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»So. Das nicht identifizierte Flugzeug reagiert nicht und setzt seinen Flug in Richtung Staatsgrenze fort.«

»Ich verlange noch einmal, mir zu folgen … und ich gebe weitere Warnschüsse ab.«

»Warum schießt du das Flugzeug eigentlich nicht ab?«

Der Major lacht. Er genießt es, mich in die Enge zu treiben. Es ist nicht so, dass er mich nicht mag – das macht er mit allen. Aber besonders gern halt mit den besten Kursteilnehmern.

»Nein, ich schieße es nicht ab.«

Um mich herum schaukelt der Himmel. Der alte Zweisitzer fliegt in einer Höhe von zehn Kilometern. Eigentlich müsste ich steuern, aber der Major hat sich den Steuerknüppel geschnappt. Er hat nicht mehr oft die Gelegenheit zufliegen. Und auf mich wartet noch die ganze Zukunft.

»Übrigens hat die 67er keine Schusswaffen. Hast du mal versucht, Warnschüsse mit zielsuchenden Raketen abzugeben?«

Ich hülle mich in Schweigen.

»Gut. Du hast die Anweisungen genau befolgt. Das Flugzeug fliegt weiter Richtung Grenze.«

»Ich nehme mit dem Boden Kontakt auf.«

»Du kriegst die Antwort: ›Handeln Sie den Umständen entsprechende Das antworten sie immer, Flugschüler. Vergiss nie, du sitzt am Steuer und du allein trägst die Verantwortung. Manchmal natürlich auch noch der vor Angst schweißnasse Offizier, der am Mikro sitzt …«

»Ich nähere mich dem Flugzeug, um den Typ festzustellen.«

»Es ist mit gleicher Wahrscheinlichkeit ein Passagierflugzeug vom Typ Boeing, eine Maschine der Radaraufklärung oder der Landetruppen.«

»Das kläre ich jetzt.«

»Nein, Flugschüler. Es ist nachts, und du sitzt in einer alten Maschine … du kannst nichts feststellen. Was tust du als Nächstes? Zehn Sekunden! Das Objekt nähert sich neutralem Gebiet! Übernimm das Steuer.«

Warum spielt er das alte Spiel der koreanischen Boeing ausgerechnet mit mir? Warum? Ausgerechnet mit mir, wo meine Eltern abgestürzt sind … und niemand weiß, ob das einfach an Materialermüdung lag oder ob ein übereifriger Soldat der Luftwaffe … der sich in seiner alten Maschine am Himmel verirrt hatte, von der Unentschlossenheit der Bodenstation völlig ausgelaugt war, sich an den amerikanischen »Quarantänegürtel« erinnerte, der in den Jahren der Junta-Regierung eingerichtet worden war, an die frech gewordenen Chinesen …

»Die Zeit ist um!«

»Feuer!«

Ich drücke sogar den Knopf. Reflexhaft drücke ich, nachdem ich die Sicherung entfernt und damit das Flugzeug aus dem Takt gebracht habe – die Nase hebt sich zu dem nicht existierenden Zerstörer-, den roten Abschussknopf voll durch.

Natürlich passiert nichts. Der Knopf leuchtet, oberes gibt keinen Rückstoß von abgehenden Raketen. Niemand würde einem Zweisitzer bei einem Ausbildungsflug einsatzbereite Kampfraketen mitgeben.

Der Major sagt nicht gleich wieder etwas. Und als er es tut, liegt in seiner Stimme leichte Verblüffung.

»Das Ziel ist getroffen, Flugschüler. Das brennende Flugzeug stürzt ab. Was tust du als Nächstes?«

»Ich behalte das Ziel im Auge, bis es Bodenkontakt hat.«

»Hast du keine Angst zu sehen, was es war?«

»Doch.«

»Verzeih einem alten Idioten, Petja«, bittet der Major mit einem Seufzer. »Flieg zum Stützpunkt zurück!«

Unsicher fliege ich einen Bogen, meine Hände scheinen mir nicht mehr zu gehören, aber der Major korrigiert mich nicht. Um uns herum gibt es nichts als Himmel.

»Normalerweise behaupte ich, es war ein Passagierflugzeug«, gesteht der Major mit leiser Stimme. »Wir … wir müssen das sagen. Damit erst gar kein Übermut aufkommt. Das Land braucht keine Zwischenfälle.«

Ich schweige.

»Aber dir sage ich die Wahrheit«, teilt mir der Major sachlich und unmissverständlich mit. »Es war ein amerikanischer Bomber.«

Ich stand. Ich war schon aufgestanden.

Welchen Sinn hatte es, einen Bomber abzuschießen, der mit seiner todbringenden Fracht auf dem Rückflug war?

Einen ganz ummittelbaren natürlich.

Um jemandem eine Lektion zu erteilen.

Hast du es jetzt verstanden, Pjotr?

Ich war noch nicht wieder ganz zu mir gekommen. Ich sah mich in dem engen Bad um. Hier war niemand, nur die Stimme des Cualcua erschallte tief in meinem Hirn. Ein deutliches und leises Flüstern. Ich befand mich auf einem Planeten des Schattens. Die Erde mit ihren Problemen einer Spielwelt war unvorstellbar weit weg.

»Ich glaube schon. Was war das?«

Die Erfassung. Als du durch das Tor gegangen bist, ist genau das mit dir passiert. Nur hast du es nicht gespürt. Ich habe alles etwas grober gestaltet. Mit Absicht.

Mir war schwindlig. Erinnerungen sausten um mich herum, wirbelten durcheinander und machten mir das Herz eng. Schatten von Erinnerungen …

Jetzt kenne ich dich wesentlich besser. Ich habe dich erfasst – und kann es dir erklären. Stell dir vor, du hieltest ein Papierflugzeug in der Hand. Du holst aus und lässt es fliegen … So funktionieren die Kabinen der Geometer. Und jetzt stell dir vor, du würdest das Papier zunächst entfalten. Um alles zu lesen, was darauf steht.

Dann würdest du es wieder falten. Das sind die Tore vom Schatten.

»Und du hast Angst bekommen, weil jemand meine Gedanken gelesen hat?«

Nein. Denn das ist nichts Besonderes. Jedes intelligente Wesen, dessen Verstand mindestens eine Stufe höher angesiedelt ist als deiner, könnte dich erfassen.

Das heißt?

Ja. Auch ich bin erfasst worden.

Interessant. Der Cualcua war daran gewöhnt, die Welt zu betrachten, ohne im Gegenzug etwas zu fordern, aber auch ohne etwas zu geben … nichts Wesentliches jedenfalls, einzelne Zellenindividuen zählen schließlich nicht.

Mindestens eine Stufe, Pjotr! Begreif das. Es gibt eine ungeschliffene Kraft wie die Daenlo, Hyxoiden oder die Torpp. Dann gibt es die genial organisierte Rasse der Zähler. Aber sie sind zu stark auf ihre Individualität fixiert. Deshalb haben sie den Weg der Verstandsverschmelzung nicht beschritten. Bei allen Rassen gibt es einzelne Individuen mit einem großen geistigen Potenzial. Mitunter verfügen sie nur über ein absolut zu vernachlässigendes Wissen, dafür sind sie jedoch imstande, sich dem Neuen zu öffnen. Aber mich hat ein in sich geschlossener Verstand erfasst, der sich mit meinem vergleichen lässt, ihm aber weit überlegen ist. Er hat mich umgestülpt, absorbiert und wieder losgelassen. Mir blieb keine Möglichkeit, etwas dagegen zu unternehmen. Wenn ich es vorher gewusst hätte …

»Dann hättest du dich umgebracht. Jenen Teil von dir, der in meinem Körper lebt. Und wahrscheinlich wäre ich dann auch gestorben.«

Ich lachte. Also das amüsierte mich nun wirklich.

»Du hast dich daran gewöhnt, einfach in fremden Körpern zu hocken, nicht wahr, Cualcua? Die Welt zu beobachten und Wissen anzuhäufen? Passiv und die Ruhe genießend … Aber jetzt ist es vorbei mit der Ruhe, mein Freund. Wir sind jetzt gleich … gleichermaßen unbedeutend.«