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»Ich weiß, dass das dumm ist. Aber zur Erde kommen wir auch nicht schneller. Und was könnten wir da schon ausrichten?«

»Aber der Samen …«

»Nimm ihn!« Ich legte den Samen in die Hand meines Großvaters. »Bringst du es vielleicht fertig, die Erde dem Schatten zu übergeben?«

»Nein. Aber schließlich hast du ihn ja auch bekommen!«

»Nein, Großpapa, nicht ich habe ihn bekommen. Den ersten hat Nik Rimer erhalten, der für seine Heimat keinen anderen Ausweg gesehen hat. Und den zweiten … den hat sich der Cualcua genommen. Das war ein völlig natürlicher und unkomplizierter Schritt für ihn. Je größer der Raum ist, umso besser für ihn.«

Nur Danilow schwieg und betrachtete mich von der anderen Seite des Lagerfeuers. Er schien enorm gealtert, der Abgott der Transaero. Hohlwangig und bleich, als seien alle Kräfte aus ihm herausgepresst worden.

Dafür nickte er als Erster, um zu signalisieren, dass er verstanden habe.

»Der Schatten kommt zu denjenigen, die ihn wollen«, erklärte ich geduldig. »Niemand von uns ist imstande, ihn anzunehmen. Denn wir haben viel zu viele schreckliche Welten in dieser Lotterie gewonnen. Und selbst wenn wir den Samen zur Erde bringen, wird er nicht wachsen. Wir sind einfach nicht in der Lage, ihn keimen zu lassen.«

»Bist du dir sicher?«

»Ja, Großpapa, das bin ich!«

»Dann ins Schiff!« Mein Großvater sprang auf. Seine Bewegungen wirkten überhaupt nicht mehr ungeschickt, er hatte sich inzwischen an den neuen Körper gewöhnt.

»Wir schaffen es nicht«, erinnerte ich ihn müde. »Verstehst du das denn nicht? Noch bevor wir eintreffen, werden die Starken Rassen die Entscheidung fällen, dass …«

»Aber wir können doch nicht einfach hier rumsitzen!« Mein Großvater warf mir den Samen zu, und ich fing ihn auf. »Wie kannst du nur …«

»Wartet!« Danilow erhob sich. »Du hast vielleicht recht, Pjotr. Wir werden es nicht schaffen. Und Andrej Valentinowitsch hat auch recht. Aber wenn es mit dem Transport nicht klappt, dann vielleicht mit einer Verbindung?«

»Was denn für eine Verbindung?« Mein Großvater winkte ab.

Ich hatte jedoch verstanden.

Cualcua?

Er schwieg, mein treuer Gefährte und Gehilfe, der sich herabgelassen hatte, mir bei ein paar Nichtigkeiten behilflich zu sein, beispielsweise jemanden zu töten oder im Schnee zu schlafen. Mein Symbiont, der jede aktive Handlung ablehnte. Ein Partikel eines uralten Verstands, der in jenen Welten des Schattens lebte, die seit Langem die menschliche Existenzform hinter sich gelassen hatten. Er schwieg, denn er wusste, was ich verlangen würde.

»Cualcua!«, schrie ich. Der Wechsel von dem dumpfen Fatalismus, mit dem ich aus dem Tor zum Feuer gestiefelt war, zu dieser letzten wahnsinnigen Hoffnung erfolgte viel zu abrupt.

Ich kann mich nicht einmischen. Das ist undenkbar. Wir dienen allen, aber nur, wenn es um Kleinigkeiten geht. Wir reparieren Reaktoren, bringen Raketen an ihr Ziel, dolmetschen …

»Dann dolmetsche, du Mistkerl! Etwas anderes verlange ich von dir ja gar nicht! Ich bitte dich nicht, das Geschwader aufzuhalten, das die Erde angreifen will, ich fordere nicht von dir, die Starken Rassen einzuschüchtern! Du sollst nur dolmetschen! Das tun, was du immer tust!«

Für die Starken Rassen dolmetschen? Zwischen euch liegt die halbe Galaxis!

Spielt das für dich wirklich eine Rolle?

Für mich nicht. Suchst du derart verzweifelt nach einer Möglichkeit, deinen Planeten zu retten?

Ja!

Gut. Dann versuche ich es. Ich werde … ich werde für dich dolmetschen.

Es war, als würde ich ausgeknockt. Ein Moment absoluter Leere, als der Cualcua sein zersplittertes Bewusstsein, das im ganzen Universum verteilt war, umstülpte. Mit gebotener Vorsicht gewährte er mir Zugang zu etwas, das er bislang vor allen Außenstehenden abgeschirmt hatte.

Dann sah ich Licht.

Nein, ich sah es nicht, dazu fehlten mir die Augen, ich spürte es. Der Cualcua suchte mir meine Körperteile aus und schuf mich neu. Denn jetzt befand ich mich nicht mehr auf dem Irrstern im Kern, sondern in der Welt, die wir die Zitadelle nennen.

Warum eigentlich?

Ich stand vom Boden auf. Es war fremde Erde, fremdes Gras, ein harter und kurzer blauer Borstenteppich, der da unter mir lag. Ich war nackt, mein Körper kam mir fremd vor … und das war er auch. Natürlich hatte mich der Cualcua nicht durch den Raum gebracht. Er hatte mich lediglich kopiert.

Du musst doch sehen, mit wem du sprichst. Und die Starken Rassen sollen auch sehen, mit wem sie es zu tun haben.

Die Ironie in den Worten des Cualcua ließ sich kaum fassen. Mittlerweile hatte ich jedoch gelernt, sie zu bemerken und zu schätzen wie ein einsames Goldkörnchen im Flusssand.

»Vielen Dank«, sagte ich tonlos, während ich vor die Starken Rassen trat.

Am Himmel leuchtete keinesfalls die Sonne. Nein, es war ein Torpp, ein Vertreter der seltsamsten und wahrscheinlich stärksten Rasse des Konklaves. Ein intelligenter Plasmoid, eine zehn Kilometer große Wolke reiner Energie, die Kraftfelder wie ein Korsett zusammenhielten. Manche vermuteten, es seien die Torpp, die im Konklave eigentlich das Sagen hatten. Andere hingegen hielten sie für hirnlose Sklaven der organischen Rassen. Ich hätte nicht zu sagen gewusst, was stimmte, aber wahrscheinlich waren sie nicht besser oder schlechter als wir. Es waren einfach lebende Sonnensplitter … Der Torpp schwebte irgendwo außerhalb der Atmosphäre, leuchtete aber nicht schwächer als das Gestirn der Erde. Aufweiche Weise er die Vorgänge auf dem Planeten wahrnahm, vermochte ich mir kaum vorzustellen.

Hier, in dieser endlosen Ebene, hatten sich die Vertreter aller anderen Starken Rassen versammelt. Acht Rassen hatten einen organischen Körper. Der Raum war unterteilt worden, rauchige Wände gliederten ihn in Sektoren – die alle unterschiedliche Maße hatte. Das allein wäre bereits eine verblüffende Entdeckung für jeden Diplomaten von der Erde. Gab es etwa auch noch innerhalb der Starken Rassen eine Hierarchie?

Da drüben waren die Hyxoiden. Sechs oder sieben Individuen, mit der purpurroten Bemalung der intellektuellen Elite. Allgemein glaubte man, die gebürtigen Hyxoiden seien nicht besonders intelligent, aber auch die Cualcua wurden ja in der Regel für hilflose Missgeburten gehalten …

Ein Daenlo. Ein einziges Wesen. Sein Rumpf war größer als der eines Nashorns, ansonsten konnte man ihn aber gut mit diesem Tier vergleichen. Allerdings saß auf dem Maul kein knöcherner Auswuchs, sondern eine Krone aus langen, beweglichen Tentakeln.

Die Jentsh … Die Jentsh? Gehörten diese verhärmten Ingenieure, die wie alptraumhafte Hybride aus einer Biene und einem Affen aussahen, etwa auch zu den Starken Rassen? Nein … das konnte nicht sein … wahrscheinlich nur eine äußerliche Ähnlichkeit … oder doch nicht?

Die runde Fläche, in der ich stand, war ebenfalls solide durch rauchende Wände von den übrigen Sektoren abgetrennt. Ich machte noch fünf weitere nicht-menschliche Wesen aus, aber sie repräsentierten Starke Rassen, von denen man auf der Erde noch nicht einmal gehört hatte. Uns waren lediglich die Bezeichnungen von zwei dieser Rassen bekannt – aber die würden wir wohl nie identifizieren können.

Ich war nicht allein in dem Kreis. Neben mir stand ein Alari. Das schwarze Fell war gesträubt, an seinem Hals pulsierte der formlose Klumpen des Cualcua, der als Dolmetscher fungierte. Es war komisch, an einen Cualcua in der dritten Person zu denken, da ich doch im Moment selbst sein Produkt war. Ob sich der Cualcua, der meinen Körper geschaffen hatte, aus ebendiesem Klumpen abgespalten hatte?

»Kommandant des rot-violetten Geschwaders«, sagte ich, »ich bin zum Rapport gekommen.«