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»Eine Hirnblutung. Ich wollte das nicht. Ihn hat die Angst umgebracht … die Anspannung.«

»Ich glaube es.« Es war, als habe sich Big vorgenommen, einen guten Eindruck zu machen. »Seine Gesundheit ließ leider zu wünschen übrig. Schon seit vielen Jahren. Wir hätten an einen Urlaub für ihn denken sollen, an eine Behandlung, aber …«

Er verstummte. Ich konnte beim besten Willen nicht begreifen, worauf er eigentlich hinauswollte.

Ob er einfach Zeit schinden wollte?

»Vielleicht sollte ich etwas erzählen …«

Big seufzte und hockte sich direkt vor die Tür hin. Unwillkürlich fiel mir ein, wie ich selbst in die Hocke gegangen war, als ich mit Till gesprochen hatte. Seltsamerweise entkrampfte ich mich daraufhin.

Das lag natürlich nicht an der demonstrativ unterwürfigen Pose Bigs. Er war sehr kräftig, allerdings stand ich ihm kaum nach.

Nein, mir war einfach die Ironie der Situation aufgegangen. Wir versuchten beide, mit den gleichen Mitteln Kontakt herzustellen. Aber ich bin kein Kind mehr, Big.

»Das Wichtigste vorweg. Pjotr, du behauptest also, alles, was du gesagt hast, entspricht der Wahrheit?«

»Ja.«

»Aber wie …?«

Er verstummte. Und mit einem Mal lächelte er so traurig, dass es mich ganz beklommen machte.

»Beinahe hätte ich dich eben Nik genannt. Ich habe mich längst daran gewöhnt, dass er tot ist, aber trotzdem …«

Etwas in mir verkrampfte sich. Etwas von Nik. Dennoch schwieg ich.

»Wie bist du durch die Kontrolle gekommen? Ich meine nicht den genetischen Test, sondern die Untersuchung deines Gedächtnisses. Als man dich ins Sanatorium geschickt hat, habe ich vermutet, dass irgendwas mit dir nicht in Ordnung ist. Daraufhin habe ich mir selbst die Aufzeichnungen angesehen. Aber das waren alles seine … Assoziationsketten, logischen Reihen, emotionalen Reaktionen … Also, wie?«

»Alles, was von ihm gerettet werden konnte, lebt jetzt in mir. Ist er eigentlich viel geflogen?«

»Ja. Nik liebte einsame Patrouillenflüge. Er liebte das Kundschaften.«

»Er hat mit seinem Schiff geredet. Aus Langeweile, aus Einsamkeit … er hat ihm seine Gedichte vorgetragen … sich mit ihm gestritten … es angestachelt …«

»Er hat sich … mit seinem Schiff gestritten?« Big schüttelte den Kopf. »Das ist … typisch Niki.«

»Ich weiß nicht, ob ich das Recht habe, das zu sagen, aber ich glaube manchmal … er lebt noch.«

»Du bist fremd in unserer Welt, Pjotr«, sagte Big. »Aber in gewisser Weise bist du mein Kollege. Deshalb will ich ganz offen sein. Ich habe dein Gespräch mit den Kindern belauscht … und ich weiß, warum es nötig war.«

Ach ja, meine kleinen Genies, die ihr die Kameras ausgetrickst habt.

»Du suchst eine Rechtfertigung. Ich verstehe das … Dann hast du also noch nicht entschieden, was du mit dem Samen anstellen willst. Zum Glück hast du es noch nicht.«

Ich warf den Feuerball in meiner Hand hoch und wartete ab.

»Es war schwierig, alles unter einen Hut zu bringen, Pjotr. Mein Schützling Nik Rimer war verschwunden – und dann kehrte er zurück, wenn auch mit einem kaputten Gedächtnis. Er griff seinen Ausbilder an. Daraufhin kam er ins Sanatorium. Dort meuterte er. All das ließ sich durchaus noch erklären. Aber was danach kam … sich gegen die Wendigen Freunde durchzusetzen … zu fliehen …«

Big schüttelte den Kopf.

»Als dann der Ausbilder Fed verschwunden ist, habe ich Verdacht geschöpft. Den Wendigen Freunden musste man die Informationen wie Nicht-Freunden aus der Nase ziehen. Es war ein Schock, ein großer Schock, für diese kleine stolze Rasse, auf einen Menschen zu treffen, der ihnen überlegen war, der sie mit bloßen Händen töten konnte. Damit rückte plötzlich alles an seinen Platz. In der Gestalt von Nik war ein Alien auf Die Heimat eingedrungen. Nik hatte unser Leben nicht akzeptiert und war geflohen. Der Pilot, der sein Bewusstsein verloren hatte, der verschwundene Scout … ich habe all diese Puzzlesteine zusammengefügt … Aber niemand hat mir geglaubt, Pjotr. Trotz allem hat mir niemand geglaubt. Fed würde eine schwere Krise durchmachen, hieß es, und suche deshalb die Einsamkeit. Das Mütterchen musste dem Piloten das Hirn versengt haben. Kinder aus dem nächsten Internat hätten den Scout gekapert … Da waren nämlich tatsächlich vor Kurzem ein paar Kinder geflohen. Es hätte wirklich alles Mögliche passiert sein können. Und der Weltrat schrieb deshalb auch einfach alles einem Zufall zu. Doch ich ahnte, dass die einzelnen Teile zu einem Ganzen gehörten …«

»Hat Katti denn nichts von mir erzählt? Sie hat mich doch gesehen …«Ich verstummte. Nein, die Freundin von Nik Rimer konnte auf gar keinen Fall geschwiegen und nicht von dem Fremden berichtet haben, der in der Gestalt von Nik und Fed … Trotzdem kam es mir vor, als hätte ich sie mit meiner Frage verraten.

»Ich habe angenommen, du wüsstest es.« Bigs Augen wurden für einen Moment kalt.

»Was denn?«

»Katti Tamer, Ärztin und Exobiologin … ist von uns gegangen.«

Ich zuckte zusammen.

Die schwarze Schale in der Nacht. Die dunkle Flamme an ihrem Boden. Die in der Luft funkelnden Sandkörner … fallende Sterne … Abschied …

Nein!

Dieses monströs große Krematorium! Der Tod, der zu einem Schauspiel wird! Das durfte nicht wahr sein!

Kattis Gesicht, das ans Glas der Transportkabine gepresst war. Ihr Schrei: »Niki!«

Ein Krematorium. Schön und gut. Aber dieses Krematorium war nicht nur für die Toten. Sondern auch für all diejenigen, die aus dem Leben gehen wollten. In diesem Punkt legten die Geometer eine erstaunliche Toleranz an den Tag. Keine Zäune, keine Wachen … nur ein Schritt, weg von dem schwarzen Stein, dem Feuer entgegen …

»Katti Tamer, Ärztin und Exobiologin, Abschied …«

Ich war einen endlosen Strand entlanggegangen. Verbittert, konzentriert, bereit, ein Schiff zu stehlen und nach Hause zurückzukehren.

Katti hatte den Schritt ins Feuer getan.

»Du hast es also nicht gewusst …«

Niki Rimer, Regressor der Geometer, der am Boden meines Gedächtnisses schlief, wachte auf und fing an zu schreien. Lautlos, so dass nur ich allein diesen Schrei zu hören vermochte.

Big ließ den Blick über die Kinder schweifen. Zusammengekauerte, verängstigte Gestalten. »Also, Jungs«, sagte er. »Lasst mich auch etwas über die Freiheit sagen. Meist sind das nur schöne Worte. Man kann immer sagen, es gibt zu wenig Freiheit, man müsste mehr davon haben … Nur muss man dann eben auch Kummer und Tod hinter sich lassen.«

»Daran seid ihr doch schuld.«

»Wir?«

»Euer Planet … Katti … sie hat es nicht ertragen … dass Niki lebt und zugleich tot ist …«

»Wie leicht du es dir machst, Pjotr! Der Ausbilder Fed hat nicht durchgehalten und ist gestorben. Katti hat es nicht ertragen und ist aus dem Leben gegangen. Aber dich trifft keine Schuld.«

Nik Rimer in mir verstummte. Er schrumpfte zusammen, versteckte sich … klammerte sich an die letzten kleinen Inseln seiner Seele.

»Als ich erfahren habe, dass der vermisste Scout wieder da ist, dass er in das Gebiet über dem Internat vordringt und an Bord den Regressor Rimer meldet, da habe ich verstanden, wo ich dich suchen muss. Dich … und nicht den im Kampf gestorbenen Nik. Der Verbrecher kehrt an den Tatort zurück. Das wusste ich – und deshalb habe ich dich gefunden.«

»Und was geschieht jetzt, Big? Du hast mich gefunden. Du hast unser Gespräch belauscht. Und weiter?«

»Du bringst nur Kummer, Pjotr. Du bist in unsere Welt gekommen, ohne dass wir dich darum gebeten oder dich eingeladen hätten. Noch dazu … mit diesem Ding.«

Ich betrachtete den Samen.

»Du wirst ihn nicht benutzen«, sagte Big. Absolut gelassen und fest. »Du würdest es gar nicht können. Du bist nicht aus unserer Welt. Der Schatten kommt nicht mit Gewalt zu einem, und das war das Einzige, was uns gerettet hat. Glaubst du etwa, du bist der Erste, der ein solches Geschenk erhalten hat? Nein, Pjotr, auch ich habe schon einen solchen Samen erhalten. Willst du wissen, wo er jetzt ist? Er ist in den Strahlen Des Mütterchens verbrannt. Ich habe gewusst, dass wir den Schatten nicht brauchen. Deshalb konnte ich mich von diesem Geschenk auch wieder trennen. Auch ich bin durch die Tore des Schattens gegangen, Pjotr. Ich weiß nicht, wie viele Planeten du gesehen hast, ich selbst war auf zwölf Welten. Und sie alle hielten nur Dreck und Schmerz für mich bereit. Es waren Welten, die Hilfe brauchten. Irgendwann werden wir sie auch leisten können.«