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»Dann ist die Erde verloren!«, sagte Hilary Dorchester von ihrem Platz an John Malvans Seite aus.

»Nicht zwangsläufig«, erwiderte Amber. »Wissen Sie, es ist nicht unbedingt notwendig, die Flugbahn des Kometen zu verändern. Wir können auch einfach nur seinen Zeitplan ändern! Das lässt sich viel einfacher bewerkstelligen.«

»Natürlich«, sagte Professor Chen. »Wenn wir den Kometen dazu bringen können, früher am Kollisionspunkt einzutreffen, dann wird es keine Kollision geben!«

»Genau.«

»Wie viel früher?«

»Ausgehend von den vorliegenden Daten«, antwortete Amber, »gehe ich davon aus, dass wir während der nächsten achtzehn Monate drei Minuten gewinnen müssen. Darin ist die perspektivische Verkürzung durch den spitzen Annäherungswinkel des Kerns berücksichtigt.«

»Das klingt gar nicht schlecht«, sagte Chen. »Was bedeutet das in Geschwindigkeit ausgedrückt? Hat jemand einen Rechner dabei?«

»Es läuft auf eine 0,0005%ige Erhöhung der Geschwindigkeit des Kerns hinaus. Wenn wir seine gegenwärtige Geschwindigkeit auch nur um fünf Zentimeter pro Sekunde erhöhen können, wird er die Erde um tausend Kilometer verfehlen.«

Einen Moment lang war es ruhig, dann brach ein Gebrüll los, als ein Dutzend kompetente Stimmen ihre Vorschläge zur Beschleunigung des Kometen machten. Als sie einsah, dass die Aufregung ansteckend war, gab Amber es auf, erklären zu wollen, dass der Zahl, auch wenn sie winzig war, sechzig Billiarden Tonnen eine herkulische Dimension verliehen.

»Amber, warte auf mich!«

Amber hielt an und drehte sich in der Luft mit der ein wenig unbeholfen wirkenden Wende unter Schwerelosigkeit. Tom Thorpe schwebte zu ihr heran.

»Hallo«, sagte sie, als er sie eingeholt hatte.

»Ebenfalls hallo. Wo hast du denn gesteckt? Ich bekomme dich kaum noch zu sehen.«

»Professor Barnard und ich hatten zu tun. Wir überprüfen noch einmal genau unsere ganzen Daten.«

»Immer noch auf der Suche nach einem vergessenen Komma?«

Sie nickte.

»Ihr werdet keins finden, das weißt du doch.«

»Ich weiß. Ich komme einfach nicht über das Gefühl hinweg, dass alles meine Schuld ist.«

»Deine Schuld? Weshalb?«

»Der Komet trägt meinen Namen«, sagte sie mit einer Spur Bitterkeit in der Stimme. »Stell dir die Millionen Menschen vor, die meinen Namen verfluchen werden, wenn sie erst einmal Bescheid wissen. Verdammt, ich habe ihnen doch gesagt, dass ich ihn nicht nach mir benannt haben wollte!«

»Ach komm«, versuchte er sie zu beruhigen. »Niemand wird dir die Schuld daran geben. Wenn das kein Akt Gottes ist, dann hat es nie einen gegeben.«

»Schon mal davon gehört, dass die Überbringer von schlechten Nachrichten hingerichtet wurden?«

Er blickte ihr lange in die Augen. »Das macht dir wirklich zu schaffen, stimmt’s?«

Sie seufzte. »Ein bisschen schon, glaube ich. Ich schlafe nicht mehr gut in letzter Zeit.«

»Hast du mit Dr. Barnard darüber gesprochen?« Amber schüttelte den Kopf. »Sie würde mir doch nur ein Schlafmittel verschreiben. Das brauche ich nicht.«

»Ich hab in meiner Kabine eine Flasche Brandy. Was hältst du davon, wenn wir uns einen Drink genehmigen?«

Zum ersten Mal seit Wochen lachte Amber. »Genau daran dachte ich.«

Sie legten bis zu Thorpes Kabine ein Viertel des Wegs rund um das Habitatmodul der Admiral Farragut zurück. Trotz seiner Stellung als xpeditionsleiter war sein Quartier mit denen aller anderen identisch. Optimiert für die Schwerelosigkeit, gab es darin einen Schreibtisch, zwei Stühle, ein Schlafnetz, eine MediaKonsole und eine Vielzahl von Wandschränken für die persönlichen Habseligkeiten. Eine Luke gegenüber der luftdichten Tür führte zu einem zweiten Raum mit Schwerelosigkeitstoilette, Waschbecken und Schwelo-Dusche.

Amber drückte sich an Thorpe vorbei und hüllte ihn dabei in eine Wolke ihres Parfüms. Sie begab sich zu dem weiter entfernten Stuhl und schnallte sich an. Thorpe schloss die Tür, dann schwebte er zu einem der Schränke an der Decke. Er kehrte mit einer Flasche, zwei Trinkblasen und einer Spritze zurück. Die Flasche stammte offensichtlich von der Erde und besaß nicht die besonderen Vorrichtungen, die für den Umgang mit Flüssigkeiten unter ikrogravitation entwickelt worden waren. Thorpe reichte Amber die Blasen, bevor er die Spritze geschickt durch den Korken einführte und sie mit Flüssigkeit füllte. Dann injizierte er die Flüssigkeit in eine der beiden Blasen und wiederholte den Vorgang mit der anderen. Er verstaute die Flasche und die Spritze, ehe er eine der beiden Blasen annahm.

»Skol!«

Amber lächelte, dann nippte sie vorsichtig an der Blase. Sie genoss das milde Brennen der Flüssigkeit, als sie über ihre Zunge und durch ihre Kehle rann. Ein paar Minuten später fühlte sie sich durch und durch warm. »Der ist hervorragend.«

»Muss er wohl auch sein«, erwiderte er. »Stammt aus Halver Smiths Privatvorräten.«

»Ah, reich müsste man sein!«

»Du bist reich, zumindest aber wohlhabend. Erinnere dich, bei dir sammeln sich allmählich die Vorauszahlungen aus deinen Entdeckerrechten an.«

»Schade, dass ich das Geld nie werde ausgeben können.«

Thorpe runzelte die Stirn, dann befestigte er seine Trinkblase umständlich am nahegelegenen stählernen Schott. Der magnetische Boden der Blase hielt sie an ihrem Platz. »Vielleicht sollten wir darüber reden.«

»Worüber?«

»Was dir Kummer macht. Ich vermute, du hast ausgerechnet, wie viel Energie erforderlich ist, um einen Fünfhundert-Kilometer-Ball aus Eis mit fünf Zentimetern pro Sekunde zu beschleunigen.«

»Woher weißt du das?«

»Asteroiden zu bewegen ist mein Job, erinnerst du dich? Wie schlecht steht es?«

»Schlecht«, antwortete sie. »Keiner scheint daran zu denken, dass die Masse des Kerns sechzig Billiarden Tonnen beträgt. Das ist ein Zwanzigstel der Masse des Wassers in allen Meeren der Erde

»Eine ganze Menge«, stimmte er zu. »Also wie schwer wird es sein, dieses Klümpchen zu beschleunigen?«

»Ich schätze, dass dafür etwa 125 Milliarden Tonnen Brennstoff und eine Vierteltonne Antimaterie nötig sind.«

»Und darüber hast du dir Sorgen gemacht?«

Sie nippte an ihrer Blase, dann nickte sie. »Du weißt doch, dass es ein gutes Jahr braucht, bis die Menschheit auch nur fünfundzwanzig Kilo Antimaterie hergestellt hat. Wie sollen wir da zweihundertfünfzig in den nächsten Monaten zusammenbekommen?«

»Mach dir deswegen keine Sorgen. Das ist nicht unser Problem.«

»Nicht unser Problem!«

»Genau das meine ich. Unsere Aufgabe ist es, den Kern zu untersuchen und unsere Erkenntnisse an die Erde weiterzumelden. Wie man die Kollision vermeidet, müssen andere herausfinden. Wenn wir versuchen, ihren Job zusätzlich zu unserem zu übernehmen, dann werden wir keinen von beiden gut erledigen. Das ist eine Situation, wo man sich auf das Nächstliegende konzentrieren und hoffen muss, dass die anderen das Gleiche tun.«

»Dann schlägst du also vor, ich soll vergessen, was ich weiß?«