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Grayson zeigte ungeduldig auf den Schirm. »Rufen Sie das Energieversorgungsschema auf.«

Amber brauchte ein paar Minuten, bis sie die Leitungsschemata durchsucht und gefunden hatte, was sie suchte. Bald darauf hatte sie jedoch die Stromleitungen des Massebeschleunigers in mehrfarbig leuchtenden Linien auf dem Monitor. Die normalen Leitungen wurden in Grün angezeigt, die Steuerschaltungen des Massebeschleunigers in Gelb und die Notstromkomponenten in Rot.

Wie Thorpe vermutet hatte, wurden die Lampen und alle unbedeutenderen Stromverbraucher aus dem Notstromsystem der Stadt versorgt. Sie besaßen keinerlei Verbindung mit den Maschinen der Anlage. Die wesentlichen Geräte des Massebeschleunigers wurden von einem kleinen Fusionsreaktor mit Energie versorgt, der sich zwei Stockwerke unter dem Kontrollraum befand. Der Generator war nie dafür gedacht gewesen, die Energie für einen Start bereitzustellen. Die Hauptgeräte der Anlage verbrauchten jedoch so viel Energie, dass der Reaktor ziemlich groß sein musste, um sie mit Strom zu versorgen. Mit der Zeit würde er auch die Kondensatoren aufladen können.

Dr. Dornier machte sich sofort daran auszurechnen, wie lange es dauern würde. Als er fertig war, sah er zu den anderen auf und sagte: »Ich komme auf sechs Stunden für eine volle Ladung und möglicherweise nur vier Stunden, um genug Energie für einen Start anzusammeln. Das ist jedoch wirklich das absolute Minimum, und ich würde mich darauf nicht unbedingt verlassen.«

»Dann sind wir wieder im Geschäft«, sagte Thorpe. »Wir fangen sofort damit an, die Kondensatoren aufzuladen, und während der Wartezeit beladen wir den ersten Container.«

»Sie sind sich doch wohl darüber im Klaren, was wir damit bewirken werden«, sagte Grayson. »Der Start wird jeden darauf aufmerksam machen, dass der Massebeschleuniger noch in Betrieb ist. Wie lange, glauben Sie, wird es dauern, bis sie herausfinden, dass das ihre letzte Möglichkeit ist, von Luna wegzukommen?«

»Vielleicht werden sie denken, es sei ein verspäteter Frachttransport.«

»Ja und? Sie werden dennoch ihre letzte Möglichkeit darin sehen. Diese Anlage wird innerhalb von Minuten gestürmt werden. Wie groß sind die Chancen, dann noch den zweiten Container zu starten?«

»Haben Sie einen besseren Vorschlag?«

»Ich habe ihn schon gemacht. Alle sollten in den ersten Container gehen.«

»Verdammt, Niels, das haben wir doch schon durchgekaut. Wir haben nicht genug Sauerstoff dabei. Innerhalb einer Woche wären wir erstickt.«

»Das wissen Sie nicht«, erwiderte Grayson. »Die Verdampfungsrate ist nichts weiter als eine Schätzung. Der Sauerstoff kann ebenso doppelt so lange vorhalten.«

»Oder bloß halb so lange.«

»Vielleicht übersehen wir hier etwas«, sagte Dornier. »Bleibt uns überhaupt noch die Zeit für einen zweiten Start, bevor Donnerschlag kommt?«

Grayson wandte sich ihm zu. »Sie sagten, für eine Ladung würden wir sechs Stunden brauchen, macht zwölf Stunden insgesamt. Das lässt uns noch gute zehn Stunden Zeit, bevor der Komet eintrifft.«

Dornier nickte. »Bevor er eintrifft. Aber wie lange vorher müssen wir starten, um nicht mehr von der Explosion erreicht zu werden? Vielleicht bleibt dem zweiten Container nicht mehr genug Zeit, um sich weit genug in Sicherheit zu bringen.«

Grayson wandte sich an Amber. »Es ist Ihre Entdeckung. Können wir eine sichere Entfernung erreichen, wenn wir zehn Stunden vor dem Zusammenstoß starten?«

Sie zuckte mit den Achseln. »Definieren Sie eine ›sichere Entfernung‹, wenn es um sechzig Billiarden Tonnen Eis geht, die mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit gegen eine Felswand donnern. Verdammt, wir könnten in der tiefsten Höhle auf der Erde hocken und wären immer noch nicht sicher. Wenn zehn Stunden alles sind, was wir haben, dann müssen sie eben reichen.«

»Hören Sie«, sagte Thorpe, der der zunehmend akademischen Diskussion allmählich müde wurde, »wir verschwenden unsere Zeit. Wir geben uns nicht zum Spaß mit zwei Containern ab, sondern weil es notwendig ist! Es wird eine Weile dauern, bis wir die Leitungen verbunden haben. Ich schlage vor, dass wir unseren ersten Container in spätestens acht Stunden abschießen und den zweiten so rasch wie möglich folgen lassen.«

»Und wie gedenken Sie den Mob davon abzuhalten, die Türen einzuschlagen, während die Kondensatoren wieder aufgeladen werden?«, fragte Dornier.

»Uns bleiben noch acht Stunden, uns etwas einfallen zu lassen. Bis dahin lassen Sie uns diese Kondensatoren aufladen, damit wir, verflucht nochmal, endlich hier wegkommen!«

42

Harold Barnes hatte größere Angst als je zuvor in seinem ganzen Leben. Vor sechs Monaten war es so leicht erschienen, seine Evakuierungspriorität aufzugeben, um bis ganz zuletzt in Luna City zu bleiben. Die Entscheidung war ihm leichtgefallen. Indem er blieb, hoffte Barnes, ein reicher Mann zu werden.

Die Idee war ihm das erste Mal gekommen, kurz nachdem Premierminister Hobart vor der Forderung der Terrestrier, die Avalon-Option weiterzuverfolgen, kapituliert hatte. Barnes’ Position als inoffizieller Berater des Premierministers hatte ihm bald einen Überblick über die Probleme der Evakuierung Lunas verschafft. Den Mond zu evakuieren bedeutete weit mehr, als lediglich seine Bewohner zur Erde zu transportieren. Man musste sich auch mit dem Bruch in ihrem Leben befassen, den die Umsiedlung mit sich brachte. Die Bewohner Lunas hatten über Generationen daran gearbeitet, ihre atmosphärelose Welt zu einem Heim für ihre Kinder zu machen. Mit der Zeit hatten sie beträchtlichen Reichtum angehäuft. Und wenn Reichtum oft auch in aus Einsen und Nullen bestehenden Zahlenkolonnen in einem Bankcomputer gemessen wird, so bestand doch ein Teil davon aus Gütern, die zu groß waren, um sie auf Schiffe zu laden.

Jeder Flüchtling durfte Gepäck von fünf Kilogramm Gewicht oder einem halben Kubikmeter Volumen mitnehmen. Das reichte für ein paar Kleider und ein paar Erinnerungsstücke. Die meisten Lunarier waren gezwungen gewesen, wertvolle Besitztümer aufzugeben und sollten, entsprechend einer Übereinkunft mit der Erde, für den Verlust entschädigt werden. Nach der öffentlichen Bekanntgabe der Avalon-Option war es eine der ersten Maßnahmen der Regierung gewesen, ein System zur Erstattung der Entschädigungen für verlorenen Besitz einzurichten.

Für jemanden, der sich um Entschädigung bemühte, bestand der erste Schritt darin, dass er bei der örtlichen Filiale der Bank von Luna seine Ansprüche geltend machte. Für bestimmte Gegenstände wurde die Forderung problemlos anerkannt. Für gewisse Besitztümer von hohem Wert, wie Kunstwerke, Gold und andere kostbare Materialien, war ein Gutachten erforderlich. Der Eigentümer wurde aufgefordert, den fraglichen Gegenstand bei einer zentralen Schiedsstelle abzuliefern, wo Expertenteams seinen Marktwert festlegten.

War ein Gegenstand erst einmal geschätzt, erhielt der Besitzer seinen Wert auf seinem Evakuierungskonto auf der Erde gutgeschrieben. Anschließend übergab er den Gegenstand der Bank, damit darauf keine zweite Forderung erhoben werden konnte. Diese Vorsichtsmaßnahme war in erster Linie deshalb erforderlich, weil Goldbarren und ähnliche Dinge nicht individuell unterscheidbar waren. Obwohl es unnötig war, wurde mit Gemälden, Skulpturen und anderen Kunstwerken gleichermaßen verfahren.

Einen Monat vor dem Eintreffen des Kometen hatte Harold Barnes damit begonnen, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Er nutzte seinen Einfluss aus, um eine Starterlaubnis für sechs Frachtcontainer zu bekommen, die er mit den gesammelten Schätzen aus dem Tresor der Bank belud. Nur die wertvollsten Stücke wurden in die Container geladen. Neben Kunstwerken schaffte er mehrere Tonnen Edelmetall in die Container. Anschließend hatte Barnes zugesehen, wie die Container von einem Beschleunigungsturm zum nächsten schossen und im schwarzen Himmel verschwanden.