»Irgendeine Bewegung?«
»Bis jetzt nicht, Mr. Thorpe.«
»Passen Sie gut auf! Es wird nicht mehr lange dauern. Sobald sie entdecken, dass die Innentür offen ist, werden sie möglicherweise versuchen, die Sicherheitsluke aufzubrechen. Achten Sie darauf, dass Sie die Dekompression nicht auf der falschen Seite der Drucktür überrascht. Wir werden keine Zeit haben, um Sie zu retten.«
»Verstanden«, antwortete der Techniker, ein junger Lunarier namens Albert Segovia.
»Tom!«
»Ja, Amber?«
»Ich sehe Männer in Raumanzügen vor unserer Außentür. Sie haben etwas dabei. Ich glaube, es ist eine tragbare Schleuse. Sie lassen die Luft aus dem Abschnitt vor unserer Barriere ab und versuchen, ob sie hindurchkommen können.«
»Ganz schön clever«, antwortete er. »Halt mich über ihre Fortschritte auf dem Laufenden. Wie geht’s mit dem Beladen voran?«
»Nach Plan, vielleicht ein bisschen schneller. Ich hab doch so viel wie möglich abgeschaltet und setze zusätzlich noch das bisschen Stadtstrom ein, das wir bekommen.«
»Gute Idee. Ich bin in der Halle, wenn du mich brauchst.«
Thorpe sah auf seine Armbanduhr. Fünfundzwanzig Minuten waren vergangen, seit sie den ersten Container gestartet hatten – mehr als vier Stunden mussten sie noch aushalten!
Der zweite Container wurde nur von zwei Arbeitslampen beleuchtet, die beide über Batterie liefen. Der ganze restliche Strom wurde zu den Kondensatoren umgelenkt. Den flüssigen Sauerstoff hatten sie bereits vor Stunden eingefüllt, und das hintere Ende des Behälters war mit einer dicken Reifschicht bedeckt, da die Luftfeuchtigkeit kondensiert und auf der kalten Oberfläche festgefroren war. Jamie Byrant schlang in regelmäßigen Zeitabständen ein Drahtseil um die Hülle und kratzte den Reif ab. Thorpe befürchtete, er könnte beim Start an einer der Halteklammern hängenbleiben und den Container ins Taumeln bringen.
»Wie läuft’s denn so?«, fragte er Byrant.
»Wir sind so weit, ihn in den Flaschenzug einzuhängen. Wann sollen wir einsteigen?«
»Im Moment noch nicht. Mit sieben Leuten können wir nicht viel gegen den Mob ausrichten, wenn er reinkommen sollte, aber wenn wir erst mal in diesem Ding eingeschlossen sind, können wir gar nichts mehr tun. Hören Sie den Funkverkehr ab?«
Byrant nickte.
»Passen Sie auf, wenn ich die Anweisung gebe, die Anzüge anzulegen. Machen Sie dann, so schnell Sie können. Wo sind Niels und Margaret?«
Byrant winkte mit dem Daumen in Richtung Container. »Sichern drinnen die Ladung. Wir haben nicht ganz so viele Ösen an die Wand geschweißt, wie wir hätten sollen. Sie haben Probleme, alles festzubinden.«
»Ich bin sicher, es gibt hundert Dinge, die wir hätten besser machen können«, erwiderte Thorpe. »Wir haben alles getan, wofür die Zeit gereicht hat.«
»Äh, Thomas …«
»Ja?«
»Ich habe nachgedacht. Was passiert, wenn der Mob hier reinkommt?«
»Sie werden uns in Stücke reißen und dann darum kämpfen, wer in den Container kommt, und ihn dabei wahrscheinlich zerstören.«
»Und wenn sie begreifen, dass sie nicht hereinkommen können? Was werden sie dann tun?«
»Wenn ich dort draußen wäre und wirklich verzweifelt, dann würde ich, glaube ich, versuchen, den Massebeschleuniger zu beschädigen und den Start zu verhindern. In der Not ist man nicht gern allein, wissen Sie.«
»Was für ein netter Gedanke!«
Thorpe lächelte ihm aufmunternd zu. »Hoffen wir, dass sie nicht darauf kommen.«
Drei Stunden später war es offensichtlich, dass sie sich mit dieser Möglichkeit nicht würden beschäftigen müssen. Die Menschenmenge im Korridor hatte sich zügig darangemacht, ihre tragbare Schleuse aufzustellen, und hatte es geschafft, den Korridorabschnitt vor der Barriere leerzupumpen. Der ganze Vorgang hatte weniger als neunzig Minuten in Anspruch genommen. Während eine Gruppe arbeitete, waren mehr und mehr hinten im Korridor verschwunden. Vermutlich waren sie ihre Anzüge holen gegangen, denn nach mehreren Minuten tauchte eine gleiche Anzahl von Personen in Raumanzügen auf.
Wenn Thorpe versucht hätte, die Barriere zu durchbrechen, dann hätte er vor der Sperre eine weitere Drucktür geschlossen und die Luft im Korridor nach außen abgelassen. Das hätte das Aufstellen der unhandlichen Notschleuse überflüssig gemacht. Natürlich wäre auf diese Weise auch jedermann auf der Stadtseite vor der neugeschlossenen Drucktür ausgesperrt worden, und nur die mit Raumanzügen ausgerüsteten Personen hätten Zugang gehabt, die an dem Durchbruchunternehmen teilnahmen. Die Masse der Leute, vermutete Thorpe, war nicht einverstanden gewesen, es mit der schnellen Methode zu versuchen.
Das Ausbruchsunternehmen stieß auf ein Hindernis, als die Leute bemerkten, dass sich die Drucktür auch nach Entfernen des Differenzials nicht öffnen ließ. Dadurch wurden sie weitere fünfzehn Minuten aufgehalten, während deren sie auf der gegenüberliegenden Seite der Notschleuse berieten. Die Schleuse bestand aus einem durchscheinenden Material, durch das hindurch Schatten zu erkennen waren, das die Einzelheiten jedoch vor Thorpes Kameras verbarg. Der düstere Schein der Notbeleuchtung trug ein Übriges dazu bei.
Der Grund für die Verzögerung wurde offenbar, als die Korridorkamera plötzlich ausfiel und wenige Sekunden darauf ein entferntes Wumm! durch die Hallenwände hindurch zu hören war. Die erste Absperrtür war gesprengt worden.
»Jetzt dauert es nicht mehr lange, Leute. In die Anzüge! Schnell!«
Thorpe hatte seinen vorsichtshalber bereits angelegt. Er schränkte zwar seine Beweglichkeit ein, würde ihm aber das Leben retten, wenn die Menge im Korridor es schaffte, die Anlage in den Raum hinaus zu entlüften. Die Ladehalle war von einer Größe, bei der eine Unterteilung durch Sicherheitsschotts nicht mehr möglich war. Wenn die Drucktüren in den Korridoren aufgebrochen wurden, wäre eine explosive und vollständige Dekompression die Folge.
Er eilte zum Kontrollraum. »Wie lange noch, bis wir genug Ladung haben, um starten zu können?«
»Wir brauchen noch neunzig Minuten bis zur vollen Ladung«, sagte Amber. Sie hatte ebenfalls ihren Raumanzug angelegt und ihren Helm aufgesetzt.
»Wir haben nicht mehr die Zeit, bis zur vollen Ladung zu warten. Wann können wir frühestens starten, vorausgesetzt, dass nichts schiefgeht?«
»In fünfundzwanzig Minuten«, sagte sie. »Damit kommen wir knapp über den Berg.«
Der ›Berg‹ war Lunas Fluchtgeschwindigkeit. Von einem Schiff, das mit wenig mehr als den 2,38 Sekundenkilometern Fluchtgeschwindigkeit startete, sagte man, es sei ›knapp über den Berg‹. Es würde im Raum beinahe zum Stillstand kommen, bevor es in das Gravitationsfeld der Erde überwechseln und dann seinen langen Fall in Richtung des größeren Planeten beginnen würde.
»In Ordnung«, sagte er. »Stell die Kontrollen auf einen Start in dreißig Minuten ein, dann mach, dass du in den Container kommst.«
»Wir sollten eine größere Reserve haben«, warnte sie.
»Wir haben nicht mehr die Zeit. Tu jetzt, was ich dir sage, verdammt nochmal!«
»Ja, Thomas. In fünf Minuten bin ich unterwegs.«
Thorpe suchte als Nächstes Segovia auf. »Was Neues?«
»Weiß nicht. Ich glaube, ich habe vor ein paar Minuten einen Schatten im Gesichtsfeld gehabt.«
»Wo?«, fragte Thorpe.
»Genau da!« Er zeigte auf die Unterkante des Bildschirms. Die Sonne stand hinter der Kamera, und wenn jemand hinter ihr vorbeigegangen war, konnte sein langer Schatten gut in den Blickwinkel der Kamera geraten sein.