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»Was ist was, Miss Hastings?«

»Dieser Apparat am Bug des Schiffes?«

»Keine Ahnung«, sagte er und blickte argwöhnisch hinüber. Er drehte sich in der Luft, stieß sich an einem Schott ab und schoss pfeilgleich davon. Innerhalb von fünfzehn Sekunden war er mit einem Fernglas zurück. Er musterte damit den Frachter. Schließlich reichte er es an Amber weiter. »Ich kann’s nicht identifizieren. Was könnte es sein? Sieht wie eine Art von Andockmechanismus aus, oder vielleicht wie eine Erweiterung des Stützrahmens.«

Amber hob das Fernglas an die Augen und wählte maximale Vergrößerung. Eins der Dinge, die sie auf der Erde fasziniert hatten, war die Art und Weise, wie die Atmosphäre weit entfernte Gegenstände verschwimmen ließ. Im Raum gab es keinen solchen Effekt, ergo starrte sie auf das Schiff, als wäre es nur ein paar Dutzend Meter entfernt. Sie schwenkte das Fernglas an der Flanke des Frachters entlang nach vorne, wobei sie die hellen Sichtluken des Wohnmoduls bemerkte. Dann hatte sie die mysteriöse Bugverzierung genau in der Mitte des Sichtfeldes.

Der Winkel der Sonne erschwerte die Beobachtung. Selbst so brauchte sie nicht einmal eine Minute dazu, die verwirrenden Muster aus Licht und Schatten zu sortieren. Als sie den Gegenstand plötzlich erkannte, verschlug es ihr den Atem.

»Was ist los, Miss Hastings?«

»Es ist ein Teleskop, und zwar ein großes! Sieht aus wie mindestens ein Vier-Spiegel-, vielleicht sogar ein Sechs-Spiegel-Verbund-Teleskop. Aber wie, zum Teufel, haben sie denn so ein Ding für die Expedition bekommen?«

Sweeney zuckte mit den Achseln. »Warum fragen Sie sie nicht, wenn Sie da sind?«

»Das werde ich.«

Zehn Minuten später spürte Amber nicht mehr das Bedürfnis, sich danach zu erkundigen, wo Thorpe das Teleskop beschafft hatte. Bei der Annäherung der Orbitalfähre waren sie direkt über dem Buginstrument vorbeigeflogen. Sie identifizierte es sofort als das MST – ultispiegelteleskop -, das vier Generationen von Astronomen unter der liebevollen Bezeichnung ›Big Ugly Six-Pack‹ vertraut gewesen war. Wegen seines archaischen Spiegeldesigns und seines Gewichts hatte sich nie jemand dafür starkgemacht, das Six-Pack in eine Umlaufbahn zu befördern. Allerdings waren die Frachtgebühren schließlich doch noch bezahlt worden, und Amber vermutete, dass das Teleskop nie wieder zur Erde zurückgebracht werden würde. Trotz seines Alters war es immer noch ein hervorragendes optisches Instrument. Es würde eine willkommene Bereicherung der Gerätesammlung des Farside-Observatoriums bedeuten.

Ein plötzlicher metallischer Ton verkündete, dass die Orbitalfähre erfolgreich an die Admiral Farragut angedockt hatte. Für Amber war das Geräusch das Signal, in die eigentliche 3assagierkabine zurückzuschwimmen und ihr Gepäck aufzusammeln. Ihre zwei Koffer und die Reisetasche schienen jämmerlich wenig, um damit eine Dreijahresreise zu beginnen. Ihr privater Raumanzug, der ihr vor einigen Wochen zugesandt worden war, stellte ihren gesamten übrigen Besitz dar. Dank des plötzlichen Reichtums auf ihrem Bankkonto waren sowohl der Raumanzug wie auch die chiffsoveralls vom Allerfeinsten.

Sie zog die Koffer hinter sich her zur Schleuse, als Sweeney gerade die Innentür öffnete. Hinter der offenen Außentür lag ein kurzer Koppelstutzen. Die ebenfalls offenstehende große Schleuse des Frachters machte den Eindruck eines tiefen Brunnens. Ein grauhaariger Mann schwebte zu einer Seite der 3rachterschleuse und verrenkte sich den Hals, um zu Amber hochzusehen.

»Auf Wiedersehen, Mr. Sweeney«, sagte sie, dem Ingenieur die Hand schüttelnd. »Danke für den Flug.«

»Sie sind stets willkommen, Miss Hastings. Eines Nachts, wenn der Komet hoch am Himmel steht, werde ich meiner Frau und den Kindern von Ihnen erzählen.«

Sie lachte. »Tun Sie das, Mr. Sweeney.«

Sie nahm ihre Koffer an sich und hob sie langsam hoch, bis sie sich in der Mitte des Koppelstutzens befanden. Dann stieß sie sich am Schott ab mit der Absicht, ungehindert von einem Schiff ins andere zu segeln. Doch als sie durch den Außensüll der Fähre schwebte, stieß sie mit dem rechten Schienbein gegen eins der Scharniere der Luftschleuse. Der plötzliche Schmerz ließ ihr dicke Tränen in die Augen schießen, während ihr Körper seitwärts trudelte und augenblicklich gegen die ziehharmonikaartig gefaltete Auskleidung des Koppelstutzens prallte.

»Verdammt!«, murmelte sie und rieb sich das schmerzende Bein, während sie sich abmühte, wieder freizukommen. Sie machte nur geringe Fortschritte dabei, bis eine starke Hand ihren rechten Fußknöchel packte und sie zum Frachter hinunterzog. Verlegen ließ sie ihren Retter die ganze Arbeit tun, während sie sich drauf konzentrierte, das iederherzustellen, was von ihrer Würde übriggeblieben war.

»Na, hallo!«, sagte der weißhaarige Mann, der sie durch die Schleuse gezogen hatte und nun beide Türen zudrehte. »Haben Sie sich verletzt?«

»Mehr meinen Stolz als irgendwas sonst. Danke. Ich hätte doch gedacht, ich käme ein bisschen besser zurecht.«

»Kein Problem«, antwortete er. »Hier draußen kommen einem immer die Beine in die Quere. Die verdammten Dinger sind einfach nicht dafür gemacht, sich durch Löcher zu schlängeln, wissen Sie. Übrigens, ich bin Kyle Stormgaard, Chefingenieur dieser Rostlaube.«

»Amber Hastings.«

»Dachte ich mir doch, dass Sie das sind«, sagte er grinsend. »Das Dämchen hat mir schon gesagt, dass Sie Klasse sind. Übrigens, Sie sind die Letzte, die an Bord kommt.«

»Das ›Dämchen‹?«

»Kapitän Olafson. Wir stellen uns gerne vor, dass die Büchse hier uns gehört, wenn die Bank von Montevideo das vielleicht auch anders sieht.«

»Sie ist Ihre Frau?«

»Bald fünfundzwanzig Jahre«, sagte er stolz. »Praktisch fast genauso lange, wie wir zusammen raumfahren.«

»Sie müssen sich gegenseitig gut kennen.«

Stormgaard lachte. »Glauben Sie mir, Miss Hastings, wenn dieser Flug vorbei ist, dann werden Sie glauben, mit mir verheiratet zu sein – mit mir und mit jedem anderen an Bord ebenfalls. Ein Raumschiff ist kein Ort für einen Klaustrophoben oder jemanden mit einem 3insamkeitsfimmel.«

»Ich bin Lunarierin, Mr. Stormgaard. Ich weiß, dass ich mit Klaustrophobie keine Probleme haben werde. Und was das andere betrifft, sage ich Ihnen in ein paar Monaten Bescheid.«

»Ist okay«, sagte er. »Kommen Sie, dann verstauen wir Ihre Habseligkeiten in Ihrer Kabine. Sie können heute Nacht dort schlafen. Morgen kommen Sie als zahlender Passagier natürlich in den Tank.«

Amber fröstelte. Laut Einsatzplan sollte so gut wie jeder die kommende Reise im Kälteschlaf zubringen. Das war das Einzige, was bei einem so langen Flug Sinn machte. Die benötigten Verbrauchsgüter und die Belastung durch erzwungenen Müssiggang wurden so auf ein Minimum reduziert. Für Ambers Geschmack hatte ein Kältetank jedoch zu viel Ähnlichkeit mit einem Sarg. Sie sah der Erfahrung mit den gleichen Gefühlen entgegen wie dem Besuch beim Zahnplastiker.

Stormgaard, der ihr verstreutes Gepäck aufgesammelt hatte, bemerkte ihren Gesichtsausdruck. »Was haben Sie?«

Sie erzählte ihm von ihrer Aversion gegen den Kälteschlaf.

»Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, versicherte er ihr. »Sie fühlen gar nichts, solange Sie drin sind, altern keinen Tag und, was am wichtigsten ist, brauchen sich sechs Monate lang nicht meine Witze anzuhören. Ich gebe zu, das Aufwachen ist keine wahre Freude, aber die Schmerzen und die Müdigkeit gehen rasch vorbei. Also, ich freue mich darauf.«

»Sie gehen auch in den Tank?«

»Klar«, sagte er. »Unsere Crew besteht aus sechs Leuten. Wir haben drei Paare gebildet. Jedes Paar wird zwei Monate lang wachen und vier Monate lang schlafen. Es gibt nicht besonders viel, was auf einem Schiff, das im freien Fall durchs Vakuum fliegt, kaputtgehen kann, wissen Sie. Ich würde am liebsten die ganze Zeit schlafend verbringen. Kommen Sie, ich bringe Sie zu Ihrem Quartier. Abendessen gibt’s um achtzehn Uhr, und der Kapitän hat’s nicht gern, wenn sich jemand verspätet.«