Das Buch
Die Erde, in der nahen Zukunft: Die Menschheit hat das Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit entdeckt. Auf ihren Flügen stößt sie auf das »Konklave«, einen interstellaren Verband vieler außerirdischer Rassen, von denen jede eine besondere Rolle zu erfüllen hat. Da die Menschen als Einzige den Sprung durch Raum und Zeit verkraften, wird ihnen die Funktion kosmischer Transportleute zugeteilt. Pjotr Chrumow ist ein solcher Kosmonaut und Fuhrmann – bis er eines Tages in seinem Raumschiff einen blinden Passagier entdeckt. Als der Außerirdische ihn vor einer großen Gefahr für die Menschheit warnt, muss Pjotr schnell handeln. Denn eine fremde, außerordentlich mächtige und offenbar menschenähnliche Zivilisation hat das Konklave angegriffen, und Pjotr bleibt wenig Zeit, bevor das Konklave die Erde vernichtet. Die einzige Hoffnung für die Menschen ist der geheimnisvolle »Schatten« im Kern der Galaxis, Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Und so bricht der Kosmonaut Pjotr Chrumow erneut auf zu einem Abenteuer jenseits der Grenzen von Raum und Zeit …
Nach seinen faszinierenden »Wächter«-Romanen legt Bestseller-Autor Sergej Lukianenko mit »Sternenspiel« und »Sternenschatten« erneut ein grandioses phantastisches Abenteuer vor.
»Sergej Lukianenko ist der meistgelesene russische Autor der Gegenwart.«
Stern
Der Autor
Sergej Lukianenko, 1968 in Kasachstan geboren, studierte in Alma-Ata Medizin, war als Psychiater tätig und lebt nun als freier Schriftsteller in Moskau. Mit seiner »Wächter der Nacht« -Serie wurde er zum erfolgreichsten Fantasy- und Science-Fiction-Autor Russlands. Als Drehbuchautor war er außerdem an den Verfilmungen von »Wächter der Nacht« und »Wächter des Tages« beteiligt.
Mehr zu Sergej Lukianenko unter: www.lukianenko.ru
Sergej Lukianenko
Sternenschatten
Roman
Aus dem Russischen von Christiane Pöhlmann
Deutsche Erstausgabe
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Titel der russischen Originalausgabe:
Deutsche Übersetzung von Christiane Pöhlmann
Die Zeilen aus der »Ballade vom rauchigen Waggon« von Alexander Kotschetkow (Seite 417, »Und keinen Menschen konnte retten«) sind übersetzt von Sepp Österreicher und zitiert nach: Sepp Österreicher (Hg.), Ausgewählte Nachdichtungen sowjetischer Lyrik, Moskau: Raduga (1986).
Die Verse aus Dantes Divina Commedia (Seite 188, »Ich wandte mich zur Rechten und beschaute«) sind übersetzt von Konrad Falke und zitiert nach: Dante, Divina Commedia, Zürich: Rascher (1921).
Die Obersetzung der (im Roman Nik Rimer zugeschriebenen) Gedichte von Jacques Prévert aus dem Französischen besorgten Michael Koseier und Christiane Pöhlmann.
Die Reklameverse im Zweiten Teil, Kapitel 2, dichtete Erik Simon nach.
Verlagsgruppe Random House
FSC-DEU-0100
Das für dieses Buch verwendete
FSC-zertifizierte Papier Super Snowbright liefert Hellefoss AS, Hokksund, Norwegen.
eBook corrected by MR Soft
Redaktion: Erik Simon Lektorat: Sascha Mamczak
Deutsche Erstausgabe 8/2009
Copyright © 1998 by Sergej W. Lukianenko
Copyright © 2009 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Printed in Germany 2009
Umschlagillustration: Dirk Schulz
Umschlaggestaltung: Animagic, Bielefeld
Satz: C. Schaber Datentechnik, Wels
Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-453-52553-5
www.heyne-magische-bestseller.de
Prolog
Auf Weltraumbahnhöfen wächst kein Gras. Daran sind nicht die alles verschlingenden Flammen der Triebwerke schuld, über die Journalisten so gern schreiben. Nein, es regnen einfach zu viele Gifte zu Boden, wenn die Trägerraketen aufgetankt werden oder Brennstoff notfalls abgelassen wird, wenn mal eine Rakete auf dem Starttisch explodiert oder die verschlissenen Leitungen durch kleine, unvermeidlich auftretende undichte Stellen Flüssigkeit verlieren.
Aber dieses Kosmodrom lag nicht auf der Erde.
Ich saß im Gras, am Rand eines gewaltigen uneingezäunten grünen Feldes. Man hätte es für einen Tennisplatz von Riesen halten können oder für die Ausgeburt der kranken Phantasie eines golfverrückten Milliardärs.
Allerdings war hier gar kein Geld in Umlauf.
Mein Gesicht brannte, als schmirgle ein unsichtbarer Sadist die Haut von innen ab. Da das der Wahrheit entsprach, versuchte ich, den Schmerz zu ignorieren.
Wie auf dem Präsentierteller ragten auf dem Grün des Kosmodroms völlig chaotisch kleine silbrige Raumschiffe empor. Vor gar nicht langer Zeit hatte ich schon einmal hier gestanden, damals hatte mein vernebeltes Bewusstsein jedoch verhindert, dass ich all das mit den Augen eines Erdbewohners wahrnahm. Jetzt dagegen … Jetzt multiplizierte ich die Kampfkraft eines einzelnen Schiffs erst mit ihrer Gesamtzahl, dann mit der mutmaßlichen Zahl von Weltraumbahnhöfen auf dem Planeten und baute auch zwei Unbekannte in die Gleichung ein, nämlich sowohl die Schiffe, die gerade durchs All flogen oder auf den Planeten der Freunde warteten, wie auch jene Raumkreuzer, die den Orbit nie verließen. Das Ergebnis war natürlich sehr ungenau, die Streubreite betrug eine ganze Zehnerpotenz.
Aber welchen Unterschied macht es schon, ob jemandem eine Tonne Ziegel auf den Kopf fällt oder zehn Tonnen?
Ich kaute auf einem Grashalm und streckte mich im Gras aus. Auf dem Rücken liegend, schaute ich in den Himmel hinauf. Gibt es in irgendeiner Welt, zu irgendeiner Zeit etwas, das unveränderlicher wäre als der Himmel? Daliegen, den säuerlichen Saft auf den Lippen schmecken, spüren, wie der endlose Himmel an einem zieht, einen einsaugt … Wie die Welt sich umdreht, und schon liegt man nicht mehr auf dem Rücken, entspannt und faul, mit zusammengekniffenen Augen in die Endlosigkeit blinzelnd, sondern der ganze Planet lastet einem auf den Schultern, und man hält ihn über dem Himmel hoch. Der letzte und einzige Atlas … –
Der Saft des Grashalms war bitter und ätzend, hervorgebracht von einer fremden Erde. Den Himmel bedeckte eine aparte Zierdecke aus Wolken-für-angenehm-kühles-Wetter. Durch ein solches Gitter fällt man nicht.
Nicht ich habe diese Welt auf den Schultern zu tragen.
Ich drehte den Kopf und zwang den Planeten damit, sich mir unter die Füße zu legen. Ich betrachtete den reglosen Körper neben mir. Der Mann lebte, würde aber eine ganze Weile bewusstlos bleiben.
»Bist du fertig, Cualcua?«, fragte ich laut.
Ja. Eure Gesichter und eure Haut sind jetzt identisch, antwortete mein Symbiont, tonlos flüsternd.
»Danke.«
Soll ich die Figur angleichen?
Der Mann war kräftiger und größer als ich. Eine Tarnung würde mir nicht schaden. Doch allein der Gedanke an jene neuerlichen Schmerzen, die mit der Transformation des Körpers einhergehen würden, löste leichte Panik in mir aus.
»Nein, das ist nicht nötig.«
Ich richtete mich in Hockstellung auf und zog dem Mann die Kleidung aus. Nur gut, dass man auf diesem Planeten einen weiten Schnitt bevorzugte.