»Eine gute Sache, wenn Sie das schaffen.«
»Wir glauben, wir haben eine Lösung gefunden«, fuhr Hobart fort. »Wir sind darauf gekommen, dass wir diese Anlagen im Eisbergbau einsetzen könnten, wenn wir die Metallgewinnung vollständig einstellen sollten.«
»Aber dann würden Sie eine andere Quelle für Metalle brauchen.«
»Es wurde der Vorschlag gemacht, dass der Felsen diese Quelle sein könnte.«
»Sie möchten, dass wir Sie ebenso beliefern, wie wir die Erde beliefern?«, fragte Thorpe.
»Genau. Und wir werden für das Metall mit Eis bezahlen.«
»Zu welchem Wechselkurs?«
»Darüber wäre zu verhandeln«, schaltete Harold Barnes sich ein. »Zehn Tonnen Eisen für eine Tonne Eis wäre ein vernünftiges Verhältnis.«
»Sie sprechen von hunderttausend Tonnen Eis pro Jahr. Der Felsen benötigt nicht so viel. Was machen wir mit dem Überschuss?«
»Verkaufen Sie ihn an die anderen Raumkolonien«, sagte Barnes. »Glauben Sie mir, es würde ein hübscher Nebenverdienst dabei herausspringen.«
»Was ist mit Ihren eigenen Eisexporteuren? Das würde sie aus dem Geschäft hinausdrängen.«
»Wir werden dafür sorgen, dass sie für ihre Verluste entschädigt werden.«
»Das ist ein verlockendes Angebot«, sagte Thorpe. »Es gibt dabei nur ein Problem.«
»Welches?«, fragte der vierte Mann. Thorpe erinnerte sich daran, dass er ihm als Funktionär der Bergbaugewerkschaft vorgestellt worden war.
»Wie schaffen wir das Eisen zu Ihnen runter? Wir bremsen die Lieferungen für die Erde aerodynamisch ab. Da Luna keine Atmosphäre besitzt, funktioniert das nicht. Wir können die Fracht auch nicht mit Raketen landen. Es würde sich nicht rentieren.«
»Wir haben eine Menge ungenutztes Land, Mr. Thorpe«, sagte der Gewerkschaftsfunktionär. »Warum sie nicht einfach in einen verlassenen Krater plumpsen lassen?«
»Sie wissen nicht, was Sie da vorschlagen«, erwiderte Thorpe. »Man kann nicht einfach eine Million Tonnen Eisen, die sich mit einer Geschwindigkeit von mehreren Kilometern pro Sekunde bewegen, auf den Mond fallen lassen! Die Mondtrümmer würden überallhin verstreut, ganz zu schweigen von den Stücken, die in einen Orbit gehen würden.«
»Wie wäre es, wenn Sie die Erzfracht in tiefen Regolith fallen lassen würden? Wäre das nicht vergleichbar mit einer Wasserlandung?«, fragte Hobart.
»Jedenfalls dann, wenn das Material eine geringe Dichte aufweisen würde, vermute ich. Wir könnten die Frontfläche der Erzcontainer vergrößern, um die Last weiter zu verteilen. Aber wo würden Sie sie fallenlassen?«
»Sagt Ihnen das Orientbecken etwas?«
»Ich habe davon gehört.«
»Das Becken ist ein großes Mare am Westrand des Mondes. Vor vier Milliarden Jahren ist dort ein großer Meteor eingeschlagen. Da das Orientbecken nie von Magma überflutet wurde, besteht der Boden aus den staubförmigen Überresten des Aufpralls. An manchen Stellen beträgt die Tiefe vier Kilometer. Der spezifischen Dichte nach sollte er sich bei einem solchen Zusammenprall ähnlich wie eine Flüssigkeit verhalten.«
»Was ist mit dem dabei hochgeschleuderten Material?«, fragte Thorpe. »Bei Ihrer schwachen Gravitation kann niemand sagen, wo das lose Gestein niedergehen würde.«
»Das muss natürlich noch im Detail untersucht werden«, stimmte Hobart zu. »Ist SierraCorp an einem solchen Vorhaben interessiert?«
»Mehr als interessiert«, antwortete Thorpe. »Hören Sie, ich werde Mr. Smith von dieser Unterredung unterrichten und Sie nach meiner Rückkehr vom Farside-Observatorium wieder aufsuchen. Einverstanden?«
»Einverstanden, Mr. Thorpe. Wir unsererseits werden so lange davon Abstand nehmen, den Plan mit Señor Sandoval von System Resources zu erörtern, bis wir von Ihnen wieder etwas hören. Schließlich ist ein Asteroid vor Ort mehr wert als einer in der Überführung. Noch einen Bourbon?«
Thorpe blickte in sein Glas, das beinahe leer war. »Vielleicht noch einen, Bürger Hobart. Trinken wir auf ein erfolgreiches Geschäft für alle Beteiligten!«
»Nein, Mr. Thorpe«, sagte Hobart. »Trinken wir auf die Republik Luna. Auf dass sie immer stark bleibe!«
6
Tom Thorpe saß neben dem jugendlichen Fahrer in der Steuerkabine des Rolligon und sah in die von den starken Scheinwerfern erhellte Mondnacht hinaus. Trotz der Panoramasicht gab es nicht viel zu sehen. Vor drei Tagen war hier die Sonne untergegangen, und die Landschaft auf der erdabgewandten Seite des Mondes war so dunkel wie die tiefste Nacht auf der Erde.
Vor zwölf Stunden hatte die mondumspannende Einschienenbahn Thorpe an Hardley’s Crossroads abgesetzt, und vor vier Stunden hatte der Rolligon seine Hundertzwanzig-Kilometer-Fahrt zum Observatorium begonnen. Von Hadley hatte er wenig mehr gesehen als das sich andauernd verändernde Muster der Reifenspuren, die von früheren Fahrten stammten.
Da es nichts Interessantes zu sehen gab, hatte Thorpe die Zeit dazu genutzt, seine Gedanken zu ordnen. Am Morgen nach der Dinnerparty hatte er Hobarts Vorschlag in einem langen Telegramm an die Geschäftsleitung zusammengefasst. Dann hatte er ein Ticket für die Viertagesreise zum Friedensdenkmal gekauft, wo er ein paar andere Spuren gesehen hatte – die seltsamen geriffelten Fußabdrücke, die Armstrong und Aldrin vor fast einem Jahrhundert hinterlassen hatten. Die Vertiefungen, wo sie Bodenproben genommen hatten, waren noch so deutlich wie an dem Tag, als sie entstanden waren, doch das blaue Feld und die roten Streifen ihrer Flagge waren fast vollständig verblasst.
Bei seiner Rückkehr nach Luna City fand er zu seiner Überraschung im Hotel eine Antwort auf sein Telegramm vor. Er entschlüsselte es und las:
BIN AM TAUSCH EISEN FÜR EIS HÖCHST INTERESSIERT. FAHREN SIE MIT IHRER ARBEIT FORT, ABER HOLEN SIE WEITERE INFORMATIONEN EIN. HABE OFFENBAR DEN RICHTIGEN MANN NACH LUNA GESCHICKT. DAS MUSS DER GRUND SEIN, WESHALB DER RUBEL ROLLT.
Halver Smith
Das hatte das Ende von Thorpes Urlaub bedeutet. Seine letzten Tage in Luna City hatte er mit dem Studium der wirtschaftlichen Hintergründe des Eisbergbaus und der Selenologie des Orientbeckens zugebracht. Was er erfuhr, ermutigte ihn. Es sprach offenbar nichts dagegen, Eisen in Millionen-Tonnen-Einheiten auf den Mond zu befördern.
Thorpe wurde aus seiner Stimmung aufgeschreckt, als der Rolligon um eine Ecke bog und auf einen abschüssigen Hang zuzurutschen begann.
»Ist es nicht gefährlich, in der Nacht so schnell zu fahren?«, fragte er, nachdem der Fahrer die Kontrolle wiedererlangt hatte. Wie Thorpe trug der Fahrer einen Leichtgewichts-Vakuumanzug. Sein Anzug war blau-metallic, wenn die Originalfärbung unter einer dicken Schmutzschicht auch kaum zu erkennen war. Thorpes Anzug war orange reflektierend und trug das Firmenzeichen und die Registriernummer von Verns Raumanzugsverleih in Hadley’s Crossroads, Luna. Er war ebenfalls stark verschmutzt. Innendrin roch er nach zu vielen ungewaschenen Männern.
»Nachts fährt sich’s besser als bei Tag«, sagte der Fahrer mit seinem silbenverschluckenden Luna-Akzent. »Lass mich ohne meine Unterwäsche aus Blei nicht gern von’ner solaren Leuchtbombe erwischen.«
»Das habe ich nicht gemeint. Sollten Sie nicht besser langsamer fahren?«
»Nee! Bin die Strecke schon hundertmal gefahren. Kenn sie wie mein’n Handrücken. Uih!«
Thorpe fühlte, wie sich sein Magen hob, als der Rolligon auf einen Buckel traf und zwei Meter hoch in den schwarzen Himmel geschleudert wurde. Sie befanden sich länger als zwei Sekunden in der Schwerelosigkeit, ehe das Fahrzeug mit einem dumpfen Schlag in einer Staubwolke landete. Der Fahrer drehte sich um und grinste. Seine Haartolle war vor dem Hintergrund der Instrumentenleuchten deutlich sichtbar. »Tut mir leid, Boss. Ich dachte schon, ich wär dran vorbei. Dieser Wummi hätt mich letztes Mal beinahe umgekippt.«