»Du hast es mich glauben lassen.«
Thorpe seufzte und nickte. »Das habe ich. Ich hatte dabei ein schlechtes Gefühl und habe jetzt sogar ein noch schlechteres. Meine einzige Entschuldigung ist, dass das, was ich getan habe, notwendig war.«
»Notwendig, warum?«
Thorpe erzählte Amber von dem Gesetz zur Nationalisierung der Ansprüche des Farside-Observatoriums, das im Parlament eingebracht worden war. »Was hätte ich denn sonst tun sollen?«, fragte er, als er damit fertig war.
Ambers Wut hatte sich, während er gesprochen hatte, sichtlich abgekühlt und einem Ausdruck Platz gemacht, den er nicht zu deuten vermochte. »Aber wie kann das Papier, das ich unterzeichnet habe, überhaupt irgendetwas ändern?«
Er machte den Mund auf, um zu antworten, wurde jedoch von einem Ton unterbrochen, der vom Telefon kam. Eine Schriftzeile lief über den unteren Bildschirmrand und informierte ihn darüber, dass John Mahew Hobart darauf wartete, mit ihm sprechen zu können.
»Hast du Direktor Meinz von unserer Vereinbarung erzählt?«, fragte er.
Amber nickte. »Vor nicht mehr als zehn Minuten.«
»Rate mal, wen er angerufen hat, sobald du aufgelegt hattest.«
»Ich verstehe nicht.«
»Macht nichts. War ein schlechter Scherz. Bleib einen Moment dran, ich habe einen anderen Anruf.«
Er schaltete um und sah sich gleich darauf dem Führer der Nationalpartei gegenüber. Hobarts Gesichtszüge waren verzerrt, weil er sich der Aufnahmeoptik zu sehr genähert hatte. Er sah ebenfalls wütend aus.
»Was, zum Teufel, höre ich da von irgendeiner Abmachung, die Sie angeblich mit Amber Hastings getroffen haben, Thorpe?«
»Sie haben richtig gehört.«
»Worauf sind Sie aus?«
»Ich wahre die Interessen meiner Gesellschaft, Bürger Hobart, so wie Sie die Rechte der Republik schützen. Wollen wir über die Angelegenheit diskutieren?«
Hobart zwinkerte einmal, dachte darüber nach, dann entfernte er sich weiter vom Telefon. Sein Stimmungsumschwung erfolgte so rasch, wie Thorpe es noch nicht schneller gesehen hatte. »Ich wäre an einem Gespräch interessiert. Wann und wo?«
»Heute Abend. Bestimmen Sie den Ort.«
»In meiner Wohnung um achtzehn Uhr.«
»Gut. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Miss Hastings mitbringe?«
»Bringen Sie mit, wen Sie wollen.«
»Bis dann also.«
Hobart schaltete ab, wodurch automatisch wieder die Verbindung mit Amber hergestellt wurde. Er berichtete ihr von seinem Gespräch mit Hobart. »Soll ich dich abholen?«
»Ich finde den Weg allein.«
»Gut. Wir sehen uns später.«
»Darauf kannst du dich, verdammt nochmal, verlassen, dass wir uns sehen werden!«
Als Amber aufgelegt hatte, wandte sich Thorpe vom Bildschirm ab und ließ im Geiste noch einmal Revue passieren, was soeben geschehen war. Es war, sagte er sich, das Beste, was er hatte erwarten können. Er war noch nie ein Mensch gewesen, der sich mit dem abquälte, was hätte sein können. Er konzentrierte sich darauf, seine Argumente zu ordnen.
»Hallo, Mr. Thorpe. Erfreut, Sie wiederzusehen«, sagte Nadia Hobart, als sie Thorpe in ihre Wohnung geleitete. »John ist in seinem Arbeitszimmer.«
»Es ist mir ebenfalls ein Vergnügen, Sie wiederzusehen, Mrs. Hobart. Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen.«
»Unsinn«, erwiderte sie mit einem abschätzenden Blick. »Wenn man mit einem Politiker verheiratet ist, lernt man rasch, dass ein Großteil der Arbeit außerhalb der offiziellen Arbeitszeit getan wird. Wenn Sie mir also folgen wollen …«
Sie führte Thorpe in den gleichen Raum, in dem Hobart seinen Plan erläutert hatte, Eisen gegen Eis zu handeln. Als sie eintraten, war Amber bereits anwesend. Sie saß in einem von Hobarts Sesseln und nippte gerade an einem hochrandigen Glas mit einer rosafarbenen Flüssigkeit. Hobart durchquerte das Zimmer mit dem leichten, raumergreifenden Schritt des geborenen Lunariers. »Ah, Mr. Thorpe. Seien Sie willkommen!«
»Hallo«, sagte Thorpe, indem er die Hand des Parlamentariers ergriff. »Hallo, Amber.«
»Tom«, antwortete sie mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken.
»Ich bat Miss Hastings, früher zu kommen. Ich wollte herausfinden, was genau passiert ist«, erklärte Hobart. »Irgendwelche Erfrischungen?«
»Ja, bitte«, sagte Thorpe. Er nahm im Sessel neben Amber Platz. »Es tut mir leid, dass du deinen Flug verpasst hast.«
»Kein Problem«, erwiderte sie. »Mein Flug nach Miner’s Luck ist für morgen angesetzt.«
Hobart reichte Thorpe ein Glas ähnlich dem, das Amber in Händen hielt. Es war mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt. »Ich meine mich erinnern zu können, dass Sie sich bei unserer letzten Begegnung anerkennend über unseren Wodka geäußert hätten.«
Thorpe nahm den Drink in Empfang, kostete davon und gab bekannt, er sei vortrefflich. Hobart nahm in seinem Sessel Platz und lächelte in Thorpes Richtung. Es lag wenig Humor in diesem Lächeln.
»Ich weiß inzwischen, was wirklich passiert ist, Mr. Thorpe. Ich komme jedoch nicht darauf, warum es passiert ist. Außer Miss Hastings’ Bankkonto aufzustocken, kann ich keinen Sinn in Ihren Handlungen erkennen. Wenn Sie die Freundlichkeit hätten, uns aufzuklären?«
Thorpe zuckte mit den Achseln. »Als ich in Luna City ankam, erfuhr ich, dass meine Gesellschaft kaltgestellt werden sollte, was ihren Anteil am Kometen Hastings betrifft. Ich habe uns einen Rechtsanspruch gesichert, den wir nötigenfalls auch vor Gericht einklagen können. Natürlich würden wir einen Kompromiss vorziehen.«
Hobart musterte seinen Gegner lange. »Warum glauben Sie, einen Rechtsanspruch etabliert zu haben?«, fragte er endlich. »Da Miss Hastings keine Entdeckerrechte an diesem Kometen besitzt, kann sie sie wohl nicht gut an Sie verkaufen.«
»Ich glaube, sie hat welche«, erwiderte Thorpe.
»Das und ein Zehnselenstück verschafft Ihnen in jeder Apotheke der Stadt einen Liter Luft. Nach wie vor gilt, dass das Gesetz über Rechtsansprüche im Weltraum alle Rechte auf zehn Jahre der Entdeckerinstitution zuspricht, und das, Mr. Thorpe, ist das Farside-Observatorium auf Luna.«
»Das Gesetz über Rechtsansprüche im Weltraum spricht von ›einem/einer Individuum/Organisation‹. Das sind Amber und das Farside Observatorium.«
»Machen Sie sich nicht lächerlich«, erwiderte Hobart. »Sie ist Angestellte der Universität von Luna, wird aus öffentlichen Mitteln bezahlt und benutzt öffentliches Eigentum. Die Entdeckerrechte sind das ausschließliche Eigentum der Republik und ihrer Bürger.«
»Dann sollten Sie ihn vielleicht Farside-Observatorium-Komet nennen.«
Hobart konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Touché! Vielleicht sollten wir das tatsächlich. Was haben Sie in dieser Angelegenheit weiter vor?«
»Eine gütliche Vereinbarung zu erlangen, falls möglich, Bürger Hobart; oder Miss Hastings’ Rechte vor Gericht durchzusetzen, falls nötig.«
»Wie können Sie ein Recht durchsetzen, von dem sie nicht einmal glaubt, dass sie es besitzt?«
Thorpe hob die Schultern. »Das zu entscheiden ist Sache des Gerichts.«
»Glauben Sie allen Ernstes, dass es auch nur ein Gericht auf Luna gibt, das sich mit einem so aus der Luft geholten Rechtsstreit befassen würde?«
»Das bezweifle ich«, erwiderte Thorpe. »Da sich der Komet Hastings jedoch nicht in der Nähe des cislunaren Raums aufhält, fällt er nicht in die Zuständigkeit Ihrer Gerichte. Die Angelegenheit wird dem Internationalen Gerichtshof im terranischen Den Haag übertragen werden müssen.«
Hobart schwieg eine Weile, dann dämmerte ihm allmählich die Erkenntnis. »Und wie groß ist im Moment der Rückstand in Den Haag?«
»Zwölf Jahre.«
Hobart nickte. »Bis dahin sind die Entdeckerrechte des Observatoriums vollkommen wertlos. Der Kometenkern wird demjenigen überlassen werden, der als Erster eine permanente Präsenz auf seiner Oberfläche etabliert.«