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»Nichts dagegen«, erwiderte sie. »Ich habe sowieso noch vier Stunden Dienst.«

Wie die meisten jüngeren der am Farside Observatorium Beschäftigten war Amber als Intra-System-Spezialistin eingeteilt worden, was bedeutete, dass sie für die Bestätigung und Einordnung neugesichteter Kometen und Asteroiden zuständig war. Während ihrer drei Jahre am Observatorium hatte sie ein halbes Tausend Sichtungen überprüft. Die Erregung, die sie anfangs dabei empfunden hatte, war längst verschwunden.

Auf dem Bildschirm vor ihr erschien das Bild eines Himmelsausschnitts. Sie erkannte den offenen Sternenhaufen NGC 2301, der vor zwei Wochen Gegenstand eines langen Beobachtungsprogramms gewesen war. Rund um den Sternenhaufen herum befand sich ein Dickicht von Sternen. Amber ließ ihren Blick rasch über den Bildschirm schweifen. Zunächst fiel ihr nichts Ungewöhnliches auf. Dann wurden ihre Augen von der rechten unteren Bildschirmecke angezogen. Dort entdeckte sie einen schwachen Lichtflecken.

»Das da?«, fragte sie und berührte das Bild mit ihrem Finger.

»Positiv«, erwiderte der Computer. »Dieses Bild wurde vor zehn Tagen um 13:12:15 Weltzeit aufgenommen.«

Amber las die Positionsdaten des Objekts ab und nahm zur Kenntnis, dass es beinahe in der Ebene der Ekliptik und in der Richtung des Sternbilds Einhorn lag. »Wie kommst du darauf, dass es sich um einen Kometen handelt? Dieses Gebiet liegt nahe dem Rosettennebel und dem großen Fleck im Sternbild Orion.«

»Das Spektrum entspricht dem einer typischen Kometenkoma, die von Sonnenlicht zum Leuchten gebracht wird.«

»Dopplereffekt?«

»Ja.«

»Wie groß?«

»So groß, um auf eine Geschwindigkeit von zehn Kilometern pro Sekunde relativ zum Beobachtungsvektor zu schließen.«

»Interessant«, meinte Amber nachdenklich. »Größenschätzung?«

»Keine.«

»Entfernungsschätzung?«

»Keine. Dies ist die einzige Aufnahme des Objekts.«

Amber nickte. Das Fehlen einer Methode zur Entfernungsbestimmung bei Vorliegen nur einer einzigen Aufnahme stellte eines der großen Probleme der Astronomen dar. Um eine Triangulation der Position eines Objekts durchzuführen, musste man entweder zwei Aufnahmen von weit auseinanderliegenden Punkten, oder drei Aufnahmen zu verschiedenen Zeiten von einem einzigen Beobachtungspunkt aus machen.

Amber notierte sich die Einzelheiten der ersten Sichtung, einschließlich der Tatsache, dass nur ein Viertel der Spiegel des Großen Auges aktiv gewesen war. Es war nicht ungewöhnlich, dass das Teleskop in drei selbstständige Untereinheiten aufgeteilt wurde, die gleichzeitig verschiedene Himmelssektoren untersuchten. Gerade die Fähigkeit, mehrere Beobachtungen simultan ausführen zu können, versetzte das Farside-Observatorium in die Lage, mit der Nachfrage Schritt zu halten. Selbst so gab es eine lange Warteliste für das große Teleskop.

»Wann kann Das Große Auge die Sichtung überprüfen?«, fragte Amber.

»In acht Monaten, es sei denn, es kommt zu Streichungen im Programm oder zu unvorhergesehenen Störungen.«

Amber seufzte. »Bring das 60-cm-Teleskop in Position und mach mir eine zweite Aufnahme.«

»Ich kann Ihre Anweisung nicht ausführen. Dieser Himmelsausschnitt ist vor drei Tagen hinter dem westlichen Kraterrand untergegangen.«

»Wann taucht er wieder auf?«

»In zwei Wochen.«

»Sehr schön«, sagte Amber. »Reserviere eine 60-cm-Beobachtung zu einem Zeitpunkt möglichst bald nach seinem Wiederauftauchen. Wenn du das Objekt nicht an seiner früheren Position vorfindest, führe eine Standardvermessung in drei Beobachtungsfeldern um diesen Punkt herum durch. Benachrichtige mich, wenn du deine Aufgabe durchgeführt hast. Wiederhole.«

Der Computer wiederholte Ambers Anweisungen, dann erschien auf dem Bildschirm wieder das Große Auge. Amber wandte sich wieder ihrer übrigen Arbeit zu und dachte nicht mehr an das, was der Computer entdeckt hatte, was immer es auch sein mochte.

Thomas Bronson Thorpe sprang mit einem Satz in den schwarzen Himmel, von dem kein olympischer Athlet auch nur geträumt hätte. Das Geräusch seines Atems war laut in seinen Ohren, als er ein Dutzend Meter hoch über die pockennarbige Ebene aufstieg. Die Sonne befand sich hinter dem Horizont, doch die sichelförmige Erde, mit dem ein wenig volleren Mond unter ihr, stand hoch am Himmel. Der blauweiße Glanz der Erdsichel goss ein zwielichtiges Dämmerlicht über die öde Landschaft des Felsens. Als er den höchsten Punkt seiner Flugbahn erreicht hatte, ließ Thorpe seinen geschulten Blick über die kleine Welt schweifen. Überall um ihn herum erstreckte sich das Wirrwarr der Schwerindustrie. Den meisten wäre es wie ein sich von Horizont zu Horizont erstreckender Schuttabladeplatz erschienen, für Tom Thorpe stellte jede leere Gasflasche und jedes gebrauchte Kabelstück ein Zeugnis des menschlichen Triumphs über ein gleichgültiges Universum dar.

Seinem Namen zum Trotz war der Gesteinsanteil des Felsens äußerst gering. Genau genommen bestand er fast ausschließlich aus Nickelerz. Milliarden Jahre lang war der Asteroid seiner elliptischen Bahn um die Sonne gefolgt und war dem wunderschönen blauweißen Planeten nur gelegentlich nahe gekommen. Wegen seines kleinen Durchmessers – vier Kilometer – und der Zehn-Grad-Neigung seines Orbits war der Felsen lange Zeit der Aufmerksamkeit entgangen. Mit seiner Anonymität war es im Jahre 2037 vorbei. In jenem Jahr hatte er sich Luna auf weniger als zwei Millionen Kilometer genähert, der naheste Vorbeiflug des Felsens seit mehr als einem Jahrhundert.

Der Asteroid hätte selbst dann noch unbemerkt bleiben können, wenn seine Entdeckung allein den optisch arbeitenden Astronomen überlassen gewesen wäre. Diese hatten ihre Instrumente weit über den cislunaren Raum hinaus ausgerichtet; genau genommen in den Raum jenseits des Sonnensystems. Ihr Interesse galt explodierenden Galaxien und weit entfernten Quasaren. Sie hatten die prosaische Beschäftigung, zur langen Liste der sich der Erde nähernden Asteroiden einen weiteren unbedeutenden Planeten hinzuzufügen, hinter sich gelassen.

Glücklicherweise wurde der Raum zwischen Erde und Mond seit langem von Radargeräten zum Zwecke der Verkehrskontrolle überwacht. Bei der Annäherung des Felsens kam es bei einem dieser Geräte zu einer Störung der Messkreise. Anstatt lediglich diejenigen Signale weiterzumelden, für die es gedacht war, begann das Radargerät alles zu registrieren, was sich in seinem Erfassungsbereich befand. Als es ein schnellbewegtes Objekt zwei Millionen Kilometer über Luna meldete, kümmerte sich das Verkehrskontrollzentrum in Luna City sofort darum. Das Zentrum verfolgte den vorwitzigen Asteroiden länger als eine Stunde, bis er hinter seinem lokalen Horizont verschwand. Die Verkehrslotsen ermittelten die Flugbahn des mysteriösen Objekts. Sie gaben die Informationen an die Astronomische Vereinigung weiter, wo sie zwei Jahrzehnte lang nicht beachtet wurden.

Bereits in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts hatte es Pläne gegeben, den mineralischen Reichtum der Asteroiden auszubeuten, und erste Versuche dazu wurden im einundzwanzigsten Jahrhundert angestellt. Alle waren gescheitert. Die Flugzeit und die Entfernungen, die beim Flug zum Asteroidengürtel und wieder retour zurückgelegt werden mussten, hatten den Betrieb der Minen zu teuer gemacht.

Im Jahr 2060 wählte ein Student mit Namen Halver Smith den Asteroidenbergbau zum Thema seiner Doktorarbeit in den Wirtschaftswissenschaften. Smith gelangte zu dem Schluss, dass ein solches Vorhaben nicht notwendigerweise unrentabel sein musste. Schließlich überstieg der Wert eines Kubikkilometers Asteroidenmetall, das zur Erde geschafft wurde, das vereinte Bruttosozialprodukt der drei größten Nationen. Das Problem des mit dem Transport von Versorgungsmaterial zum Asteroidengürtel und dem Abtransport der Produkte zur Erde verbundenen Zeitaufwands blieb jedoch weiter bestehen.