»Das ist ein Stück eines Planeten, Aljoschka«, sagte ich. »Ein kleiner Splitter eines kleinen Planeten, auf dem Menschen leben.«
Er schwieg.
»Ein absolut gewöhnlicher Planet, mein Junge«, fuhr ich geduldig fort. »An ihm ist nichts Besonderes. Es gibt viel Wasser, aber auch genug Festland. Die Wolken ziehen so, wie es ihnen gefällt. Es regnet immer genau dann, wenn es dir nicht passt. Es ist wahnsinnig dreckig, die Wälder gehen ein …«
Mit einem Mal wurde sein Blick fester. Und seine Lippen zuckten, aber nicht in einem halbkindlichen Weinen, sondern in einem zaghaften Lächeln.
»Ein stinknormaler Planet«, sagte ich noch einmal. »Aber vorerst haben wir keinen anderen. Stimmt’s nicht?«
Der Junge nickte.
»Und das Wichtigste ist«, fuhr ich nun im Flüsterton fort, weshalb Aljoschka einen Schritt näher an mich heranrückte, »dass wir nicht alle lieben müssen. Und erst recht nicht alle hassen.«
»Das habe ich verstanden«, sagte Aljoschka, der die Hand mit dem Stein anhob. Er betrachtete ihn so intensiv, als sei es ein schillernder Topas von Attassa oder eine betörende Fälschung von Chalduin-12.
»Das ist der wichtigste Stein in deiner Sammlung«, erklärte ich. »Der allerwichtigste.«
»Ich weiß«, versicherte der Junge. Er sah mir in die Augen. »Pjotr Anrdrejewitsch, was meinen Sie, wird man mich in der Fliegerschule aufnehmen?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete ich ehrlich.
»Werden Sie mich empfehlen? Also … wenn ich alt genug bin, meine ich.«
»Ob das etwas nützt?«
»Na und wie!« Aljoschkas Verblüffung war nicht gespielt.
»Dann werde ich dich empfehlen.«
Er nickte. »Kann ich jetzt gehen?«, fragte er.
Nur mit Mühe konnte ich mir ein Lächeln verkneifen. »Geh nur!«
Während ich dem hastig davoneilenden Jungen nachsah, dachte ich darüber nach, dass ich wohl kaum Gelegenheit haben würde, mein Versprechen einzulösen. Meine Empfehlung würde niemandem helfen. Schon gar nicht, wenn es um den Kosmos ging. Eher im Gegenteil.
Trotzdem ist es schön, wenn man dich für einen Helden hält.
In meiner Tasche klingelte das Telefon. Ich holte es heraus und meldete mich: »Hallo?«
»Bist du’s, Pjotr?«, wollte Danilow wissen.
Na so was. Hatten sie ihn also auch gehen lassen? Ich hatte schon befürchtet, der ehemalige FSB-Mitarbeiter würde noch ein, zwei Monate vernommen werden.
»Wer denn sonst?«
»Ich habe dich nicht geweckt?«
»Nein.«
»In fünfzehn Minuten holt dich ein Auto ab. Mach dich etwas frisch. Umziehen kannst du dich im Sternenstädtchen, dein Anzug wird bereits angefertigt.«
Verständnislos schwieg ich.
»Das Konklave schickt ein Ehrenschiff zur Erde!«, schrie Danilow. »Es ist von fünf Torpp umgeben!«
»Und?«, fragte ich, während ich spürte, wie alles in mir drin kalt wurde.
»Hast du’s etwa noch nicht im Fernsehen gehört?«, rief Danilow.
»Ich … nein«, antwortete ich und blickte dem ins Haus schlüpfenden Aljoschka nach.
»Sie kommen, um der Aufnahme der Erde in die Reihen der Starken Rassen beizuwohnen!« Danilows Stimme überschlug sich – und sank plötzlich zu einem Flüstern herab. »Du … du weißt es wirklich nicht?«
Ich schüttelte den Kopf, als hielte ich ein Videofon und kein billiges Handy in der Hand.
»Der Vorsitzende des Konklaves hat erklärt, er möchte die Gespräche bezüglich der Prozedur mit Pjotr Chrumow führen«, sagte Danilow mit einer Stimme, die gleichzeitig feierlich und amtlich klang. »Heute tagt die UNO-Vollversammlung … um deine Vollmachten zu bestätigen.«
Eine geschlagene Minute schwiegen wir beide, als wollten wir die Nerven des anderen testen.
»Pjotr, dir bleiben fünfzehn Minuten zum Packen!«, gab Danilow als Erster nach.
»Eine halbe Stunde«, sagte ich.
»Was?«, schrie Danilow.
»Ich muss noch mit meinem Hund Gassi gehen, Sascha«, teilte ich ihm mit. »Oder hast du was dagegen?«
»Nein …«, sagte er mit einer Stimme, die kaum noch ein Flüstern war.
»Gut«, sagte ich und steckte das Handy weg. »Nicht wahr, Tyrann?«
Der Hund bellte kurz und zustimmend.
»Die sollen auch mal warten«, entschied ich, als ich mit Tyrann die gewohnte Route abging. Zum Zaun, zu den Beeten mit den vertrockneten Astern, zum allerwichtigsten Baum, den es unbedingt zu markieren galt. »Sie können doch ruhig warten, oder?«
Natürlich antwortete mir mein Hund nicht. Aber offensichtlich war er mit mir einer Meinung.
Und als er am Baum geschäftig das Bein hob, musste ich lachen.
Hunderte von Kilometern im Umkreis gab es keinen Hund, der Tyrann sein Revier hätte streitig machen können. Trotzdem bestand er hartnäckig darauf, sein Territorium abzustecken.
Vielleicht war das in der Tat ebenso wichtig wie die feierliche Zeremonie zur Aufnahme der Menschheit in die Reihen der Starken Rassen?
Meinem Großvater würde dieser Vergleich gefallen. Wie falsch er auch sein mochte. Da war ich mir sicher.