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»Wie lange wird es dauern, bis wir die Reisegeschwindigkeit erreicht haben, Kapitän?«, fragte Thorpe, womit er die Geschwindigkeit meinte, mit der sie in einer flachen hyperbolischen Kurve zum Jupiter getragen würden. Die den geringsten Energieaufwand erfordernde Flugbahn hätte drei Jahre erfordert und sie lange nach dem Vorbeiflug des Kometen zu dem Planeten gebracht. Sie würden den 800-Millionen-Kilometer-Abgrund zwischen den Planeten in nur sechs Monaten überbrücken. Dazu musste ihre Geschwindigkeit die Fluchtgeschwindigkeit des Sonnensystems überschreiten. Wenn dem Schiffsantrieb unterwegs etwas zustieß, würden sie ihren Flug ins All in alle Ewigkeit fortsetzen.

»Wir fliegen drei Stunden und sechzig Minuten unter Schub, Mr. Thorpe. Ich habe vor, eine Stunde lang alles genauestens zu beobachten und dann Anweisung zu geben, mit den Vorbereitungen zum Kälteschlaf zu beginnen. Habe ich Ihre Erlaubnis fortzufahren?«

»Äh … ja«, sagte Thorpe, als ihm klar wurde, dass ihm eins auf den Deckel gegeben worden war, weil er den Kapitän in einem kritischen Moment unterbrochen hatte. »Fahren Sie fort.«

»Sehr schön«, sagte Kapitän Olafson. »Chefingenieur, machen Sie die erste Antimaterieinjektion in zehn Sekunden! Mr. Rodriguez, drücken Sie auf die Hupe!«

Ein heiserer Alarm gellte plötzlich durch das Schiff. Dann machte Kapitän Olafson die letzte Durchsage selbst.

»Achtung, an alle. Fertigmachen für vollen Schub, zehn … neun … acht … sieben … sechs … fünf … vier … drei … zwei … eins … jetzt!«

Eine sanfte Hand drückte Thorpe in seine Couch, als die 100.000 Grad heiße Flamme aus der Magnetdüse am Heck der Admiral Farragut schlug.

Ihre lange Reise zum Jupiter hatte begonnen.

13

Es bedeutete nicht nur, dass man wiederbelebt wurde. Es tat weh … schrecklich weh!

Während sie mühsam das Bewusstsein wiedererlangte, konzentrierte sich Amber Hastings auf den Schmerz. Er war das einzig Reale in ihrem Universum und, in gewisser Hinsicht, auch willkommen – denn wenn sie Schmerz empfand, musste sie lebendig sein. Abgesehen vom Schmerz gab es noch die Kälte. Tausend eiskalte Messer schnitten in ihr Fleisch, wo immer sie mit nacktem Metall in Berührung kam.

Sie öffnete ihre Augen zum ersten Mal ganz. Zwei Zentimeter über ihrem Gesicht befand sich ein Gebilde aus geschwungenem Glas, das sich abwechselnd beschlug und wieder klar wurde. Sie beobachtete den Wechsel mit halbherzigem Interesse. Der Nebel schien sich jedes Mal beim Einsetzen eines Schmerzes in der Rippengegend zu verdichten und bei seinem Nachlassen zu verflüchtigen.

Sie zwang sich dazu, tief einzuatmen. Das Glas beschlug sich noch stärker, doch ihr müdes Gehirn begann auf die vermehrte Sauerstoffzufuhr zu reagieren. Sie erinnerte sich daran, wo sie sich befand und warum.

Ihr Name war nach dem Start der Admiral Farragut als sechster aufgerufen worden. Sie hatte sich in der auf der Mittelachse hinter dem Kontrollraum gelegenen Kabine gemeldet, wo ihr Dr. Barnard eine goldene Flüssigkeit injiziert, sie sich nackt hatte ausziehen lassen und ihr in das aus Glas und Metall bestehende Innere des Tanks geholfen hatte. Als Amber an die Leitungen angeschlossen wurde – ein zutiefst erniedrigender Vorgang -, hatte sie ihre Augen kaum noch offen halten können. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war das gurgelnde Geräusch, als der mit Sauerstoff angereicherte Fluorkohlenwasserstoff in ihre Lungen strömte. Sie hatte ihn auszuhusten versucht, jedoch feststellen müssen, dass sie es nicht konnte. Dann hatte sie das Bewusstsein verloren.

Nachdem sie die Orientierung wiedererlangt hatte, griff Amber nach dem Öffnungshebel. Erst beim dritten Versuch konnte sie die Kraft aufbringen, ihn zu ziehen. Sie beobachtete, wie die Glashaube langsam von ihrem Gesicht glitt. Sie blieb unbewegt, erschöpft liegen und atmete in rauen Stößen. Doch sie brauchte nicht lange liegenzubleiben. Sobald die Deckhaube zurückgefahren war, erschien ein Besatzungsmitglied und half ihr, sich aufzusetzen.

Ein plötzlicher Schwindelanfall ließ sie krampfhaft würgen. Als es vorbei war, sackte sie zusammen und lehnte ihre Stirn an das Oberteil des Tanks. Sie blieb in dieser Haltung, bis vor ihren Augen keine schwarzen Flecken mehr waberten. Endlich fühlte sie sich stark genug, sich aufzusetzen und umzusehen.

»Geht’s jetzt besser?«, fragte der Mann.

»Ein bisschen«, antwortete sie. Ihre Stimme war ein raues, kratzendes Geräusch in ihren Ohren. »Tut mir leid, aber ich komme einfach nicht mehr auf Ihren Namen.«

»Raumfahrer erster Kategorie Bernardo Velduccio, Miss Hastings.«

»Haben wir es geschafft, Mr. Velduccio? Haben wir den Jupiter erreicht?«

»Wir brauchen noch eine Woche.«

»Wer ist wach?«

»Die ganze Crew, Mr. Thorpe, die Barnards, John Malvan und jetzt auch Sie.«

»Und der Komet?«

»Wir können ihn mit dem bloßen Auge sehen. Er ist ein kleiner Nebelfleck hinter dem Jupiter.«

»Ich will ihn selbst sehen«, sagte sie und straffte sich, um aus dem Tank zu klettern.

»Jetzt noch nicht«, erwiderte er, während er sie sanft auf die Liege drückte. »Zuerst muss ich eine Infusion machen. Anschließend möchte die Ärztin Sie untersuchen. Dann wollen Sie bestimmt duschen und frische Kleidung anziehen. Glauben Sie mir, Sie sollten den 3ekantierungsvorgang nicht überstürzen. Es würde Sie nur schwächen und Ihre Schmerzen verlängern.«

Amber lehnte sich gegen das gepolsterte Ende des Tanks zurück. Irgendwie hatte das Metall seine anfängliche Kälte verloren. Bei der Erwähnung von frischer Kleidung war sie daran erinnert worden, dass sie überhaupt nichts anhatte. Sie wunderte sich darüber, wie sie hier nackt sitzen und sich ruhig mit einem Fremden unterhalten konnte. Sie sagte sich, dass der Apparat ihr Drogen eingeflößt haben musste, die, unter anderem, das Schamgefühl ausschalteten.

Nach einer Viertelstunde hatte sie sich so weit erholt, dass sie aus eigener Kraft aus dem Tank klettern konnte. Nach einer heißen Dusche kleidete sie sich mit Velduccios Hilfe unbeholfen an, dann ließ sie sich von ihm zur Krankenstation schleppen. Die Admiral Farragut befand sich in freiem Fall, was die Fortbewegung gleichzeitig komplizierter und leichter machte, als es unter der Einwirkung von Schwerkraft der Fall gewesen wäre. Tom Thorpe erwartete sie bereits.

»Irgendwelche Probleme?«, fragte Thorpe Velduccio, während er dabei half, Amber zu einer Untersuchungsliege zu geleiten. Die beiden Männer schnallten sie darauf fest. Sie trugen beide Schiffsstiefel, deren Klettsohlen am Decksboden hafteten.

»Keine«, antwortete Velduccio. »Sie hat sich so schnell gefangen wie nur irgendeiner.«

Amber, die sich schwach wie ein Baby fühlte, blickte zu Thorpe hoch. Er hatte sich verändert, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Seine Sonnenbräune war verblasst, und er hatte an Gewicht verloren. Sie war sich nicht sicher, aber sie hatte den Eindruck, dass in sein Haar auch mehr Grau gekommen war. Sie fragte sich, wie sie wohl auf ihn wirkte.

»Hallo«, sagte sie schwach. »Ich hatte eigentlich erwartet, dein Gesicht zu sehen, als ich den Tank aufmachte.«

»Der Kapitän hat mir befohlen wegzubleiben. Sie meinte, ich würde nur im Wege sein. Wie fühlst du dich?«

»Ungefähr so, wie ich aussehe«, sagte Amber. »Ich glaube, ich will nicht mehr sterben, aber weiterzuleben reizt mich auch nicht besonders.«

»Du hörst dich großartig an! Ich konnte kaum sprechen, als sie mich 3ierhergebracht haben.«

»Vor wie langer Zeit?«

»Einer Woche.«

»Wie läuft es?«

»Gut. Wir liegen genau im Zeitplan und haben Kontakt mit Callisto Control. In einer Woche sind wir dort. Zwei Wochen darauf wird der Komet das Jupitersystem durchfliegen, und wir können uns endlich an die Arbeit machen. Übrigens, auf dich warten Nachrichten vom Farside-Observatorium aus sechs Monaten. Ich hab sie mal durchgeblättert. Sie haben die Berechnung der Orbitalparameter ziemlich verbessert. Der Kapitän möchte, dass du die Daten für die Einsatzplanung nach Callisto durchsiehst.«