»Wie entdeckt?«
»Er hat die Koma auf einer Aufnahme entdeckt.«
»Könnte ich sie sehen?«
»Natürlich«, sagte sie.
Sie bedeutete ihm, sich neben sie zu stellen, während sie im Operatorsessel Platz nahm. Ihre Finger glitten geschickt über das Keyboard, und der große Bildschirm füllte sich mit Sternen. Einer von ihnen sah anders aus als die anderen.
»Obwohl dies hier unsere erste Aufnahme des Kometen ist, ist sie doch unsere beste. Der Grund dafür ist, dass sie vom Großen Auge stammt. Die Ziffern unten am Rand geben das Datum und die Zeit an, dass 102 Spiegelsegmente aktiviert waren und dass Kollektor und Photonenverstärker Nummer zwei benutzt wurden.«
»Irgendwelche Spuren des Kerns feststellbar?«
»Auf diesem Bild nicht, aber diese spezielle Kombination ist für diese Dinge auch nicht besonders empfindlich.« Amber ließ die Finger über das Keyboard tanzen, und das Bild wurde durch ein anderes ersetzt. Es zeigte die gleiche Sternregion, war jedoch weniger detailliert, so als wäre es aus einer größeren Entfernung aufgenommen. »Das ist unsere zweite Aufnahme, drei Wochen später gemacht. Das ist die, mit der ich die erste Näherungsberechnung des Kometenorbits durchgeführt habe. Wir haben diese erste Näherung natürlich im Wochenturnus verfeinert.«
»Ja, ich weiß«, antwortete Thorpe. »Ich habe Kopien aller Aktualisierungen der Astronomischen Vereinigung. Interessieren würde mich, was Sie herausgefunden haben und was nicht in den Berichten steht.«
»Nicht viel«, sagte Amber. »Wir haben Spuren aller üblichen Bestandteile entdeckt: Wasserdampf, Kohlenmonoxid, Methan, Stickstoff, Cyanwasserstoff. Das überrascht uns nicht. Die meisten sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Messungen von Kometen ergeben ähnliche Verteilungsmuster flüchtiger Gase.«
Thorpe nickte. »Professor Grayson erwähnte das gestern Abend. Er sagte auch, dass Sie die Größe des Objekts noch nicht quantifizieren könnten.«
»Noch nicht. Sie könnte irgendwo zwischen der eines Schneeballs und der eines großen Mondes liegen.«
»Ich könnte mir vorstellen, dass Sie als Astronomin eine ganze Menge aus dem nahen Vorbeiflug an Jupiter lernen werden. Schließlich kommt so etwas nicht alle Tage vor!«
»Es passiert öfter, als Sie vielleicht denken.«
»Ach?«
»Ich will damit nicht sagen, dass wir alle Tage Asteroiden oder Kometen bis auf zwei Millionen Kilometer am Jupiter vorbeischwirren sehen. Das wird die engste Begegnung werden, die von Menschen jemals beobachtet wurde. Aber der gute alte Jupiter übt doch einen ziemlichen Einfluss aus. Er ist für die Umlaufbahnen rund der Hälfte der periodischen Kometen des Sonnensystems verantwortlich. Glauben Sie mir, nach den Maßstäben des Universums backen wir hier ziemlich kleine Brötchen. Wenn es nicht so wäre, würde man bestimmt jemand Bedeutenderes als eine junge astronomische Angestellte damit beauftragen, die Sache zu verfolgen. Übrigens«, sagte Amber, »ich würde darauf wetten, dass sich in zehn Jahren niemand mehr an den Kometen P/2085(G) erinnern wird.«
Später sollte Thorpe es bedauern, dass er auf die Wette nicht eingegangen war.
7
Der Hauptkontrollraum des Großen Auges war voller Zuschauer, als sich das Beobachtungsprogramm der Wechselsterne im Sternbild Cepheus der Andromeda-Galaxis dem Ende näherte. Die Andromeda-Beobachtung war das letzte von drei gleichzeitig betriebenen Beobachtungsprogrammen, drei aus einer endlosen Kette von Beobachtungen, die das große Teleskop durchzuführen hatte.
Während die letzten Minuten auf der Uhr abliefen, war Amber Hastings noch damit beschäftigt, letzte Hand an das Kometenbeobachtungsprogramm zu legen. Anders als das 60-cm-Teleskop würde das Große Auge den Kometen bei Wellenlängen vom nahen Infrarot bis zum fernen Ultraviolett beobachten. Das Teleskop würde während der ersten drei Minuten in drei Teile unterteilt bleiben. Jeder Teil sollte für einen anderen Spektralausschnitt optimiert werden. Dann würden die vierhundert aktiven Segmente des Großen Auges zu einem einzigen wirkungsvollen Instrument vereinigt werden. Die restliche Beobachtungszeit wollte man darauf verwenden, den winzigen Fleck des Kometenkerns inmitten des Dunstschleiers der Koma zu isolieren. Falls sich das als unmöglich erweisen sollte, hatte Amber Vorsorge dafür getroffen, die Gegenwart des Kerns dennoch nachzuweisen.
Die Region, die der Komet P/2085(G) gegenwärtig durchflog, war eine derjenigen mit der größten Sternendichte. Amber hatte dafür gesorgt, dass die Beobachtung der Koma hiervon profitieren konnte. Indem sie die Spektren der durch die Gaswolke hindurchscheinenden Sterne analysierte, konnte sie die Zusammensetzung der Koma bestimmen. Das würde ihr erlauben, auf die Natur des unsichtbaren Kerns zu schließen. Und sollte der Kern einen der Myriaden von Hintergrundsternen verdecken, würde sie so seine Größe direkt messen können.
»Beobachtungsprogramm geladen und gespeichert«, gab Amber bekannt, als sie ihre Arbeit beendet hatte. »Noch zwei Minuten, bis wir die Kontrolle übernehmen können.«
Hermann Meinz nickte. Grayson, Tom Thorpe und er standen alle in einem losen Haufen hinter Amber. Mehrere andere Mitglieder des Observatoriumspersonals warteten geduldig hinter einer Seilabsperrung. Selbst John Malvan, der Revisor der Regierung, hatte sich die Zeit genommen, das Spektakel mitzuverfolgen. Thorpe hatte Malvan auf einer Dinnerparty kennengelernt, die Niels Grayson und seine Frau zwei Tage zuvor gegeben hatten.
»Hallo«, hatte Thorpe nach der Vorstellung gesagt. »Ich habe Sie schon an meinem ersten Morgen hier gesehen. Sie waren in der Kantine mit irgendwelchen Papieren beschäftigt.«
Malvan nickte. »Das ist so ungefähr der einzige Ort, wo ich mich ungehindert ausbreiten kann. Ich muss sagen, ich war höchst erfreut zu hören, dass SierraCorp Interesse an einer Nutzung des Kometen zeigt. Die Lizenzgebühren werden erheblich dazu beitragen, die Finanzprobleme des Observatoriums zu beenden.«
»Das könnte ich mir vorstellen«, sagte Thorpe schuldbewusst. Wenn Halver Smith wirklich die Absicht gehabt hätte, den Kern auszubeuten, dann hätten die jährlichen Zahlungen die Betriebskosten des Observatoriums weit überschritten. Schade nur, dass es nie zu einem Nutzungsvertrag kommen würde. Aber auch dann noch war die Bezahlung für die Option mehr als großzügig. Sie würde die gegenwärtige Krise sicherlich mildern.
»Das Beobachtungsprogramm ist beendet«, teilte Amber ihrem Publikum mit. »Vorbereiten zur Neupositionierung des Teleskops.«
Die Galaxis M31 verblasste auf dem Schirm und wurde von einem Panoramabild des Großen Auges ersetzt. Es war draußen immer noch Nacht, doch die Lichtverstärker zeigten ein verschwommenes grünes Bild. Als das Teleskop herumschwenkte, war es weniger eine Bewegung des Gebildes als Ganzem, sondern mehr eine Reihe voneinander unabhängiger Bewegungen, die von seinen Spiegeln ausgeführt wurden. Es war beinahe so, als beobachte man ein Lebewesen, das aus einem langen Schlaf erwachte.
Zwei Minuten später meldete Amber, dass das Teleskop sein Ziel erfasst hätte und erste Daten hereinkämen. Gleichzeitig erschien ein bevölkertes Sternenfeld auf dem Schirm. Es waren so viele Sterne, dass es schwierig war, den verschwommenen Fleck auszumachen, der ihr Ziel darstellte.
»Was passiert jetzt?«, flüsterte Thorpe nach zehn Minuten, die ohne erkennbare Aktivität verstrichen waren.
»Wir holen Daten ein«, sagte Grayson in normaler Lautstärke. Während er sprach, ertönte ein leiser Laut.
»Was war das?«
»Der Computer verfügt über genügend Daten, um die Struktur der Koma zu rekonstruieren«, gab Amber über ihre Schulter zurück. Sie tippte einen Befehl ein, um ein Bild davon auf den Schirm zu bringen.