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HALVER SMITH, BEKANNTER AMERIKANISCHER UNTERNEHMER, BESUCHT HEUTE DEN HAAG. ER WIRD MIT CONSTANCE FORBIN, CHEFKOORDINATORIN DES SYSTEMRATES, IN IHREM NEUEN BÜRO IM RIDDERZAAL ZUSAMMENTREFFEN. OBWOHL DER GEGENSTAND IHRER GESPRÄCHE NICHT ÖFFENTLICH GEMACHT WURDE, VERLAUTET AUS KREISEN DER RATS-BÜROKRATIE, SMITH WERDE SICH UM DIE UNTERSTÜTZUNG DER CHEFKOORDINATORIN FÜR EINE INTERNATIONALE VEREINBARUNG ÜBER EXTRATERRESTRISCHE ZOLLGEBÜHREN BEMÜHEN, WIE SIE AUF METALLE AUS DEM ASTEROIDENBERGBAU ERHOBEN WERDEN. MAN ERWARTET KEIN KOMMUNIQUÉ IM ANSCHLUSS AN DAS TREFFEN.

ENDE

Constance Forbin saß in ihrem Büro im fünfzigsten Stock und schaute aus dem Fenster auf Den Haag hinaus. In der Ferne lag der historische Stadtkern einschließlich des Binnenhofs und des Hovijver Teichs. Der Teich war hinter den Reihen imposanter Gebäude nicht zu erkennen, doch die kahlen Äste der Bäume am Rande des Kanals reckten sich wie eine randomistische Skulptur von Anfang des Jahrhunderts in den bleiernen Himmel. Der über Nacht gefallene Schnee bedeckte die Straßen und Parks der ehemaligen Hauptstadt der Niederlande und lag in hohen Haufen, wo er vom steilen Dach der alten Burg heruntergerutscht war. An einem Dutzend Stellen in der Altstadt markierten orangefarbene Blinklichter die Positionen der Schneeräumungsroboter. Die Geräte waren die ganze Nacht unterwegs gewesen und hatten einen aussichtslosen Kampf geführt, um die Straßen freizuhalten. Jetzt, da es aufgehört hatte zu schneien, würden sie die Stadt rasch wieder ausgraben. Innerhalb von achtundvierzig Stunden würden in der Stadt alle Spuren des eben vorbeigegangenen Schneesturms beseitigt sein.

Das ansonsten tiefschwarze Haar der fünfzigjährigen Constance Forbin wies eine charakteristische graue Strähne auf. Ihr Kostüm war auf eine Art streng geschnitten, die ihrer Figur schmeichelte, die, wie selbst Constance zugeben musste, einen Anflug von Plumpheit hatte. Sie lächelte, als sie auf den Park hinunterspähte, der vor dem New Ridderzaal-Tower lag. Im Sommer war dort ein Meer von Grün, und es wimmelte von Blumenbeeten und den einfachen Grünpflanzen, mit denen die Holländer ihre Landschaft verschönerten. Im Moment war es eine öde weiße Fläche, die an den salzverkrusteten Meeresboden erinnerte, der dieses ganze Gebiet einst gewesen war. Zwei Kinder durchquerten den Park in diagonaler Richtung und hinterließen mit dem Schlitten, den sie hinter sich herzogen, eine breite Fährte. Näher dem Büroturm zu tauchte von einem Moment zum andern eine Fußgängermenge aus der U-Bahnstation. Die Mehrheit der vermummten Pendler eilte über die windgepeitschte Straße und in die Wärme des Hauptgebäudes des Systemrates für internationale und interplanetarische Angelegenheiten.

Der Rat war zur Jahrhundertwende als eine der letzten Schöpfungen der Vereinten Nationen gegründet worden, bevor sie aufgelöst wurden. Er hatte das Mandat erhalten, einen Blick auf Dinge zu werfen, die ein Jahrhundert später Bedeutung gewinnen sollten. Die Aufgabe des Rates bestand darin, Trends zu untersuchen, vorherzusagen, wohin sie führen könnten, und Empfehlungen zu geben, was, wenn überhaupt, daran zu ändern sei.

Trotz der Auflösung seiner Mutterorganisation hatte sich der Rat günstig entwickelt. Auch wenn seine Arbeit weiterhin von den größeren terrestrischen Nationen und der Republik Luna finanziert wurde, war der Rat doch niemandem verpflichtet. Für den Rat wurde man auf spezielle Einladung hin tätig. Die normale Vorgehensweise des Rats bestand darin, eine kleine Arbeitsgruppe von Experten einzurichten, die auf einem bestimmten Gebiet über Kenntnisse verfügten. Diese Gruppen wurden aus Gründen der Effizienz klein gehalten, doch sie waren groß genug, um geistige Inzucht zu verhindern. Die Gruppendiskussionen wurden für gewöhnlich mittels Konferenzschaltung und über Computernetze durchgeführt, obwohl auch persönliche Treffen nicht unüblich waren.

Wenn eine Arbeitsgruppe ihren Auftrag erfüllt hatte, wurden ihre Empfehlungen an die zentrale Datenverarbeitung übermittelt. Dort waren sie ein ganzes Jahr lang jedermann zugänglich, um den zehntausend ›Beratern‹ des Rates Gelegenheit zu Kommentaren und Kritik zu geben. Erst wenn sämtliche Vorschläge und Einwände berücksichtigt worden waren, wurde eine Empfehlung vom ganzen Rat gebilligt. In Übereinstimmung mit dem halb offiziellen Status der Organisation, war eine solche Empfehlung für niemanden verbindlich. Dennoch wurden die meisten von ihnen von zahlreichen Nationen rasch als offizielle Politik übernommen. So groß war die Autorität des Systemrates.

Constance Forbin gehörte an sich nicht dem Rat an. Genau genommen war sie eine seiner Angestellten. Sie und 3000 andere Bedienstete unterstützten die Arbeitsgruppen in dministrativen Belangen und sorgten dafür, dass sie ungestört nachdenken konnten. Als Chefkoordinatorin war es ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Arbeit unparteiisch geleistet wurde, dass Meinungsverschiedenheiten offen ausdiskutiert wurden und dass Minderheitsmeinungen Gehör fanden. Sie überwachte außerdem die verschiedenen supranationalen Dienstleistungsorganisationen, die im Laufe der Zeit unter die Kontrolle des Rates gefallen waren, von denen Sky Watch und das Erdbeben-Prognose-Zentrum die wichtigsten waren. Und natürlich war es ebenfalls die Aufgabe der Chefkoordinatorin, sich um die Öffentlichkeit zu kümmern.

Constances Vergnügen an der Winterszene wurde plötzlich vom Summen der Sprechanlage gestört. »Professor Hardesty ist eingetroffen, Madame Forbin.«

»Bitte schicken Sie ihn rein.«

Die Tür öffnete sich, und ein Mann mit krummem Rücken hinkte herein. »Ein glückliches neues Jahr, Constance. Und wie geht es der Chefkoordinatorin an diesem wunderschönen Wintermorgen?«

»Nicht schlecht, Franklin. Wie geht es dem Direktor von Sky Watch?«

»Könnte nicht besser gehen«, antwortete er. »Bin gestern gerade rechtzeitig vor dem Unwetter angekommen und habe den ganzen Abend beobachtet, wie es schneit. Ich stamme aus Kalifornien, und es kommt mir immer irgendwie unnatürlich vor, weiße Flocken vom Himmel fallen zu sehen.«

»Sie sollten hier leben, so wie ich während der letzten zwanzig Jahre. Der Reiz des Neuen lässt rasch nach. Es ist schade, dass es so bedeckt ist. Die Meteorologen meinten, es würde heute aufklaren. Sieht so aus, als hätten sie sich geirrt.«

»Geschieht ihnen ganz recht. Wir haben ein paar Wettertypen an Bord der Newton Station, die eindeutig zu viel Zeit mit Selbstbeweihräucherung verbringen. Eine Portion mehr Bescheidenheit würde denen allen nicht schlecht bekommen. Also dann, warum konnten wir das nicht wie sonst über Konferenzschaltung erledigen? Was ist denn so wichtig, dass ich persönlich runterkommen musste? Ich bekomme Plattfüße von dieser Schwerkraft!«

»Ich weiß nicht. Sie haben schon von Halver Smith gehört, nicht wahr?«

»Natürlich. Seine Erztransporte verursachen mir die größten Kopfschmerzen. Haben Sie eine Ahnung, wie viel Rechenzeit wir verbrauchen, um die Flugschneisen für Smiths Koffer freizumachen? Das letzte Mal, als er eine seiner Millionen-Tonnen-Monstrositäten abgeliefert hat, waren meine Leute verdammt nahe daran, die Sicherheitszone einer dieser großen Komm-Stationen zu verletzen. Ich habe mehrere Verweise wegen dieses Vorfalls erteilt. Was ist mit Smith?«

»Wir werden ihm in ein paar Minuten begegnen«, antwortete Constance.

»Weshalb?«

»Ich wünschte, ich wüsste es. Professor Kanzler von der Universität von Kalifornien hat das Gespräch arrangiert. Er hat mich zu Hause angerufen, mir gesagt, dass ich unbedingt mit Smith sprechen müsste und darum gebeten, dass Sie persönlich anwesend sind. Kanzler legt sehr viel Wert darauf, dass die Besprechung nicht über Komm geführt wird.«

»Damit sind wir auch nicht schlauer. Immerhin, Erwin ist ein guter Mann. Ich glaube, er hätte nicht darum gebeten, wenn es nicht wichtig wäre.«

»Das dachte ich mir auch«, sagte Constance. »Ich wünschte nur, er wäre mir gegenüber etwas offener gewesen. Er war offensichtlich wegen irgendetwas aufgeregt. Ich hatte den Eindruck von noch einer anderen Emotion unter der Oberfläche. Es war beinahe so, als hätte er vor irgendetwas Angst gehabt.«