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Die dritte Kolonisation erfolgte vor zweitausend Jahren. Ihr Ergebnis hatte ich inzwischen kennengelernt …

»Die dritte Kolonisation. Vor zweitausend Jahren. Eine Rekonstruktion und Archivaufzeichnungen.«

Schiffe wurden diesmal nicht gezeigt, sondern ausschließlich Städte, obendrein schon ziemlich viele. Die Natur befand sich in einem Prozess der Veränderung, man konnte förmlich zusehen, wie der Dschungel verdorrte und recht freundlichen Wäldern wich. Die schlammigen Meere wurden sauber, die ersten Schiffe und Jachten befuhren sie. Diese Prozesse faszinierten mich, ob ich wollte oder nicht. Der Planet verwandelte sich nicht einfach im Handumdrehen in einen freundlichen Ort – sondern in das reinste Paradies. Und deswegen zettelte man einen Krieg an? Sie mussten den Verstand verloren haben, diese grünärschigen Ökos!

»Eintritt in den Schatten. Vor eintausendfünfhundert Jahren. Archivaufzeichnungen.«

Ich erschauderte.

Es schien alles unverändert. Ich kriegte genau dieselbe Landschaft vorgeführt … nein, halt!

Die Tore!

Ich spürte sie wie eine Kompassnadel den Magnetpol. Jene »Bereiche, die Energie absorbieren«, von denen das Schiff der Geometer gesprochen hatte. Die Flecken waren über den ganzen Planeten verstreut.

Ansonsten war jedoch alles gleich geblieben.

»Vor eintausendzweihundertundsechs Jahren. Entstehung der grünen Bewegung. Eine Rekonstruktion, Archivaufzeichnungen und Spielfilmszenen.«

Auf den Schatten wurde nicht mehr eingegangen. Als ob es völlig ausreichte, ihn zu erwähnen und nur ein ausgemachter Idiot danach noch Fragen haben könnte. Begriffsstutzig glotzte ich auf die auftretenden Ökologen, hörte mir ihr Lamento zum Tod der »ursprünglichen endemischen Umwelt« an, verfolgte die Experimente zur Schaffung von Naturschutzgebieten für Reliktenformen. Ihnen folgten Experimente zur Anpassung des menschlichen Organismus an die ursprüngliche Biosphäre. Mehrmals wurden Kundgebungen gezeigt, die sich zu Zusammenstößen und Schlägereien auswuchsen. Das Ganze wurde ausgesprochen ruhig und sachlich kommentiert. Ich hatte den Eindruck, die Informationen seien tatsächlich in einer untendenziösen Weise zusammengestellt worden. Und irgendwie hatten die Grünen ja recht: Auf dem Planeten könnte immer noch ein eigenes intelligentes Leben entstehen, aber da die Umwelt nun einmal zerstört worden war, musste man von dem, was noch übrig war, so viel wie möglich bewahren und sich eventuell selbst eine leere ökologische Nische suchen. Auch wenn das blanker Unsinn war, ihre Motive waren edel. Irgendwann nahm die Zahl der Grünen sprunghaft zu. Und zwar so stark, dass sie nun mit der Zahl der Bürger gleichzogen, die jede Veränderung ablehnten. Die ganze Zeit über wurde ich den Eindruck nicht los, die Frauen auf diesem Planeten seien einzig und allein mit dem Kinderkriegen beschäftigt, denn die Bevölkerung stieg offensichtlich in abnormem Tempo an. Die Städte wuchsen, es entstanden Zonen für normale Menschen und für Grüne. Nachdem ein Abkommen ausgehandelt worden war, trennten sich beide Bevölkerungsgruppen voneinander. Die Grünen erhielten die nördliche Halbkugel, die Technokraten – so hatte ich sie für mich genannt – die südliche. Anfangs entschärfte das die Situation. In den nächsten zweihundert Jahren bespöttelte und verhöhnte man einander, baute ein Kontrollsystem über das jeweils eigene Territorium und militärische Strukturen auf. Es wurden Szenen aus einer Komödie eingespielt, in der beide Seiten gleichermaßen als dumm, aber unschuldig dargestellt wurden. Ab und an wurde der Schatten erwähnt, aber stets nur eingebunden in den Kontext und vage, etwas in der Art wie: »Wir sind eine völlig einmalige Welt im Schatten …« oder »Was unterscheidet uns von allen anderen Welten des Schattens?« Sobald die Grünen die Transformation ihrer Kontinente und Küstengebiete abgeschlossen hatten, nahmen sie sich die Meere vor. Genau damit begannen die Probleme. Die Meere waren nämlich miteinander verbunden. Die einheimische Flora und Fauna, die bereits völlig vom Planeten verschwunden zu sein schien, breitete sich mühelos und gierig wieder aus. Man beschuldigte sich gegenseitig. Die Flugzeuge der Technokraten verbrannten sämtliche widerständigen fremden Lebensformen an ihrer Grenze, die Grünen »säten« neues Leben an ihrer. Und sie waren wesentlich erfolgreicher. Jedenfalls zeigten die Meere nun wieder den Zustand während der ersten Kolonisation.

Das war’s.

Der Film endete, die illusorische Welt um mich herum löste sich auf. Ich saß wieder im Zimmer vor einem laufenden Fernseher.

Damit hatte ich also die gewünschten Informationen erhalten. Jetzt konnte ich versuchen, sie auszuwerten. Wenn man alles auf die reinen Fakten reduzierte – wobei ich nicht vergessen sollte, dass die Bewohner des Schattens sich im Alltag wie ganz normale Menschen von der Erde aufführten, mit einer gehörigen Portion an Melodramatik und völlig normalen Gefühlen – was blieb dann übrig? Es gibt – oder gab – eine Metropole. Jene Ur-Erde …

»Einführungskurs zur Ur-Erde«, bat ich.

»Darüber liegen keine Informationen vor.«

Hoppla!

»Gar keine?«, fragte ich etwas dämlich. Der Apparat überlegte ein Weilchen.

»Indirekte. Die Ur-Erde ist die Heimat der menschlichen Rasse. Diese These begegnet in unterschiedlichen Formulierungen in Spielfilmen und Archivmaterialien.«

Was hatte der Film noch hergegeben? Ach ja, dieses Imperium …

»Einführungskurs über das Zweite Imperium und die Entwicklungsunion«, bat ich, obwohl ich die Antwort schon ahnte.

»Darüber liegen keine Informationen vor.«

»Indirekte?«

»Es handelt sich um zwei politische Kräfte, die im Kampf um die Herrschaft in der Galaxis zu aktiven Kriegshandlungen griffen. Erstmals wurden sie vor etwa viertausend Jahre erwähnt, letztmals vor etwa zweitausend Jahren. In manchen Perioden galt das Imperium als die progressivere Kraft, in anderen die Entwicklungsunion.«

»Du« – in meiner Aufregung fing ich an, den Apparat zu personifizieren –, »du hast mir Spielfilmszenen über das Zweite Imperium und die Union gezeigt. Das sind doch auch Informationen.«

»Die Spielfilmszenen sind unzuverlässig, weil sie einander widersprechen. Sie können nicht die Basis für einen Informationskurs bilden.«

Logisch. Dann wollen wir doch mal sehen, was passiert, wenn ich mich der Sache auf einem Umweg nähere …

»Einführungskurs zu anderen Planeten des Schattens!«

»Darüber liegen keine Informationen vor.«

»Hast du denn nur Informationen zu diesem Planeten?«

»Ja.«

Hervorragend. Alle Informationen über die Welt jenseits dieses Planeten waren nur indirekt. Damit schottete sich dieser Planet nicht nur ab, sondern legte eine Gleichgültigkeit an den Tag, die … Aber Schnee stammte doch von einem anderen Planeten! Von diesen … Regenbogen-Brücken … Also musste es doch eine Verbindung zur Außenwelt geben! Wie konnte man da auf jegliche Informationen über sie verzichten?!

Das warf mich um. Wenigstens elementare Neugier musste es doch geben! Wie leben unsere Artgenossen im Sternenimperium? Selbst wenn sie nicht auf Handel angewiesen waren, auf den Austausch von Wissen – aber sie mussten doch neugierig sein!

»Was ist der Schatten?«, fragte ich leise.

»Ein gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Verband, der die Grundlage der modernen Zivilisation bildet.«

Das war immerhin etwas. Mit dieser Definition dürfte ich doch weiterkommen. Feudalismus, Kapitalismus, Kommunismus und Technokratie. Der Schatten.

»Wann ist der Schatten entstanden?«

»Vor etwa eintausendfünfhundert Jahren.«

»Wodurch unterscheidet sich der Schatten von früheren Zivilisationsformen?«

»Der Schatten garantiert uneingeschränkte Freiheit und das Glück jeder einzelnen Persönlichkeit. Der Schatten bietet unbegrenzte Möglichkeiten zur Entwicklung und Vervollkommnung jedes Individuums.«