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»Dreißig Sekunden … zwanzig … fünfzehn … zehn …«

»Automatik klarmachen.«

»Autopilot eingeschaltet, Captain«, kam die Antwort von ihrem Mann.

»… fünf … vier … drei … zwei … eins … ab geht’s!«

Über der Eisebene erwachte das Frachtmodul zum Leben, als Feuer aus seinen überdimensionalen Korrekturtriebwerken brach. Die Abgase wirbelten Wolken von Ammoniakschnee auf. Das Modul hob langsam ab, dann begann es zu beschleunigen. Im Weitersteigen legte es sich auf die Seite und verschwand nach Norden.

»Wir haben es im Bild, Captain«, meldete Dieter Schmidt. »Sollflugbahn wird eingehalten.«

»Sehr schön, Mr. Schmidt. Machen Sie uns fertig zum Start.«

»Habitatmodul ist startklar, Captain.«

»Verankerung?«

»Ausgekuppelt.«

Karin nickte. Sie hatte die Anker selbst überprüft. Nur wenige Dinge konnten verhängnisvoller sein als eine Landestütze, die beim Start noch fest mit der Oberfläche verbunden war. So etwas konnte einem den ganzen Tag verderben.

»Alle Passagiere an Bord?«, fragte sie.

»Zwölf Leute an Bord und gesichert, Captain«, meldete Cybil Barnard über InterKom. »Tom Thorpe, Amber Hastings, mein Mann, Chen Ling Tsu, Bradford Goff und Hilary Dorchester sind nicht an Bord.«

Karin Olafson nickte. Sie startete nicht gerne ohne vollzählige Besatzung, aber sie konnte nichts daran ändern. Thorpe, Hastings und Barnard waren gezwungen, noch eine weitere Woche am Boden zu verbringen. Sie würden das Positionieren der letzten Antimaterieladungen überwachen. Die anderen wurden noch bei den Arbeitsmannschaften gebraucht.

»Fertigmachen zum Start!«

»Maschine, fertig zum Start.«

»Funker, fertig zum Start.«

»Ladung gesichert. Alle Passagiere angeschnallt.«

»Korrekturtriebwerke klarmachen!«

»Korrekturtriebwerke sind klar.«

»Schalten Sie auf allgemeine Durchsage!«

»Ist geschaltet, Captain.«

»Achtung, an alle. Fertigmachen zum Start. Falls Sie noch irgendwohin müssen, haben Sie Ihre Chance verpasst. In zwei Minuten heben wir ab. Ich wiederhole, Start in zwei Minuten.«

Es entstand eine lange Pause, während der sie die Countdownanzeige beobachtete. »Sie können einen weiteren Countdown beginnen, Mr. Velduccio. Übertragen Sie ihn ins Schiff.«

»Aye, aye, Captain … Start in sechzig Sekunden … neunundfünfzig … achtundfünfzig …«

»Tut es dir leid, abfliegen zu müssen, Karin?«, fragte ihr Mann über ihren privaten Funkkanal.

»Ein bisschen. Es hat Spaß gemacht, oder?«

»Das hat es. Mir tut’s auch leid, dass es zu Ende geht.«

»Denk einfach an das Feuerwerk hier in einer Woche.«

»Da ist etwas dran«, stimmte Stormgaard zu.

»Zehn Sekunden bis zum Start, Captain.«

»Sehr schön, Mr. Velduccio.«

»Fünf … vier … drei … zwei … eins … Zündung!«

Ein tiefes Grollen hallte durch das Habitatmodul, während der Kontrollraum zu beben begann. Karin Olafson ließ ihren Blick über die Anzeigen schweifen. Alle Werte waren normal. Sie betätigte den Schalter, der die Korrekturdüsen auf volle Leistung brachte. Plötzlich kippte die entfernte Ringwand des Ground-Zero-Kraters, während der Boden zurückfiel. Bevor das Habitatmodul nach Norden davonschoss, erhaschte sie einen Blick auf das von den Arbeitern weitgehend verlassene Basislager. Karin Olafson erlaubte sich den Luxus eines Seufzers.

Sie war wieder ein Raumkapitän.

Eine Woche später näherte sich Tom Thorpe der Admiral Farragut mit dem MoonJumper. Das Schiff war wieder so, wie er es zum ersten Mal gesehen hatte – Antriebseinheit, Frachtmodul und Habitatkugel waren wieder zu einem funktionsfähigen Ganzen zusammengefügt.

»Heimkommen ist doch was Schönes, selbst wenn es so eine Sardinenbüchse ist«, murmelte er.

»Finde ich auch«, antwortete eine weibliche Stimme in seinen Ohrhörern.

Die Kabine des Hüpfers war voller Menschen. Neben Thorpe saß Amber, ihren Anzug fest gegen seinen gepresst. Neben ihr, eingekeilt auf einer Sitzbank, die eigentlich für zwei Personen gedacht war, saß Cragston Barnard. Während ihrer letzten Woche auf dem Kometen waren alle drei für kaum ein paar Stunden aus ihren Anzügen herausgekommen. Am Morgen hatten sie zugesehen, wie der letzte der tiefen Schächte mit Wasser gefüllt worden war. Innerhalb weniger Stunden war das Wasser zu einem Stöpsel von mehr als zwölf Kilometern Länge erstarrt. Nur ein dickes Kontrollkabel, das den Sprengbefehl weiterleiten würde, führte durch den Stöpsel bis nach unten.

Sie hatten insgesamt achtunddreißig Schächte gebohrt, sechs mehr als ursprünglich geplant. Jede einzelne Sprengvorrichtung war sorgfältig innerhalb einer größeren Verwerfung platziert worden. Anders als die auf dem Prinzip der Kernspaltung oder Kernfusion beruhenden Bomben, deren ganze Energie innerhalb von Nanosekunden freigesetzt wurde, benötigten Antimateriesprengkörper Millisekunden, um ihr Maximum zu erreichen. Aufgrund der Verzögerung würden die Annihilierungsprodukte – Pionen und Gammastrahlen – tief in das umgebende Eis eindringen können. Ziel war es, unter dem gesamten Ground-Zero-Krater ein unter hohem Druck stehendes Dampfpolster zu erzeugen. Für diesen Zweck eignete sich eine langsame Energiefreisetzung besser als eine rasche.

»Es wird guttun, sich wieder einmal zu waschen«, sagte Amber mit einem sehnsuchtsvollen Blick zum Schiff hinüber. »Fünf Tage im Raumanzug, das ist ein Dauerrekord, den ich niemals brechen möchte.«

Barnard lachte. »Es ist gut, dass ich hier drin eingeschlossen bin. Nicht einmal meine Frau würde meinen Geruch aushalten.«

»Die Zeit müsste gerade reichen, um sich zu waschen, etwas Warmes zu essen und sich vor der Detonation noch ein bisschen auszuruhen.«

»Wie lange noch?«

Thorpe blickte auf sein Anzugchronometer. »Vier Stunden und siebzehn Minuten. Bis Donnerschlag seine östliche Hemisphäre dem Jupiter zuwendet.«

Amber und Barnard beobachteten schweigend, wie Thorpe den Hüpfer dem Frachter entgegenlenkte. Einhundert Meter vor der Schleuse Eins brachte er ihn zum Stehen.

»Ich will nicht näher heran«, erklärte er. »Wär nicht schön, jetzt noch irgendwo gegenzuknallen, wo wir fast schon zu Hause sind. Ihr werdet springen müssen.«

»Kein Problem«, antwortete Barnard. Der Astronom öffnete die Luke und kletterte auf die Hülle hinaus. Thorpe vergewisserte sich, dass die Korrekturdüsen abgeschaltet waren. Als die Schiffsschleuse aufging, sah man eine Gestalt, die sich vor der Innenbeleuchtung abhob.

Barnard flog die hundert Meter zum Schiff hinüber. Er landete mit den Füßen voran auf der Hülle und ließ sich hineinhelfen. Sobald er drinnen war, schloss sich die Schleusentür für eine lange Minute, dann öffnete sie sich wieder.

»Du bist dran, mein Schatz.«

»Wir sehen uns dann drinnen«, erwiderte Amber, als sich ihre behandschuhten Hände berührten. Sie konnten einander durch die dicken Handschuhe hindurch nicht fühlen, aber darauf kam es gar nicht an. Amber folgte dem Beispiel Barnards und schwebte durch die offenstehende Luke hinaus. Eine Minute darauf verschwand sie ebenfalls in der Schleuse Eins.

»Nun, altes Streitroß, ich schätze, das ist der Abschied«, sagte Thorpe, während er seine Anweisungen in den Autopiloten programmierte. Die Worte waren Teil eines Dialogs aus einem alten Film, den er einmal gesehen hatte. Aus irgendeinem Grund kamen sie ihm passend vor.

Thorpe bewegte sich durch die Backbordluke und richtete sich sorgfältig auf das Habitatmodul des Schiffes aus. Nachdem er sich von der Außenhülle des kleinen Flugapparats abgestoßen hatte, schwebte er über den Abgrund und landete mit dem Kopf voran, wobei er sich mit ausgestreckten Armen abfing, um die Energie zu absorbieren. Dann packte er den Griff und schwang die Füße herum, um sich zügig in die offene Schleuse gleiten zu lassen.