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Danilow schüttelte den Kopf. »Uns ist sehr wohl bekannt, dass auf der Erde Dutzende von Menschen mit einem Symbionten herumlaufen.«

Bildete ich mir das nur ein oder hörte ich tief in meinem Bewusstsein ein leises Lachen?

»Einer mehr oder weniger …«, fuhr Danilow fort. »Falls der Cualcua mich gerade hört – ich bin sehr froh, dass ihre Rasse keinen Ehrgeiz kennt. Und Neugier ist kein Laster. Ist dir die Alternative jetzt klar?«

»Vollauf.«

Danilow wartete. Ich hüllte mich in Schweigen, obwohl ich meine Entscheidung bereits getroffen hatte. Mit meinem langen Schweigen wollte ich den Oberst jedoch dazu bringen, als Erster das Wort zu ergreifen. Der aber hatte schon ganz andere in die Knie gezwungen.

»Du kannst meinem Großvater sagen, dass ich einverstanden bin.«

Danilow nickte. Er stand auf und hielt sich an der offenen Luke fest. »Nur eins noch, Petja«, ließ er fallen. »Entschuldige, aber wir müssen bestimmte Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Sehr strenge. Sehr, sehr strenge.«

Fünf

»Ich hätte nicht geglaubt, dass es so was wirklich gibt«, sagte ich.

Mascha legte mir einen Halsring aus Metall an. An der Innenseite war er mit weichem Filz verkleidet, eine Sorge, die ich als besonders rührend empfand, fast wie eine frisch geschärfte Klinge bei einer Guillotine.

»Wirklich gibt es so was auch gar nicht«, entgegnete Mascha kühl. »Das haben nur wir.«

Der Eindruck, einen Roman über ein totalitäres Regime aus der Bibliothek meines Großvaters zu lesen, spitzte sich bis zum Wahnsinn zu. Ich krümmte mich, als wollte ich dem Stahlkragen entkommen. Ich sah den Reptiloiden an. Und meinen Großvater, der zum ersten Mal das Wort ergriff, seit wir auf der Station gelandet waren: »Maria, habt ihr meine vielversprechenden Notizen genutzt? Den Katalog der nicht existierenden Waffen?«

»Nein. Es existiert bereits seit dem letzten Jahrhundert eine Abteilung zur Auswertung von Ideen in SF-Romanen. Sowohl bei uns als auch bei der CIA.«

Mir fiel auf, wie sie jeden Blick Richtung Reptiloid mied.

Was immer Mascha sich auch einreden mochte – dass Andrej Valentinowitsch nicht mehr unter den Lebenden weilte, dass der Zähler sein Bewusstsein geschluckt hatte – ganz wohl war ihr nicht in ihrer Haut. Ja, es war ihr sogar ausgesprochen unwohl, so dass sie mir ein wenig leidtat.

»Lange Erklärungen kann ich mir wohl sparen, oder, Pjotr? Es ist ein Codeschloss … übrigens ein mechanisches. Mit Funkempfänger. Und fünfundzwanzig Gramm Sprengstoff.«

»Nicht gerade viel.«

»Es reicht völlig, Petja.«

Sie hob die Hand, um mir die winzige Fernbedienung zu demonstrieren.

»Entferne dich nicht weiter als zehn Meter von mir. Sonst ertönt erst ein akustisches Signal, fünf Sekunden später explodiert das Ding.«

Wir saßen in der Kajüte des Stationskommandanten. Ich, der Reptiloid, Danilow, Mascha und zwei mir unbekannte Offiziere. Der Ältere von beiden war anscheinend der Kommandant, bei dem anderen, einem jüngeren und kräftigeren Mann, der aus irgendeinem Grund einen leichten Raumanzug trug, dürfte es sich um den Geheimdienstbeauftragten der Station handeln.

»Und wenn dieses Ding die Verkleidung durchschlägt?«, fragte der Kommandant mit militärischer Direktheit. Was in dem Fall mit meinem Hals passierte, interessierte ihn nicht.

»Das ist ausgeschlossen. Die Explosion geht nach innen los«, beruhigte Mascha ihn.

Danach gab es keine Fragen mehr. Danilow erhob sich, nickte und zeigte zur Tür. Die Kapitänskajüte lag am äußersten Rand der Station, die Anziehungskraft war hier etwa halb so groß wie auf der Erde. Ich reagierte nicht sofort, denn ich schaute durch das riesige Fenster, durch das die Erde zu sehen war. Eine kleine, schöne Erde, bestehend aus dem Blau der Meere und einem grauen Wolkenschleier. Mit Kontinenten, deren Form nicht genormt war, und mit Menschen, die absolut nicht genormt waren. Aber nicht einmal sie trugen die Schuld daran, dass man mir ein Halsband mit fünfundzwanzig Gramm Sprengstoff umgelegt hatte. Nicht einmal jener Schriftsteller, der sich als Erster dieses Ding ausgedacht hatte, trug die Schuld daran.

»Ich aktiviere es jetzt«, teilte Mascha mit. Nachdem sie einen Knopf an der Fernbedienung gedrückt hatte, blinkte am Halsband ein orangefarbenes Lämpchen auf. Trüb und langsam, fast im Takt meines Pulses. »Denk dran: zehn Meter.«

»Danke, Mascha.«

Ich löste den Blick vom Fenster und stand auf.

»Das ist eine unverzichtbare Vorsichtsmaßnahme, Petja. Und sie kommt ja nur in der ersten Phase zum Einsatz«, erklärte mir Danilow.

Ihm war das Ganze offensichtlich peinlich.

»Willst du mir nicht auch so eine Halskrause verpassen, Maschenka?«, fragte mein Großvater.

»Das ist nicht nötig. Versuch einfach, uns nicht zu berühren.«

Der Reptiloid folgte Danilow mit einem altersschwachen Krächzen. Er drehte sich kurz um und sagte: »Wann habe ich mich nur in dir getäuscht, Mädchen?«

Mascha ignorierte seine Worte.

So gingen wir zum Hangar. Vorneweg Danilow, dann der Reptiloid und ich, hinter uns Mascha und der junge Offizier. Wie ich feststellte, waren alle mit Paralysatoren bewaffnet. Entweder hatten sie die Dinger inzwischen nachgeladen oder sie waren doch nicht eine solche Rarität.

Im Gang und im Treppenschacht war niemand zu sehen. Wahrscheinlich hatte man den Weg vorher für uns freigemacht. Wir stiegen die schmale Treppe hinauf, die sich durch den Schacht wand. Mein Körper wurde immer leichter, die Bewegungen immer fließender.

»Wenn du vorgehabt hast, sie zu täuschen oder abzuhauen, dann geht das jetzt nicht mehr«, sagte der Reptiloid. Anscheinend wirklich der Reptiloid.

»Großpapa«, rief ich.

»Was ist, Petja?«

»Hast du geglaubt, dass ich das wollte?«

»Das möchte ich lieber nicht sagen.«

Alles klar.

Die Flucht würde mir gelingen, ohne Frage. Im Grunde wäre es sogar das reinste Kinderspiel. Der Scout brauchte nur fünf Sekunden, um aus dem Hangar auszubrechen und im Hyperraum zu verschwinden. Aber dann … nach meinem Tod würde das Schiff vermutlich zu den Geometern zurückkehren. Das Ganze wäre nicht mehr als Rache um der Rache willen. Noch dazu eine selbstmörderische.

Danilow, der voranging, drehte sich um. »Pjotr … du verzichtest auf alle Dummheiten, ja?«

Ich schielte auf das unter meinem Kinn blinkende Lämpchen und schwieg.

»Das ist eine blöde Situation …«, sagte Danilow leise. »Aber uns rennt die Zeit davon. Wenn wir uns hätten zusammensetzen können, über alles reden, ein Gläschen trinken … und alles durchkauen. Aber immer fehlt es an Zeit.«

Er stieß sich von den Stufen ab – hier gab es kaum noch Schwerkraft – schwebte an die Decke und öffnete die Luke in den Hangar. Ich sprang ihm hinterher, eine Reflexhandlung, mehr nicht.

Das Lämpchen an meinem Halsband glomm mit einem gleichmäßigen roten Licht auf, das Signal fiepte los.

Mir blieb nicht mal Zeit, in Panik zu geraten. Maschas Schrei »Du Idiot!« verschmolz mit dem lauten Gefluche Danilows, der von oben zu mir herunterguckte. Im nächsten Moment stieß er mir den Fuß gegen die Schulter, sodass ich nach hinten flog. Ich klammerte mich krampfhaft an eine Stufe, hing in der Luft und presste mich gegen die Treppe.

Der Signalton verstummte, das Lämpchen blinkte wieder im Takt. Mascha war neben mir, ihr Gesicht kreidebleich. Der Offizier hielt den Paralysator fest gepackt, als habe er nicht begriffen, dass er nicht schießen müsse.

»Was machst du nur, was machst du nur, Petja?!«, stieß Mascha mit zitternder Stimme aus.

Zu gern wollte ich glauben, die Aussicht, ich könne sterben, hätte sie erschreckt – und nicht die, die Operation könne platzen.

»Hab’s vergessen«, gab ich zu. »Einfach vergessen.«