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Thorpe stolperte durch den Nebel, bis vor ihm die Gestalt der Ärztin auftauchte. Sie stand über etwas gebeugt, das zunächst nur wie ein weiterer Eisblock aussah. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte er, dass der Block wie ein Mensch geformt war.

»Wer ist es?«, fragte Kapitän Olafson über Funk.

Thorpe spürte, wie sich der Klumpen in seinem Magen vergrößerte, als er sich vorbeugte, um seine Lampe auf die Gestalt zu richten. Der Sarkophag aus blankem Eis war erstaunlich klar. Er reflektierte das Licht, war jedoch durchsichtig genug, dass er den weißen Bart erkennen konnte.

»Es ist Ihr Mann!«, rief Thorpe.

Falls Karin Olafson bei dieser Nachricht Erleichterung verspürte, so zeigte sie es nicht. Sie ordnete lediglich an, ihn aus der Grube herauszuheben. Thorpe half der Ärztin, Kyle Stormgaard zur Wand der Spalte hinüberzubringen.

»Lebt er?«, fragte Thorpe, als die Ärztin mit der Lampe durch das Visier des Chefingenieurs leuchtete.

»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Wir müssen ihn ins Schiff zurückschaffen.« Auf ihren Befehl hin holte die Arbeitsgruppe oben an der Kante die Lose von Stormgaards Sicherheitsleine ein. Die Ärztin folgte ihrem Patienten zur Oberfläche hinauf. Sie gebrauchte ihre Manövrierdüsen, um zu verhindern, dass er gegen die Spaltwand stieß.

Malvan sammelte sein Rohr wieder auf und bewegte sich damit ein Stück weiter den Cañon entlang, auf der Suche nach einer Stelle, wo er ein zweites Mal ansetzen konnte. Explosionstrümmer erschwerten seine Arbeit. Er platzierte sein Dreibein und trieb das Rohr erneut ins Eis. Dann zogen sie sich zurück, und Malvan drehte wieder die Luft auf. Die Explosion war weniger heftig als die erste, doch immer noch stark genug, um einen großen Krater aufzureißen.

Alle drei kämpften sich durch die neuentstandene Wolke. Eine quälend lange Minute verstrich, bis Kapitän Olafson durchgab, dass sie die andere Sicherheitsleine gefunden habe. Sie zog sie straff und folgte ihr bis ans Ende. Die Leine verschwand im Eisrutsch.

»Verdammt, sie ist immer noch verschüttet.«

»Sie kann nicht mehr viel weiter unten sein«, entgegnete Malvan. »Das ist ungefähr die Tiefe, in der wir Kyle gefunden haben. Sollen wir noch einmal blasen?«

»Versuchen wir erst, sie herauszuziehen«, sagte Thorpe entgegen seiner ursprünglichen Entscheidung. Er war sich deutlich der Zeitspanne bewusst, die verstrichen war, seit Amber verschüttet worden war.

Sie stellten sich zu dritt in einer Reihe über die Sicherheitsleine und befestigten sie an ihren Gerätegürteln. Dann zerrten sie zehn Sekunden lang daran, bis sich das Seil bewegte. Thorpe kniete sich hin und betrachtete den Boden. Ein zylindrischer Eisblock hatte sich um ein paar Zentimeter gehoben. Er brauchte einen Moment, bis er die Form erkannte.

»Hier ist sie!«

Anders als das Eis, das den Chefingenieur umschlossen hatte, war Ambers Sarkophag undurchsichtig. Ihr Gesicht war hinter der Frontscheibe ihres Anzugs nicht zu erkennen.

»Wie machen wir das ab?«, fragte Thorpe und meinte damit den undurchsichtigen Überzug.

»Überhaupt nicht«, antwortete Malvan. »Wir schaffen sie zuerst zum Schiff zurück.«

»Aber sie wird uns womöglich erfrieren!«

Thorpe fühlte einen Arm auf seiner Schulter, eine Geste, die mit Raumanzug schwierig auszuführen war. »Nur Mut. Sie steckt schon eine ganze Zeit da drin. Ein paar Minuten mehr oder weniger machen da keinen Unterschied mehr aus.«

»Beginnen wir mit der Sitzung. Wir haben uns für heute eine Menge vorgenommen!«

Constance Forbin starrte den langen Mahagonitisch entlang auf die doppelte Reihe der Gesichter, die ihr zugewandt waren. Vor ihr saßen die zwölf mächtigsten Persönlichkeiten der Erde – nicht die reichsten oder bekanntesten, aber eindeutig die mächtigsten. Es war ein Maßstab für das Ausmaß ihrer Macht, dass nur wenige Vertreter der Öffentlichkeit von so viel Macht wussten. Um ihre Erlasse durchzusetzen, konnten die zwölf jedermann in Haft nehmen lassen. Weder Haftbefehl noch Rechtsbelehrung waren dafür erforderlich.

Der Sonderausschuss der Direktoren war vom Systemrat eingesetzt worden, um die Ablenkung des Kometen zu koordinieren. Dass ihr Mandat allein auf Donnerschlag betreffende Angelegenheiten beschränkt war, konnte ihren Einfluss nicht schmälern. Soweit es den Eisplanetoiden betraf, war ihr Wort Gesetz.

»Als Erstes haben wir einen Bericht von Direktor Warren. Wie hat sich der Erdrutsch von letzter Woche auf Ihre Operation in New Mexico ausgewirkt, Clarence?«

»Nicht so schlimm, wie es hätte sein können. Das mit Amber Hastings ist natürlich höchst bedauerlich, aber die Vermessungsgruppen liegen fast schon wieder im Zeitplan.«

Constance Forbin nickte. »Ich glaube, auf einige Zwischenfälle mussten wir von Anfang an gefasst sein. Haben Sie die Stellen im Störungssystem ausgewählt, wo Sie die Antimaterieladungen platzieren wollen?«

»Die Primärübersicht ist fertig und kann eingesehen werden, und meine Leute sind dabei, die Sekundärliste zusammenzustellen.«

»Irgendwelche Überraschungen?«

»Zwei Auswechslungen unter den vorläufigen Empfehlungen, die wir beim letzten Treffen besprochen haben. Keine davon war eine besondere Überraschung.«

»Und die Mannschaftsinstruktionen? Wie kommen sie voran?«

»Barbara Martinez ist soeben aus dem Orbit zurückgekehrt. Sie hat eine lange Liste von zusätzlichen Ausrüstungsgegenständen mitgebracht, welche die Mannschaften mitnehmen wollen.«

»Welche Art von Ausrüstung?«

»Größtenteils Vakuumausrüstung und andere Dinge, die sie dort draußen brauchen könnten. Offenbar waren sie von unseren Bodenempfehlungen nicht besonders begeistert.«

»Wird uns eine dieser Anforderungen beim Starttermin der Flotte zurückwerfen?«

»Kaum«, antwortete Warren. »Mitte nächster Woche wird so gut wie alles im Orbit sein. Das gibt ihnen Zeit, ihre Schiffe zu beladen und ihre Gewichts-und Gleichgewichtsberechnungen zu aktualisieren.«

»Halten Sie mich auf dem Laufenden. Wir müssen nach Plan starten. Lord Blenham, Ihr Bericht, bitte.«

Der weißhaarige Europäer beugte sich vor, um seine Ellbogen auf den Konferenztisch zu stützen. Blenhams Aufgabe war es, die PR-Kampagne für Donnerschlag zu inszenieren, etwas, wofür er nach einem in Londons Fleet Street verbrachten Leben geradezu prädestiniert war.

»Eigentlich, Madame Koordinatorin, läuft die Kampagne ziemlich gut; möglicherweise zu gut.«

»Was meinen Sie damit?«, fragte der Vertreter von Australasien.

»Ich meine damit, dass wir die Furcht der Öffentlichkeit bis zu einem Punkt beschwichtigt haben, wo sie der Komet völlig gleichgültig lässt. Das Thema ist für sie praktisch ein Schlafmittel. Donnerschlag schafft es nach den neuesten Erhebungen kaum bis auf die Liste der zehn verbreitetsten Ängste. Auf unsere Weisung hin sind die Nachrichtenleute dazu übergegangen, den Kern als ›verirrten Meteor‹ oder ›ein Stück kosmischen Strandguts‹ zu bezeichnen. Die meisten Leute haben keine Vorstellung davon, wie groß und gefährlich er im Grunde ist.«

»Dann haben Sie Ihre Arbeit gut gemacht, Blenham«, bemerkte einer der anderen Direktoren. »Das vorrangige Ziel ist es, eine öffentliche Panik zu vermeiden.«

»Zu diesem Schluss sind wir letztes Mal gekommen. Der Unfall von voriger Woche hat mich jedoch an der Weisheit unseres Vorgehens zweifeln lassen.«

»In welcher Hinsicht?«, fragte Constance Forbin.

»Ich denke, wir könnten unsere Karten vielleicht überreizt haben. Die überwiegende Mehrheit glaubt, dass wir den Kometen fahrplanmäßig ablenken werden und dass sie mit ihrem Leben unbesorgt weitermachen können. Was passiert, wenn irgendetwas ihr Vertrauen erschüttern sollte?«

»Was sollte denn schiefgehen?«, fragte der Vertreter Nordamerikas.

»Wie soll ich das wissen? Mein Gebiet sind Massenpsychologie und Public Relations. Aber die ganze Art und Weise, wie wir diese Geschichte handhaben, erscheint mir falsch. Wir sollten das zum Drama aufbauschen – die Menschheit gegen das feindliche Universum, so in der Art. Solange wir in der Öffentlichkeit den Standpunkt vertreten, dass die Ablenkung des Kometen eine Routineangelegenheit ist, lassen wir sie in einer unsicheren emotionalen Verfassung. Ein größerer Rückschlag, und es kommt zu einer Panik.«