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Die Automatikküche des Hotels arbeitete noch, und bald waren alle Mägen zum ersten Mal seit einer Woche gefüllt. Dann entdeckte einer der jüngeren Angestellten in einer kleinen Bar mehrere Flaschen Luna-Wodka, und es wurde ein Schlummertrunk herumgereicht.

Als Thorpe spät am nächsten Nachmittag erwachte, stellte er fest, dass Amber bereits auf war. Sie zeigte ihm eine Nachricht, die Niels Grayson an ihrer Tür befestigt hatte und die besagte, dass er für den Abend eine strategische Lagebesprechung einberufen habe. Wofür er eine Strategie entwerfen wollte, sagte er nicht.

Thorpe und Amber erschienen früh zu der Besprechung. Sie hatten ein weiteres Bad genommen und sich aus den Überbleibseln des Vorabendfestes einen Snack organisiert. Die Hälfte ihrer Gruppe war bereits anwesend.

»Worum geht es denn, Niels?«, fragte Amber, nachdem sie auf dem Sofa Platz genommen hatte.

»Uns bleiben noch drei Tage, bis wir evakuiert werden sollen. Wir können diese Tage hier im Hotel verbringen und essen und trinken bis zum Gehtnichtmehr, oder aber wir nutzen die Zeit, um die Spiegel zu retten, die wir am Observatorium zurückgelassen haben.«

»Wie sollen wir unter diesen Umständen die Spiegel retten, Niels?«, fragte Dr. Dornier. Der Astronom litt immer noch an den Nachwirkungen des Überlandmarsches. »Sie befinden sich auf der gegenüberliegenden Seite des Monds, und wir haben kein Schiff.«

»Ich weiß nicht, wie wir es anstellen sollen, Felix. Ich weiß nur, dass wir es versuchen sollten. Ich bin für alle Vorschläge offen.«

»Wie wäre es mit einem Hüpfer?«, fragte Thorpe. »Vielleicht können wir das Fassungsvermögen der Tanks so vergrößern, dass wir damit bis in einen Orbit kommen.«

»Die Republik hat das bereits getan. Viele der Evakuierungsfähren sind umgebaute Hüpfer. Jeder MoonJumper, der nicht umgebaut wurde, ist für unsere Zwecke zu klein. Ich fürchte, wir brauchen ein richtiges Schiff.«

»Vielleicht können wir den Frachter am Friedensdenkmal reparieren?«, schlug Cragston Barnard vor.

Amber schüttelte den Kopf. »Es ist zu weit bis dorthin. Die Wahrscheinlichkeit wäre zu groß, dass wir unsere Evakuierungsschiffe verpassen.«

»Dann reparieren wir eben ein anderes Schiff!«, sagte Margaret Grayson. »Es gibt doch bestimmt noch ein paar andere Kästen auf Luna, die fünfzehn qualifizierte Leute notdürftig für den Raum müssten herrichten können.«

»Haben Sie eine Vorstellung davon, was alles notwendig ist, um ein Schiff raumtüchtig zu machen? Wir würden niemals rechtzeitig fertig.«

»Nein«, sagte Grayson und hob die Hand. »Die Idee hat etwas für sich. Wir sollten sie nicht verwerfen, ohne sie einer genaueren Prüfung unterzogen zu haben. Wo könnten wir ein solches Schiff finden?«

»Auf der anderen Seite des Raumhafens gibt es einen Schiffsfriedhof«, sagte Amber. »Ich habe ihn schon ein dutzend Mal beim Ein-und Ausfliegen aus Luna City gesehen.«

»Wie kommt man dorthin?«

»Eine gute Frage. Ich bin mir nicht sicher, ob die Tunnel so weit reichen.«

»Dann schlage ich vor, dass Sie und Thomas Ihre Anzüge anlegen und es herausfinden. In der Zwischenzeit werden meine Frau und ich die zuständige Behörde aufsuchen und versuchen, ihnen ein Schiff abzuschwatzen. Vielleicht gelingt es mir, ein bisschen überzeugender aufzutreten als neulich im Observatorium.«

»Selbst wenn wir ein Schiff finden, wie sollen wir dann die Spiegel in Sicherheit bringen?«, fragte Felix Dornier. »Die Behörden werden es niemals erlauben, sie an Bord eines vakuierungsschiffes zu bringen.«

»Eins nach dem anderen«, antwortete Grayson.

Halver Smith starrte die leuchtenden Buchstaben an und dachte über ihre Bedeutung nach:

Mögest du in interessanten Zeiten leben!

Er hatte sein Terminal so programmiert, dass es nach dem Einschalten als Erstes diese alte chinesische Verwünschung anzeigte, als Erinnerung daran, dass die Ereignisse, die eine Zeit für Historiker interessant machten, denjenigen, die in ihr lebten, für gewöhnlich Schrecken einjagten. Die gegenwärtigen Zeiten waren für Smith besonders ›interessant‹.

Die Aufregung, die Vernichtung der Erde nur knapp abgewendet zu haben, sollte eigentlich für ein ganzes Leben reichen. Aber obwohl sich Donnerschlag inzwischen auf einem Kollisionskurs mit Luna befand, waren die mit dem verirrten Planetoiden verknüpften Probleme noch bei weitem nicht gelöst. Größte Anstrengungen wurden unternommen, um die Erde vor den beim Aufprall des Kometen emporgeschleuderten Trümmerstücken zu bewahren. Die Verbesserung der 3ometenflugbahn durch den Felsen war ein Versuch, die Menge des Auswurfs zu minimieren. Aber keine noch so große Änderung der Flugbahn würde dieses Problem gänzlich eliminieren können. Aus diesem Grunde errichtete die Erde auch eine effektive Abwehr gegen Meteoriten.

Das Meteoriten-Schutzsystem sollte aus zwei Dutzend Radargeräten bestehen, die den Orbit absuchten und von denen jedes eine Million Ziele gleichzeitig verfolgen konnte. Diejenigen Trümmerstücke, die eine Gefahr für die Erde darstellten, würden von antimateriebetriebenen, mit nuklearen Sprengköpfen ausgerüsteten Projektilen anvisiert werden. Die resultierenden Explosionen würden die Trümmerstücke – so hoffte man – in eine sicherere Umlaufbahn schleudern.

Mehrere Tausend Industriebetriebe arbeiteten fieberhaft daran, die Orbitalkette der Radaranlagen und Raketenwerfer festzustellen. Aufgrund ihrer Erfahrung bei Orbitalkonstruktionen war die Sierra Corporation eine der Hauptbeteiligten. Zusätzlich zu der Arbeit am Meteoriten Schutzsystem produzierten Halver Smiths Leute so viel Antimaterie, wie die 3eilchenbeschleuniger der Sierra Skies hergaben. Die Hälfte des Kraftwerksausstoßes an Antimaterie würde für den Antrieb der Abfangraketen eingesetzt. Die andere Hälfte würde dann gebraucht, um den Exodus von Luna zu ermöglichen.

Das Meteoriten-Schutzsystem war jedoch nicht Halver Smiths einzige Sorge. Er musste sich ebenfalls um die finanzielle Gesundheit seiner Firma kümmern.

Der Aktienmarkt hatte auf die Nachricht, dass SierraCorp den Felsen mit Donnerschlag zur Kollision bringen würde, schnell reagiert. Innerhalb weniger Tage war der Kurs der Sierra-Aktien um fünfundsiebzig Prozent abgesackt. Da er sich keine Hoffnung darauf machen konnte, den Kurssturz aufzuhalten, hatte Smith sich entschlossen, seinen Vorteil daraus zu ziehen. Die letzten drei Monate über hatte Smith seine Aktivposten liquidiert, um sich Bargeld zu verschaffen, mit dem er seine eigenen Aktien zurückkaufen konnte. Er setzte darauf, dass die Nationen ihr Versprechen einhalten würden, für den Felsen zu zahlen. Wenn sie das dafür notwendige Gesetz rasch genug verabschiedeten, würde sich das Gesellschaftskapital wie auch Smiths Privatvermögen erheblich vergrößern. Falls sie es nicht taten, würden sich er und sein Geisteskind gemeinsam dem Konkursgericht stellen müssen.

Smiths Träumereien wurden von seiner Sprechanlage unterbrochen. »Ihre Frau ist da, Mr. Smith.«

»Schicken Sie sie rein!«

Barbara stürmte fast gleichzeitig mit seinen Worten durch die Tür. Er stand auf, überquerte den dicken Teppich und küsste sie mit einer Leidenschaft, die manch einer bei einem Mann von seinem Alter unschicklich gefunden hätte.

»Guten Morgen«, sagte er, als er sie schließlich freigab.

»Ebenfalls guten Morgen.«

»Ist irgendwas?«, fragte er, als er ihre gefurchte Stirn bemerkte.

»Die Evakuierung liegt hinter dem Zeitplan zurück.«

Nachdem Avalon Donnerschlag erfolgreich den Weg versperrt hatte, war die Arbeitsgruppe an Bord der Newton Station aufgelöst worden. Barbara hatte sich dafür entschieden, sich der Arbeitsgruppe anzuschließen, welche die Evakuierung von Luna beratend begleitete.

»Wie weit zurück?«

»Zu weit. Sie werden es nicht schaffen. Es werden noch Leute auf dem Boden sein, wenn der Komet auftrifft.«