»Vielen Dank, Mascha. Das ist genau das, was ich jetzt brauche.«
In der Regel hören Frauen immer gern Komplimente bezüglich ihrer kulinarischen Meisterschaft. Selbst wenn sie nur eine Konservendose aufgemacht haben, sollte man sich so begeistert zeigen, als hätten sie gedämpften Stör oder lockeren usbekischen Pilaw aufgetischt. Auch Mascha nahm das Kompliment zufrieden auf.
»Mir ist völlig schleierhaft, wie ihr für einen ganzen Monat wegfliegen könnt«, erklärte sie, »ohne etwas Anständiges zu essen dabeizuhaben.«
»In den Weltraumbahnhöfen gibt es Restaurants. Da kann man anständig essen.«
»Ach ja? Werden die denn von der Erde beliefert?«
»Natürlich nicht. Normalerweise erhalten die Außerirdischen bloß Proben von Fleisch, Kartoffeln und Kräutern. Die Aliens imitieren dann unsere Lebensmittel auf der Grundlage ihrer synthetischen Nahrungsmittel. Das ist zwar auch teuer, aber billiger, als wenn sie die Waren importieren würden.«
»Und schmeckt wahrscheinlich besser«, bemerkte Mascha.
»Nicht unbedingt. Richtiges Essen ist immer unterschiedlich. Sogar auf der Erde schmecken die Kartoffeln von den Nachbarfeldern anders. Und das gilt erst recht für Fleisch, schließlich gibt es keine zwei identischen Kühe.«
»Es ist widerwärtig, Tiere zu töten, um etwas zu essen zu haben«, sagte Mascha plötzlich.
»Du wirkst gar nicht wie eine Vegetarierin …«
»Bin ich auch nicht, aber nur aus Vernunftgründen. Tierische Nahrung ist notwendig, deshalb nehme ich sie zu mir.«
Diese Sicht der Dinge amüsierte mich. Wenn du gern Fleisch isst – warum dann diese Verrenkungen?
»Ist das irgendwie komisch?«, fragte Mascha streng.
»Ja. Deine militärischen Kenntnisse und deine Tierliebe sind …«
»Ja, ja, ich weiß, Hitler war auch Vegetarier … Pjotr, ein ehrlicher Kampf ist eine Sache, etwas anderes ist es, Tiere als Nahrungsmittel zu verwenden.«
Ich setzte den Streit nicht fort, das bringt in solchen Fällen nie etwas. »Trotzdem ist deine Begeisterung für Waffen eher typisch für Männer«, sagte ich nur noch.
»Ja und? Meine ganze Kindheit über habe ich darunter gelitten, kein Junge zu sein. Man hat mich sogar zu einem Psychiater geschleppt. Ich litt aber nicht unter sexuellen Störungen, sondern zeigte nur eine erhöhte Aggressivität und einen enormen Drang zur Macht.«
Ich verschluckte mich am Kaffee und gelobte mir feierlich, mit Mascha nie wieder ein Gespräch über ein solches Thema anzufangen. Eine derartige Offenheit erschreckt mich immer.
Andererseits schrie die Situation förmlich nach solchen Gesprächen. Mein Großvater samt Zähler – jetzt musste ich die beiden ja immer zusammen denken – waren sonst wo. Vielleicht besprachen sie etwas mit dem Kommandanten, keine Ahnung. Und Danilow war beim Shuttle geblieben.
»Vorhin habe ich zunächst gedacht, du willst die Waffenkammer plündern«, wechselte ich ungeschickt das Thema. »Wegen deiner erhöhten Aggressivität.«
»Wozu das? Wir haben eine Waffe, die auf einem Kraftfeld basiert, eine Mikrowellenwaffe und nicht zu vergessen den Ggorschsch. Warum hätten wir es übertreiben sollen? … Sag mal, Pjotr, darf ich dir eine persönliche Frage stellen?«
Obwohl ich mit dem Schlimmsten rechnete, nickte ich.
»Nimmt dich der Tod deines Großvaters sehr mit?«
»Was?!«
Mascha seufzte und setzte sich mir gegenüber hin. »Er ist doch tot, Pjotr. Man kann ja wohl nicht allen Ernstes glauben, ein Mensch sei lediglich eine Ansammlung von elektrischen Signalen in den Synapsen.«
»Was denn sonst? Die Seele?« Da meine Kehle völlig ausgetrocknet war, fing ich an zu stammeln.
»Nicht unbedingt. Ich bin nicht gläubig. Aber der Körper macht mindestens die Hälfte eines Menschen aus.«
Ich sah ihr in die Augen. Nein, sie erlaubte sich keinen Spaß. Und mit so etwas machte man auch keinen Spaß.
»Mascha, für dich und für mich mag das vielleicht zutreffen. Wir sind schließlich noch jung. Bei uns brodeln die Hormone noch.« Zu meiner eigenen Überraschung wechselte ich plötzlich in einen eher zynischen Ton: »Für dich mag ich sexuell anziehend sein …«
»Durchaus«, antwortete Mascha gelassen, »aber nicht so stark wie Sascha Danilow.«
»Mein Großvater hat jedoch bereits das Alter überschritten, wo er …« Ich schluckte eine offene Beleidigung hinunter. »Er ernährt sich hauptsächlich von Joghurt und Babybrei. Heimlich eine Pfeife zu rauchen, ist für ihn ein Ereignis, einen Wodka zu trinken, die reinste Orgie.«
»Und was ist, wenn er durch den Garten wandert, Blumen pflückt und den Hund streichelt?«
»Wenn ich auf der Erde bin, muss ich ihn ständig zu einem Spaziergang nach draußen jagen!«
»Trotzdem, Petja.«
»Mascha … liebst du ihn etwa?«
»Ich habe Andrej Valentinowitsch geliebt und werde ihn immer lieben!«, herrschte mich Mascha an. »Ihn – und nicht diese Eidechse mit seinem Gedächtnis.«
In mir explodierte etwas. Kurz zitterte der Kaffeebecher in meiner Hand, bereit, einen Flug zu einem klar definierten Ziel anzutreten.
Daran hinderte mich nur, dass der Kaffee noch zu heiß war.
Ich stand auf und verließ die Kajüte. Ich musste Danilow beim Check des Shuttles helfen. Schließlich war ich der zweite Pilot.
Der zweite Pilot – und keine Frau voller Komplexe, für die ein Mensch und sein Äußeres untrennbar miteinander verschmolzen waren.
Was auch immer die Motive der Alari sein mochten – ob sie uns in unserer Rückständigkeit nicht über den Weg trauten oder echte Freundschaft für uns empfanden – jedenfalls hatten sie das Steuerungssystem der Fähre in der Tat nicht verändert. Der Navigationscomputer hegte nach wie vor die feste Überzeugung, das Schiff sei mit ganz normalen Flüssigkeitsraketentriebwerken ausgestattet. Weder der praktisch unerschöpfliche Brennstoffvorrat noch die enorme Schubkraft konnten ihn davon abbringen.
Mit Mascha hatte ich kein Wort mehr gewechselt. Sie sah mich immer wieder an und bedauerte zweifellos ihre Offenheit, ich zog es jedoch vor, ihre Blicke zu ignorieren. Meinem Großvater sagte ich natürlich auch nichts davon.
Die Waffen und die Nahrung, die uns die Alari zur Verfügung gestellt hatten, wollten wir zunächst im Frachtraum unterbringen. Über unserer überstürzten Flucht und dem Flug hatten wir allerdings die dort verstauten, auf Jel sehnsüchtig erwarteten Büsten völlig vergessen. Nun starrten uns die blicklosen Köpfe der Parteiführer aus dem letzten Jahrhundert, der Helden der Krim-Krise und der Präsidenten unserer Verbündeten tadelnd an.
Der Proviant musste in der Kabine untergebracht werden.
Ich blieb bis zur letzten Minute im Shuttle. Als einschließlich meines Großvaters samt Zähler alle eingestiegen waren, drückte ich Danilow die Hand und sprang hinaus. Von unten sah ich Danilow, der sich ewig mühte, die Luke zu schließen, noch zu. In der Halle hatten sich zahllose Alari versammelt, darunter auch der Kommandant. Bevor ich ins Schiff der Geometer kletterte, ging ich noch einmal zu ihm.
»Ich hoffe, mein Offizier enttäuscht mich nicht«, sagte der Alari leise.
Was soll ich jetzt am besten antworten, Cualcua?
Mein Symbiont schwieg eine Sekunde, ich glaubte sogar schon, er wollte die Frage ignorieren.
Glaube und Liebe werden mir helfen.
»Glaube und Liebe werden mir helfen.«
Im Blick des Alari leuchtete lebhafte Neugier auf.
»Pjotr Chrumow, wofür hältst du mein Verhalten? Für einen schlauen Trick, wie Alexander Danilow vermutet?«
Sie haben ein feines Gehör. Genauer, nicht sie, sondern die Cualcua …
»Nein«, antwortete ich, nachdem ich kurz nachgedacht hatte. »Für einen Vertrauensbeweis.«
»Verspürst du Dankbarkeit?«