»Dann fahren Sie langsamer, verdammt nochmal!«
»Kein Grund zur Panik, Boss. Von hier ab ist die Fahrbahn glatt wie Glas. Hinter dem nächsten Hügel ist schon das Observatorium.«
Thorpe setzte sich gerade auf und spähte nach vorn. Seit sie die Kraterwandung überwunden hatten, hatten sie die Lichter der Oberflächenanlagen des Farside Observatoriums sporadisch aufleuchten sehen. Wie der Fahrer gesagt hatte, erschien in geringer Entfernung vor ihnen eine Ansammlung weißer Lichter, sobald sie die Hügelkuppe erklommen hatten.
»Wie weit noch?«, fragte Thorpe.
»Die Erhebung hier heißt Twelve Klick Rise.«
»Zwölf Kilometer noch?«
»Bisschen weniger. Sagen wir, elfeinhalb.«
»Wo sind die Teleskope?«
»Sehen Sie die Hauptschüssel?«, fragte der Fahrer und deutete auf ein blitzendes rotes Licht an der Spitze eines Turmes, der sich im Mittelpunkt einer Ansammlung von Glimmlampen befand.
»Ja.«
»Das Große Auge befindet sich links davon. Sie können’s nicht sehen, weil der größte Teil schwarz ist.«
Thorpe lehnte sich enttäuscht zurück. Er hatte erwartet, die großen Teleskope von Flutlicht erleuchtet zu sehen. Aber es gab natürlich keine Veranlassung, sie in der Mondnacht anzustrahlen, und gute Gründe, es nicht zu tun. Ein Lichtstrahl, der auf einen der Spiegel fiel, konnte eine astronomische Beobachtung wertlos machen.
Sie fuhren weiter und hielten nach einer Viertelstunde vor einer Art Nissenhütte, die mit einer dicken Schicht Mondstaub bedeckt war. Der Fahrer sprach kurz in sein Funkgerät, und eine schwere Schleusentür schwang auf. Der Fahrer lenkte sein Fahrzeug hinein. Die Tür schloss sich, und der Rolligon wurde durchgeschüttelt, als die Umgebung unter Atmosphäre gesetzt wurde.
Thorpe fühlte seinen Anzug um sich herum schlaff werden, wartete jedoch mit dem Absetzen des Helms so lange, bis ihm der Fahrer signalisierte, dass er es gefahrlos tun konnte. Die Luft war kalt und schmeckte metallisch.
»Endstation, Mr. Thorpe«, sagte der Fahrer lachend. »Ich hoffe, ich habe Sie nicht allzu sehr in Schrecken versetzt.«
»Gut, dass ich mich an der Kreuzung wieder nach vorne gesetzt habe. Bei diesem Luftsprung hätte ich mir sonst bestimmt in die Hose gemacht.« Thorpe schnallte sich los und stand auf. Er begann sich allmählich besser zu fühlen.
»Kommen Sie, machen wir, dass wir nach unten kommen! Sie können den Anzug im Umkleideraum lassen. Ich hol ihn dann später, wenn ich die Flüssigtanks gewechselt und alles fürs Entladen vorbereitet habe. Die Schleusenkontrolle sagt, dass Direktor Meinz Sie bereits unten erwartet.«
»Danke für die Fahrt«, sagte Thorpe und hob seine Reisetasche hoch, die er hinter dem Sitz verstaut hatte. »Es war ein Erlebnis.«
Der Teenager grinste. »Warten Sie, bis Sie mich auf der Rückfahrt erlebt haben, wenn der Laderaum leer ist. Dann zeige ich Ihnen, was Fahren wirklich heißt!«
»Mr. Thorpe? Ich bin Hermann Meinz, Direktor des Observatoriums. Das ist Niels Grayson, leitender Astronom.«
Thorpe schüttelte den beiden Männern, die vor dem Lift auf ihn gewartet hatten, die Hand. Der Direktor war ein magerer Mann. Sein Gesicht sah aus, als wäre es zu fest über den Schädel gespannt. Bis auf einen Streifen Weiß an der Rückseite seines Kopfes war er haarlos. Thorpe schätzte, dass der Direktor in den Siebzigern und Grayson, ein dunkler, muskulöser Mann, in den Fünfzigern war.
»Sie wollen bestimmt aus dem Anzug heraus«, sagte der Astronom. »Nehmen Sie Kabine Drei.«
Thorpe dankte Grayson und begab sich in die genannte Umkleidekabine. Er streifte den Anzug ab und gab sich einer Kratzorgie hin, bevor er sich abrieb und ein ärmelloses Hemd, Shorts und Slipper anzog. Zuletzt kämmte er sich die Haare, nahm die Reisetasche und den Raumanzug und kehrte dorthin zurück, wo das Empfangskomitee auf ihn wartete.
»Sollen wir in mein Büro übersiedeln?«, fragte Direktor Meinz.
»Da bin ich sehr dafür«, erwiderte Thorpe. Er hängte den Anzug an einen Haken, wo der Fahrer ihn sehen würde, dann folgte er den Astronomen über einen langen Korridor mit einer Serie von Notdruckschleusen.
Sie kamen an Büroräumen voller Computerterminals und Geräten zur Fotoauswertung vorbei, an Lagerräumen und Werkstätten. Trotz seiner Abgeschiedenheit schien es im Observatorium alle möglichen Annehmlichkeiten zu geben, eingeschlossen eine gut ausgestattete Turnhalle.
Professor Meinz’ Büro wurde von einem wandgroßen Foto beherrscht, auf dem das Hundert-Meter-Teleskop und dahinter die Sonne zu sehen waren.
»Rektor Cummings hat uns über den Zweck Ihres Besuchs informiert, Mr. Thorpe«, sagte der Professor, nachdem er den anderen Mann gebeten hatte, Platz zu nehmen. »Ich muss sagen, es überrascht mich, dass sich die Sierra Corporation für den Kometen P/2085(G) interessiert.«
»Ist das der Komet, der nahe an Jupiter vorbeifliegen wird?«
»Das ist er. Ich war sogar noch mehr überrascht, als ich entdeckte, dass das Farside-Observatorium ein kommerzielles Interesse an dieser Angelegenheit hat.«
Thorpe zuckte mit den Achseln. »Mr. Smith hat unsere Rechtsabteilung die Geschichte des Gesetzes über Rechte an Weltraumentdeckungen überprüfen lassen. Die Bestimmung, die den Entdeckern zehn Jahre lang die alleinigen Nutzungsrechte überlässt, war ursprünglich dazu gedacht, den wissenschaftlichen Wert neuentdeckter Himmelskörper zu bewahren. Ob man das so gewollt hat oder nicht, Sie besitzen die Rechte und können damit tun, was Sie wollen. Wir hoffen, dass Sie uns ein Vorkaufsrecht einräumen werden.«
»Warum, Mr. Thorpe?«, fragte Niels Grayson. »Selbst wenn er die günstigste aller denkbaren Umlaufbahnen einschlagen sollte, dürfte die Geschwindigkeit des Kometen am Perihel in der Größenordnung von fünfzig Kilometern pro Sekunde liegen. Das macht ihn nicht gerade zu einem geeigneten Kandidaten fürs Einfangen.«
Thorpe hatte sich eine Antwort darauf bereits zurechtgelegt. »Ich habe nie etwas von Einfangen gesagt.«
»Aber der Rektor teilte uns mit …«
Thorpe nickte. »Er sagte Ihnen, dass wir diesen Kometen einfangen und in eine weite Umlaufbahn um die Erde bringen wollten. Das war seine persönliche Annahme, der ich lediglich nicht widersprochen habe. Wenn unsere Konkurrenten von unserem Interesse Kenntnis erhalten sollten, werden sie vielleicht ebenfalls die falschen Schlüsse ziehen.«
»Dann verstehe ich überhaupt nichts mehr«, sagte Grayson.
»Was diesen speziellen Kometen potenziell wertvoll macht, ist nicht seine Geschwindigkeit, sondern die Ebene seines Orbits. Der Asteroid wird Jupiter sehr nahe der Ekliptik hinter sich lassen. Das ist zutreffend, nicht wahr?«
Grayson nickte. »Plus oder minus zwei Grad.«
»Das ist es, was Mr. Smith ins Auge gefallen ist. Vor einiger Zeit hat er eine preisgünstige Methode entwickelt, um Frachtgut in modifizierte Hohmann-Transfer-Orbits zu bringen. Damit das funktioniert, muss die Ladung von der Ebene der Ekliptik aus gestartet werden. Wenn dieses Kriterium erfüllt ist, können wir veredelte organische Stoffe auf profitable Weise über interplanetare Distanzen befördern.«
»Ich weiß nichts von einer solchen Arbeit«, sagte Meinz kurzangebunden.
Thorpe lächelte, wie es ihm aufgetragen worden war. »Es tut mir leid, aber es steht mir nicht frei, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Betriebsgeheimnis.«
Der Direktor murmelte etwas wie ›Blödsinn‹, dann lehnte er sich in seinem Sessel zurück. Grayson wandte sich an Thorpe. »Ich nehme an, dass Sie zusätzliche Informationen benötigen, bevor Sie eine Entscheidung treffen.«
»Ich muss die Größe und die Zusammensetzung des Kometenkerns kennen. Darüber gab es in dem Bericht der Astronomischen Vereinigung keine Angaben.«
»Ja, klar. Weil der Kern von der ihn umgebenden Gaswolke verdeckt wird. Wir können ihn noch nicht sehen.«
»Überhaupt noch nicht?«