»Was hat das mit Mr. Smiths Behauptung zu tun, Franklin?«
»Der Komet Hastings hat vor weniger als einem Monat Jupiter in einer Entfernung von einigen Planetendurchmessern passiert. Das bringt Jupiter in die Ebene der Umlaufbahn des Kometen. Wenn er zum Zeitpunkt des Zusammentreffens nicht gerade die Ekliptik durchflogen hat, dann bindet uns Mr. Smith einen Bären auf. Die Übereinstimmung muss übrigens vollkommen sein. Wenn sich der dicke Brocken nur ein paar Bogensekunden über oder unterhalb der Ekliptik befunden hat, dann fliegt der Komet vorbei.«
Constance Forbin lächelte. »Nun, dann lassen Sie uns herausfinden, wo sich Jupiter befunden hat.«
Hardesty erhob sich aus seinem Sessel und humpelte dorthin, wo sich neben dem Schreibtisch der Koordinatorin die Workstation befand. Nachdem er einige Sekunden lang Tasten gedrückt hatte, runzelte er die Stirn.
»Nun, Franklin?«
»Die gegenwärtige Deklination des Jupiter – seine Position relativ zur Ebene der Ekliptik – beträgt minus 0,002 Winkelgrade.«
»Wann hat er die Ekliptik tatsächlich gekreuzt?«, fragte Smith ruhig.
»Vor einem Monat«, musste Hardesty zugeben.
»Dann trifft Mr. Smiths Behauptung zu, Franklin?«
»Möglicherweise. Jedenfalls ist sie immer noch nicht sehr wahrscheinlich. Sie können sich nicht vorstellen, wie winzig ein Ziel wie die Erde ist, wenn man sich die riesige Weite des Raums vergegenwärtigt.«
»Stimmt das, Mr. Smith?«
»Vollkommen, Madame Forbin. Professor Kanzler bat mich, Folgendes zu betonen: Wir können nicht dafür garantieren, dass der Komet die Erde zu diesem Zeitpunkt treffen wird, sondern nur, dass er sie treffen könnte. Wir benötigen weitere Präzisionsmessungen der Orbitalparameter, um eine sichere Aussage machen zu können. Er schlägt vor, dass wir sie so rasch wie möglich durchführen. Wir müssen uns Sicherheit verschaffen, ehe es zu spät ist, etwas zu unternehmen.«
Donald Callas saß in seinem Büro auf dem Asteroiden Avalon und starrte zu einem schwarzen Himmel voller glitzernder Diamanten hinauf. Eines dieser Lichtpünktchen zog seine Aufmerksamkeit in besonderem Maße auf sich. Es war ein merkwürdig verlängerter Klecks, der hell genug war, um ein Nachbild zu hinterlassen. Callas stellte die Leuchtanzeigen über seinem Kopf dunkler und wühlte in den unteren Schubladen seines Schreibtischs nach seinem Fernglas. Nachdem er einen Moment lang an der Optik herumgespielt hatte, zeigte sich, dass der verlängerte Stern aus zwei nahe beieinander schwebenden Himmelskörpern bestand. Der kleinere von beiden verblasste beinahe neben dem größeren, der von leuchtender blauweißer Färbung war. Callas seufzte, während er Erde und Mond über einen Zehn-Millionen-Kilometer-Abgrund hinweg anstarrte.
Es lag fünf Jahre zurück, dass Callas das letzte Mal einen Fuß auf die Erde gesetzt hatte. Es kam ihm wie ein ganzes Leben vor. Zu dieser Zeit hatte sich Avalon kurz hinter der Umlaufbahn der Venus bewegt, wobei er sich gelegentlich dem totgeborenen Zwilling der Erde bis auf zwei Millionen Kilometer genähert hatte. Callas’ Aufgabe war es gewesen, den riesigen Asteroiden in eine Umlaufbahn zu befördern, die für den Abbau besser geeignet war. Ein halbes Jahrzehnt und ein Dutzend Kilogramm Antimaterie später kreiste Avalon in einem Abstand von 140 Millionen Kilometern um die Sonne. Die Umlaufbahn des Asteroiden bewirkte, dass er regelmäßig die Erde überholte. Avalon und das Erde-Mond-System hatten sich zweimal in Konjunktion befunden, seitdem die rbitalmodifizierung begonnen hatte. Jedes Mal waren Erde und Luna am schwarzen Himmel über Avalon größer, heller und schöner geworden.
In zwei Jahren würde sich Avalon der Erde mit ausreichend hoher Geschwindigkeit nähern, dass er den Planeten in einer sanften S-förmigen Kurve umrunden würde. Dann würde ein kompliziertes Manöver folgen, in dessen Verlauf Erde und Luna den widerspenstigen Asteroiden einfangen würden. Avalons Anfangsorbit um die Erde würde stark elliptisch sein und sich in der einen Richtung bis zum Mond erstrecken und in der anderen bis auf geosynchrone Höhe hinabkrümmen. Die dem Einfangen folgenden Monate und Jahre würde man darauf verwenden, die Umlaufbahn des Asteroiden zu runden. Keines dieser Manöver würde jedoch Callas noch im Mindesten betreffen. Sein Vertrag würde in dem Moment erfüllt sein, wenn Avalon seinen ersten Umlauf um die Erde abgeschlossen hatte. Einmal rund um Mutter Erde, und er würde als reicher Mann nach Hause zurückkehren, und niemals wieder fortgehen.
Callas starrte noch mehrere Minuten lang auf die wunderbare blauweiße Welt, die tief über dem öden Horizont des Asteroiden stand. Schließlich ließ er seufzend sein Fernglas sinken und stellte die Beleuchtung wieder hoch. Die vollkommene Schwärze hinter der Fensterscheibe kehrte zurück. Er wandte sich wieder den endlosen Mängellisten zu, die sein persönliches Fegefeuer waren.
20
John Malvan schwebte in die Messe der Admiral Farragut und schwang sich zur Essensausgabe, wo er Kaffee, Toast und Orangensaft wählte. Das Gerät spuckte ein verschweißtes Frühstückspäckchen aus, das er sich unter seinen rechten Armstumpf klemmte. Als er sich umdrehte, entdeckte er, dass ihn Hilary Dorcester von der anderen Seite des Raumes aus beobachtete.
»Du bist der erste Mensch, den ich lächeln sehe, seit wir die schlimmen Neuigkeiten erfahren habe«, sagte er. »Was ist denn so lustig?«
»Nichts ist lustig«, erwiderte sie. »Ich habe nur beobachtet, wie du mit der Schwerelosigkeit zurechtkommst. Ich bin immer noch so unbeholfen wie ein neugeborenes Baby.«
»Gestern Abend warst du nicht unbeholfen«, sagte er.
»Wie galant von Ihnen, das zu erwähnen, Sir! Aber ich frage mich doch, ob ich jemals so gut zurechtkommen werde wie du.«
Er zuckte mit den Achseln. »Das ist alles nur eine Frage der Technik. Du kapierst es schon noch.«
»Glaubst du wirklich?«
»Jeder kapiert es irgendwann«, sagte er, befestigte sein Frühstückspaket am Tisch und löste den Kaffeebeutel aus seinem Fach. Er nahm einen langen, langsamen Schluck von der schwarzen Flüssigkeit und seufzte. »Das ist genau das, was ich am Morgen brauche! Ohne meinen Kaffee kann ich mich nicht einmal dem Enthaaren stellen, geschweige denn dem Ende der Welt.«
»Irgendwas Neues von der Erde? Hat man wenigstens unsere Warnung bestätigt?«
»Noch nicht. Im Vertrauen, ich glaube, man hat die Daten decodiert, sich gesagt, dass wir hier oben alle sturzbesoffen sind, und alles wieder vergessen.«
»Glaubst du das wirklich?«
Malvan war über die Intensität ihrer Frage überrascht. Er grinste. »Nein, selbstverständlich nicht! Lass ihnen Zeit! Es muss schwierig sein, alles zu organisieren, ohne eine öffentliche Panik auszulösen.«
»Diese Heimlichtuerei ist grundfalsch!«, zischte Hilary. »Wir sollten die Neuigkeiten in die ganze Welt hinausschreien.«
Malvan schüttelte den Kopf. »Sorry, aber das ist genau das, was wir nicht tun sollten.«
»Wenn der Komet wirklich die Erde treffen sollte, haben die Menschen dort ein Recht darauf, Bescheid zu wissen. Sie sollten an den bevorstehenden Entscheidungen beteiligt sein.«
»Weshalb?«
»Weil ihr Leben auf dem Spiel steht!«
Malvan seufzte. »Hast du jemals einen Ansturm auf eine Bank erlebt, Hilary?«
»Wie denn? Es ist fünfzig Jahre her, dass die letzte Bank zusammengebrochen ist.«
»Auf der Erde vielleicht. Auf dem Mond passiert das noch immer mit deprimierender Regelmäßigkeit. Das Institut, an das ich dabei denke, war eine regionale Sparkasse. Irgendwie entstand das Gerücht, der Direktor habe stark in ein Tunnelprojekt investiert, bei dem es zu einer Explosion und starkem Luftverlust gekommen war. Das Gerücht stimmte nicht. Die Bank hatte nur eine geringe Beteiligung an dem Tunnel. Es machte keinen Unterschied. Innerhalb einer halben Stunde mussten sie ihren Computer abstellen, weil verängstigte Anleger ihre Rücklagen auf null gebracht hatten. Niemand hat ihnen je wieder vertraut. Die Bank ging ein, und der Direktor brachte sich um.«