zeigte seinen Ausweis und den seiner Frau vor und erhielt nach wenigen Sekunden einen weißen Zettel, auf dem Datum, Zeit und Schiffsname aufgedruckt waren. Amber stand hinter den Graysons. Sie erhielt ihren Passierschein ebenfalls ohne Probleme. Dann war Thorpe an der Reihe.

»Ihren Ausweis, bitte«, sagte der übermüdete Beamte hinter dem Schreibtisch, indem er ohne aufzusehen seine Hand ausstreckte.

»Ich habe keinen«, sagte Thorpe. »Ich bin Tourist.« Das brachte ihm einen ärgerlichen Blick ein. »Treten Sie beiseite.«

»Aber ich brauche einen Passierschein.«

»Treten Sie beiseite. Nichtlunarier werden an Schalter B eine Treppe weiter oben bedient.«

»Was ist mit mir?«, fragte Amber. »Wir sind verlobt und möchten aufs selbe Schiff.«

»Schalter B, eine Treppe weiter oben«, wiederholte der Beamte.

Sie drängten sich bis zum Ausgang vor. Dort standen die Graysons und warteten, bis sich ihre Leute durch die Schlangen hindurchgearbeitet hatten. Amber berichtete ihnen, was vorgefallen war.

»Wenn wir hier fertig sind, will ich zur Oberflächenkuppel hochgehen und mir die Evakuierung ansehen«, sagte Niels Grayson zu Thorpe. »Wir werden dort auf Sie warten.«