»Frachtmodul sicher gelandet. Keine Anzeichen von Oberflächenstaub.«
»Weitermachen, Leute, wir gehen runter!«
Der Rest der Landung war ein Kinderspiel. Das riesige, kugelförmige Habitatmodul hallte wider von einigen kurzen Stößen der Steuerdüsen, dann war es still. Fast eine halbe Minute später fühlte sich Thorpe sanft in seinen Sitz gedrückt. Nach allen Seiten hin breitete sich ein seltsam braungrauer Boden aus, während darüber eine geschrumpfte Sonne aus einem pechschwarzen Himmel auf ihn erunterstarrte. Kapitän Olafson begann augenblicklich mit dem Aufrufen der Abschlussprozeduren.
Thorpe atmete hörbar aus. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er den Atem angehalten hatte. Nachdem er eine Weile den Kuppelhorizont gemustert hatte, begann er seine Gurte abzustreifen, plötzlich begierig darauf, wieder frei zu sein. Nach acht Monaten und fast einer Milliarde zurückgelegter Kilometer war die Admiral Farragut endlich am Ziel!
»Sie sind unten«, gab Franklin Hardesty bekannt.
»Sind Sie sicher?«, fragte Constance Forbin.
Der Direktor von Sky Watch nickte. »Newton Station hat soeben die Bestätigung von Kapitän Olafson erhalten. Das Habitat-und das Frachtmodul sind beide erfolgreich gelandet, und man ist gerade dabei, sie im Eis zu verankern.«
»Gute Neuigkeiten«, sagte die Chefkoordinatorin.
»Verdammt gute Neuigkeiten!«, erwiderte Hardesty.
Beide befanden sich in einem abgeschirmten Konferenzsaal im New Ridderzaal Tower, wo sie eine Zusammenkunft der größeren Nationen der Erde moderierten. Die Nordamerikanische Union und das Vereinte Europa waren vertreten, die Democracia du Sud America, die Afrikanische Union, Großchina und Australasien. Constance Forbin hatte das Geheimnis des eigensinnigen Kometen am ersten Versammlungstag enthüllt. Zu ihrer Überraschung hatten die versammelten Repräsentanten die Nachricht mit relativer Ruhe aufgenommen. Ob ihre Reaktion auf ihr mangelndes Verständnis der drohenden Gefahr zurückzuführen war, oder ob ihre Spionagedienste den Sicherheitsrat infiltriert hatten, wusste sie nicht zu sagen. Außerdem hielt sie diese Frage für unbedeutend. Das Geheimnis hatte bestenfalls vorübergehend gewahrt werden können. Die Dinge hatten sich so weit entwickelt, dass die Öffentlichkeit informiert werden musste. Wenn es gelingen sollte, den Kometen abzulenken, dann würde man Vorbereitungen in einem Maßstab zu treffen haben, die für jedermann erkennbar waren.
»Da Ihre Leute nun gelandet sind, was schlagen Sie vor, was geschehen soll?«, fragte der nordamerikanische Vertreter. Er war ein hochgewachsener Mann mit einem permanent finsteren Blick.
»Erkundungen durchführen, natürlich. Es gibt eine Menge, das man nur durch Vor-Ort-Untersuchungen herausfinden kann.«
»Zu welchem Zweck?«
»Wenn wir den Kometen beschleunigen und dazu bringen sollen, dass er die Erde verfehlt, dann müssen wir wissen, an welcher Stelle wir zu schieben haben. Das erfordert eine genaue Kenntnis seiner inneren Struktur. Wir hätten nichts davon, wenn er beim ersten Schub auseinanderfallen würde.«
Die Vertreterin des Vereinten Europa war eine kleine Frau mit einer Zahnlücke, die sich beim Sprechen zeigte. »Ich hätte mir gedacht, dass wir genau das tun würden. Zerblasen wir ihn in Atome, sage ich!«
Franklin Hardesty schüttelte den Kopf. Er war neben Constance Forbin an der Mitte des Konferenztisches platziert. »Der Kern ist zu groß, um ihn mit Sprengladungen zu zerstören. Einmal gibt es dafür wahrscheinlich im ganzen Sonnensystem nicht genug Antimaterie. Zum zweiten, selbst wenn wir die Möglichkeit dazu hätten, würden wir ihn dennoch nicht zertrümmern wollen. Das würde ihn in eine Milliarde Brocken von der Größe kleiner Berge zerrei- ßen. Können Sie sich vorstellen, was mit der Erde geschehen würde, wenn uns einer dieser Brocken treffen sollte?«
»Und stattdessen warten wir darauf, dass er in einem Stück auf uns herunterfällt?«
»Die Arbeitsgruppe in New Mexico ist dabei, das Problem zu analysieren«, versicherte ihr Constance Forbin. »Dort hat man sämtliche Fernbeobachtungsdaten der Admiral Farragut. Sie werden eine Empfehlung vorlegen, wie man in ein paar Wochen am besten weiter vorgeht.«
»Und was passiert unterdessen mit all diesen Frachtschiffen, für die wir bezahlen sollen?«, fragte der indische stellvertretende Minister für Weltraumangelegenheiten, Mr. Jaharawal, ein kleiner, dunkler Mann.
»Was ist mit ihnen?«
Der erste Konferenztag war mit einer Übersicht über die Daten begonnen worden, aus denen hervorging, dass der Komet die Erde treffen würde. Am zweiten waren Pläne zum Umbau dreier großer Schüttgutträger in Schwerguttransporter entwickelt worden. Die Schiffe würden mit Hochleistungstriebwerken, voluminösen Tanks und genügend Reaktionsmasse ausgestattet werden, dass sie den Orbit des Kerns in nur drei Monaten erreichen konnten.
»Wir wissen nicht, wofür diese teuren Schiffsumbauten notwendig sind«, fuhr der stellvertretende Minister fort. »Ohne einen konkreten Plan weiterzumachen, ist Geldverschwendung.«
»Die Notwendigkeit zur Beförderung schwerer Lasten ist offensichtlich«, erwiderte Frank Hardesty. »Wollen Sie, dass wir so lange warten, bis jedes Detail ausgearbeitet ist?«
Der stellvertretende Minister ließ sich nicht einschüchtern. »Mein Land verfügt nicht über die Mittel, um den Systemrat beziehungsweise Sky Watch mit einem unbeschränkten Budget auszustatten. Wir können es uns nicht leisten, dass Sie mit Geld um sich werfen wie ein betrunkener Raumfahrer.«
»Darf ich meinen geschätzten Kollegen daran erinnern, dass der Komet voraussichtlich tausend Kilometer vor Ihrer Küste auftreffen wird?«, fragte der Vertreter des Vereinten Europa.
»Das dürfte für den Durchschnittsinder bei der nächsten Wahl keinen Unterschied machen. Man murrt jetzt schon über die Kosten dieses internationalen Debattierclubs, den Mrs. Forbin leitet. Wie viele Rupien wollen Sie für Ihre theoretischen Studien denn noch an sich rei ßen?«
»So viele, wie benötigt werden, um die Erde zu retten, Sir. Was die Transporter betrifft, wenn wir mit der Arbeit nicht augenblicklich beginnen, werden sie nicht rechtzeitig fertig werden, um uns überhaupt etwas zu nützen.«
»Ob wir Erfolg haben«, sagte der dunkelhaarige, aschblonde Vertreter von Australasien, »hängt davon ab, dass wir die öffentliche Meinung wirkungsvoll kontrollieren. Welche Fortschritte wurden bei der Vorbereitung der öffentlichen Bekanntgabe gemacht?«
»Beträchtliche«, antwortete Constance. »Wir haben eine weitere Arbeitsgruppe gebildet. Sie besteht aus Experten für Massenpsychologie. Das Hauptproblem, glauben sie, besteht darin, den Grad der öffentlichen Aufmerksamkeit zu steigern, ohne sie zu ängstigen. Es wurde vorgeschlagen, dass wir nicht die ganze Wahrheit auf einmal sagen.«
»Und haben sie einen Vorschlag, wie das zu bewerkstelligen ist?«
»Ja, das haben sie. Tatsächlich haben sie sich etwas ziemlich Geniales einfallen lassen.«
AUSZUG AUS Die Nachrichten der Woche mit Ric Thompson, TRANS-EARTH COMMUNICATIONS NETWORK, 12. FEBRUAR 2086
(Das Logo von Trans-Earth Network verblasst und geht in die Nahaufnahme von Ric Thompson, dem Nachrichtensprecher, über.)
THOMPSON: Guten Abend, meine Damen und Herren. Hier ist Ric Thompson mit den Nachrichten der Woche, ihrer Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse. Dies war die Woche, in der der Systemrat erklärt hat, dass die spektakuläre Erscheinung des für nächstes Jahr erwarteten Kometen Hastings noch viel spektakulärer ausfallen könnte als allgemein erwartet. Der Komet, so scheint es, wird die Erde auf seinem Weg zurück in die Tiefe des Weltalls sehr nah passieren. Obwohl erwartet wird, dass uns der Kopf des Kometen um mehrere Tausend Kilometer verfehlen wird, weisen die issenschaftler darauf hin, dass ihre Berechnungen mit einer gewissen Fehlerspanne behaftet sind.