Выбрать главу

Frage ihn, was Zeit ist, antwortete der Cualcua.

»Er fragt, was Zeit ist, Starker Daenlo …«

Der Daenlo schwieg. Hat vielleicht deine Rasse die Welt der Cualcua niedergebrannt, Starker? Brauchte sie diese Welt womöglich nicht? Und wir lieben ja immer nur das, was wir brauchen …

Wie treffen sie ihre Entscheidung? Beraten sie sich? Stimmen sie ab … mit einer erhobenen Pfote oder einem erhobenen Fangarm, indem sie Protuberanzen wegschleudern oder Scheinfüßchen emporheben?

»Mensch Pjotr Chrumow, Vertreter der Menschheit, eure Handlungen sind über das hinausgegangen, was das Konklave den Schwachen Rassen erlaubt.«

Ist das mein Urteil?

»Aber deine Handlungen haben dem Konklave keinen Schaden zugefügt. Im Gegenteil …«

Der Daenlo verstummte.

»Mensch Pjotr Chrumow, sag dem Cualcua, dass wir erfahren haben, was wir erfahren wollten, und seine Dienste als Dolmetscher nicht länger benötigen. Die ursprüngliche Anklage gegen die Schwachen Rassen, die als Menschheit, Alari, Zähler und Cualcua bekannt sind, wird zurückgezogen. Wir werden eine Entscheidung treffen. Du bist frei.«

Ich schaffte es gerade noch, einen Blick auf den Alari zu werfen und ihm die Hand hinzustrecken. Vielleicht um mich zu verabschieden, vielleicht, weil ich den Kommandanten, der bis zum Ende bei seinem Offizier geblieben war, einfach berühren wollte.

Dann trübte sich die Welt auch schon ein. Der Cualcua hielt die Kopie meines Körpers nicht länger aufrecht.

Nun warteten einige Probleme mit meinem Originalkörper auf mich. Die Sterne leuchteten immer noch am Himmel des Kerns, die gleichmütigen und schönen Sterne, und in ihnen lag nichts, weder Provokation noch Liebe.

Es waren Sterne, mehr nicht.

Ich lag auf der Erde, eingehüllt in eine Art Decke. Neben mir brannte das Lagerfeuer, an dem drei reglose Figuren erstarrt waren.

Dem Zähler fiel als Erstem auf, dass ich wieder zu mir kam. Er eilte mit seinem flinken, lautlosen Gang auf mich zu und sah mir ins Gesicht.

»Es ist alles in Ordnung«, flüsterte ich, auch wenn ich es selbst nicht ganz glaubte. Meine Kehle war trocken, mein Körper schien aus Watte. Nur meine Hand, mit der ich den Samen fest umklammerte, war aus Stein. »Es ist alles gut, Karel …«

Jemand packte mich und half mir, mich aufzusetzen. Sie alle blickten mich genauso flehend und verlangend an wie der Zähler.

»Anscheinend … haben sie sich erst einmal abgeregt.« Ich versuchte zu lächeln. »Damit haben wir … eine Atempause. Sie müssen ihre Entscheidung erst noch treffen …«

Mascha reichte mir Wasser. Ich trank etwas und hörte auf das leise Geflüster des Cualcua.

Der Samen, Pjotr …

Was?

Lass ihn hier. Leg ihn neben das Feuer. Auch ich werde meine Entscheidung treffen.

Warum hilfst du mir so sehr? Cualcua?

Es ist eine erfolgreiche Symbiose gewesen.

Ich lächelte. Ich glaube, er spürte dieses Lächeln. »Sascha, Großpapa, helft mir aufstehen«, bat ich. »Ich habe diesen Himmel satt. Es wird Zeit, nach Hause zurückzukehren.«

»Glaubst du etwa, man wird uns da mit offenen Armen empfangen?« Danilow grinste finster. »Da wäre es ja wirklich besser, im Schatten zu bleiben … Für die eine Station, die wir zerstört haben, werden wir für sämtliche Misserfolge im Kosmos bezahlen müssen … angefangen bei der leidgeprüften Mir.«

»Warum jagt mir diese grandiose Aussicht eigentlich keine ebenso große Angst ein?«, fragte ich im Aufstehen. »Egal … Zum Glück habe ich ja einen Kumpel in Swobodny. Mit dem werde ich Tomaten ausfahren.«

Epilog

Was ich an Hunden liebe, ist ihre Fähigkeit zu verzeihen. Diese großmütige Umwandlung der fremden Schuld in die eigene. Tyrann schmiegte sich gegen mein Bein, reckte ab und an den Kopf hoch und stupste gegen meine Hand. In seinem Blick las ich nur eins: »Hast du mir verziehen, Herrchen? Bringst du mich nicht mehr dahin?«

Nein, ich bring dich da nicht mehr hin, bestimmt nicht.

Wenn sich Menschen doch auch so verhalten könnten! Wenn sie einen Fehler nicht in ein Verbrechen verwandeln würden! Wenn sie den ersten Schritt auf den anderen zu machen würden!

Allerdings dürften wir damit wohl auch aufhören, Menschen zu sein. Jeder hat nun einmal seine Stärken und seine Schwächen. Jeder hat seine Schmerzen und seinen Kummer. Der kalte Verstand der Zähler, der passive Gleichmut der Cualcua, die Unbarmherzigkeit der Jentsh – wo wollte man die Waage hernehmen, um zu entscheiden, was schlechter ist?

Wenn wir jedoch all das zerbrächen, was die Natur uns mitgegeben hat, was Evolution, Erziehung und Gewohnheit in uns verankert haben …

Gegen den knarzenden Zaun gelehnt, spähte ich zur Nachbardatscha hinüber. Obwohl es noch nicht neun war, machten sich dort bereits Handwerker zu schaffen. In der Nähe des Hauses wurde etwas Grandioses gebaut. Für mich sah es aus wie ein Hubschrauberlandeplatz mit Hangar. Die Arbeit ging zügig und absolut lautlos voran, wie im Traum. Anscheinend setzten sie einen dieser schalldämpfenden Vorhänge ein, die wir seit einem halben Jahr von Andiana-7 importierten. Teures Zeug. Aber gut, dass wir den jetzt hatten, denn seltsamerweise war der Schlaf meines Großvaters noch immer leicht.

Ob die neureichen Russen bald Startplätze für interstellare Jachten in ihren Vorortvillen errichten würden?

Wahrscheinlich schon.

Möglicherweise würde ich nie wieder in den Kosmos fliegen. Dafür könnte ich dann die startenden Schiffe beobachten. Vom leisen Pfeifen der zerrissenen Luft aufwachen.

Natürlich nur, falls der mir nach den wochenlangen Verhören nun erteilte Hausarrest nicht in ein gemütliches sibirisches Sanatorium umgewandelt wurde …

Die Tür der Nachbardatscha ging auf, und aus dem Haus schoss wie eine Kugel ein zerzauster Junge in Shorts und flatterndem T-Shirt, der offenbar fürchtete, mich zu verpassen. Als er mich an meinem gewohnten Platz sah, verlangsamte Aljoschka den Schritt. Immerhin kam er direkt auf mich zu, ohne seine sonst üblichen Kreise zu ziehen.

»Hallo«, begrüßte ich ihn als Erster. Tyrann sah mich an und verzichtete darauf, Aljoschka anzuknurren.

»Guten Tag …«, brachte der Junge verlegen heraus. Er zögerte eine Sekunde, dann fuhr er energisch fort: »Ihr Haus ist durchsucht worden. Zwei Tage hintereinander!«

»Hmm.« Ich nickte.

Aljoschka druckste herum, konnte sich aber nicht entscheiden, mich auszufragen. Am Ende siegte seine Neugier. »Wo waren Sie denn?«

»Weit weg«, sagte ich. »Sehr weit weg.«

»Auf der Zitadelle?« Aljoschkas Augen leuchteten. Selbstverständlich kannte er sämtliche Neuigkeiten aus dem Kosmos. Über die Versammlung der Starken Rassen des Konklaves hatten alle berichtet, auch wenn niemand wusste, was ihr vorausgegangen war.

»Noch weiter«, antwortete ich einsilbig.

»Kann man es von hier aus sehen?«

Natürlich kann man den Kern der Galaxis von der Erde aus sehen. Aber ich wollte dem Jungen eine Enttäuschung ersparen. »Nein.«

Er blieb weiter bei mir stehen und bohrte die Spitze seines Turnschuhs mit den losen Schnürsenkeln in die Erde. Ich wartete geduldig.

»Pjotr … wollen Sie mir denn keinen Stein schenken?«

Wenn er mich gefragt hätte, ob ich ihm einen Stein mitgebracht hätte, hätte ich den Kopf geschüttelt. Aber so … Ich bückte mich und hob einen kleinen Kiesel auf. Einen grauen, staubigen Stein, der sich durch nichts von den Millionen seiner Artgenossen unterschied.

»Hier.«

Der Junge nahm den Stein verwirrt an sich. Er drehte ihn zwischen den Fingern und sah mich an. Seine Augen funkelten misstrauisch auf. Er hatte nicht erwartet, dass sich sein Idol über ihn lustig machen würde … War am Ende also auch ich wenigstens für einen Menschen ein Idol!