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Pjotr!

Pjotr!

Weshalb wiederholte er ständig meinen Namen?

Wusste der Cualcua etwa nicht, dass man in Ruhe sterben muss. Vor allem jetzt, wo ich nicht mehr unter Atemnot litt und nicht eingeengt war, sondern in warmen Wellen davonzuschwimmen schien und glaubte, alles sei gut …

Nur mein Kopf schmerzte. Es hämmerte in den Schläfen.

Diesen Schmerz kannte ich schon.

Pjotr, komm zu dir! Hörst du mich? Antworte! Lebst du noch? Antworte!

Ob ich lebte? Anzunehmen. Denn selbst wenn es im Jenseits etwas geben sollte, dann bestimmt keinen sturköpfigen Cualcua. Dieser kleine, feige, gleichgültige Gott. Wie lange er sich hinter seiner Gleichgültigkeit verborgen hatte … aber jede Gleichgültigkeit hat ihre Grenzen. Und er brauchte mich nun einmal als wandelnde Unterkunft für seinen Verstand, der nicht in die grausame und riesige Welt hinauskriechen wollte. Trotzdem war es kaum zu glauben, dass er mich gerettet hatte.

Pjotr! Öffne die Augen! Steh auf!

Ich gehorchte. Schließlich würde kaum etwas Gutes dabei herauskommen, wenn der Cualcua mir auch noch bei der Steuerung meines Körpers behilflich wäre. Besser, ich schuf keinen Präzedenzfall.

Die Sonne ging unter.

Was für ein schöner Sonnenuntergang.

Ich lag im Gras, im trockenen, pikenden Herbstgras, das den flachen Hang eines Hügels bedeckte. In der Ferne zog sich ein glutrot und golden gesprenkelter Wald dahin.

Herbst?

»Wo ist der Stützpunkt, Cualcua?«

Ich setzte mich auf und fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. Gerade eben hatte da noch eine Wunde geklafft.

Jetzt spürte ich nur noch eingetrocknetes Blut und darunter eine dicke Narbe.

»Die Haut ohne Spuren nachwachsen zu lassen, das wäre wohl zu viel verlangt gewesen?«, fragte ich.

Ich fühlte mich völlig ausgepumpt. Ausgewrungen und vertrocknet, ohne ein einziges Gefühl, eine einzige Emotion in mir. Die grünen Umweltschützer, Schnee, der seinen eigenen Namen nicht leiden konnte, die zusammengequetschte Delta, Hauptmann Galis, der versucht hatte, mich zu fressen – all das war weit, weit weg. Geblieben war nur diese Herbstwelt, ein fast russischer Herbst mit kühler klirrender Luft.

Die Wunde habe nicht ich verschlossen.

»Wer dann?«, fragte ich begriffsstutzig.

Das Tor ist in Funktion getreten. Du bist in eine andere Welt gekommen.

Mit einem Nicken akzeptierte ich seine Worte. Es konnte in der Tat nicht der Planet sein, den ich schon kannte. Nicht, weil ich anstelle des Dschungels ganz gewöhnlichen Wald sah, und auch nicht, weil es sehr still war. Sondern einfach weil jede Welt ihren eigenen Geruch hat. Sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn. Und hier roch es nicht nach Krieg.

»Und wer hat mich gerettet?«

Das Tor. Es hat deinen Organismus entgiftet. Es hat die Verletzungen geheilt. Und es hat alle von mir vorgenommenen Modifikationen rückgängig gemacht.

»Sind wir diesmal auch wieder erfasst worden, Cualcua?«

Ja.

»Wie viel Zeit ist vergangen, Cualcua?«

Wie viel wiegt ein Sonnenuntergang? Wie riecht der Laut der Flöte? Wie klingt die Berührung einer mütterlichen Hand?

»Du bist ja ein Dichter …«

Ich habe dich erfasst, Pjotr. fetzt kann ich mich auch in Bildern ausdrücken.

Ich stand auf und sah mich um.

Wie still es war.

Wie schön.

»Ob hier womöglich überhaupt niemand ist?«, fragte ich mit zarter Hoffnung. Der Cualcua antwortete nicht. Auch gut.

Der Wald, die Felder, ein Fluss, der sich in der Ferne dahinschlängelte. Es dämmerte, die Sonne versank hinterm Horizont, schneller als auf der Erde. Die ersten Sterne ließen sich bereits erkennen, obwohl der Himmel noch nicht ganz dunkel war. Ich war immer noch im Kern.

Trotzdem gefiel es mir hier.

Ich ging den Hang hinunter. Als ich mich kurz umsah, spürte ich das Tor. Warum hatte es so lange nicht funktioniert? Und warum hatte es mich am Ende doch gerettet?

Jemand beobachtete mich, jemand hatte Interesse an mir. Vielleicht war ich nur ein Spielzeug. Aber noch hatte man mich nicht satt und war sogar bereit, mich zu reparieren.

»Entferne die Narbe, Cualcua!«, bat ich.

Ich will das nicht.

»Was?«

Deine Wiederherstellung hat genau diesen Zustand vorgesehen. Das sollte ich nicht ohne gewichtigen Grund verändern.

»Du bist ein Feigling, mein Freund«, flüsterte ich.

Eine Rasse, die keine Furcht kennt, stirbt.

Ich ging zum Fluss. Ganz instinktiv, aus jenem fragmentarischen Wissen heraus, das ich mir aus Büchern zusammengeklaubt hatte. Fluss – Meer – Leben. Jedes Lebewesen zieht es zum Wasser. Und ich musste hier rauskommen, das war meine Pflicht. Schließlich wusste ich noch nicht einmal, was es mit dem Schatten auf sich hatte. Ich musste meinen Großvater finden, Danilow und Mascha. Ich musste zur Erde zurückkehren – und eine Verteidigung für die finden.

Keine geringen Aufgaben für einen Menschen, der knapp dem Tod durch Selbstvergiftung entgangen war.

»Glaubst du, den anderen ist genau das Gleiche passiert wie uns?«, fragte ich. »Oder sind sie nicht durch das Tor gegangen? Was meinst du, Cualcua?«

Mein Symbiont antwortete nicht. Aber ich brauchte auch gar keine Antwort.

»Eins verstehe ich nicht. Warum jagt man mich über verschiedene Planeten? Wenn eine fremde Intelligenz in der Lage ist, mich im Bruchteil einer Sekunde zu erfassen … Das ist ja fast, als würde ich mit einem Baukasten spielen, allerlei bauen und Figuren zusammensetzen … wobei von vornherein klar ist, was du bauen kannst und was nicht! Ich verstehe nicht, warum sie das machen! Wozu?«

Oder steckte gar kein tieferer Sinn dahinter? Keine Ahnung. Und der Cualcua wusste es auch nicht, deshalb schwieg er.

»Und die Geometer … verstehe ich auch nicht. Gut, sie sind auf diese Hyper-Zivilisation gestoßen. Auf Metamorphen … die Tore … die Deltas … Stimmt schon, die Deltas sind stärker als die Schiffe der Geometer … Aber selbst wenn zum Schatten dreihundert … oder fünfhundert Planeten gehören … sie wären nicht geflohen! Schwierigkeiten begeistern sie schließlich. Und der Schatten ist noch nicht mal ordentlich geschützt! Solange die Geometer nicht durch die Tore gegangen wären, hätten sie ihre Mission ohne Probleme durchführen können. Sie hätten die Gesellschaft unterwandert, die Regressoren hätten sich an die Arbeit gemacht … Was hat sie so in Panik versetzt? Selbst ich habe hier keine Angst …«

Der Cualcua antwortete nicht.

Ich war am Ende meiner Kräfte. Es gab zu viele Fragen, aber keine Antworten. Mir blieb nichts anderes übrig, als weiterzumarschieren.

»Das Wichtigste ist jetzt, das Ganze zu verstehen. Genau darunter haben wir Menschen immer gelitten, weißt du, Cualcua. Uns kommt es vor allem darauf an zu verstehen, denn wir meinen, dass wir mit allem fertig werden, wenn wir es erst einmal verstanden haben. Und wenn uns das nicht gelingt, fangen die Schwierigkeiten an. Denk an den Jump … wir haben ihn entwickelt und genutzt, aber wir haben ihn bis heute nicht verstanden. Genau deshalb sind wir zu … Fuhrleuten verkommen. Wir können nur von Glück sagen, dass die Aliens den Jump nicht verkraften.«

Da irrst du dich.

Ich geriet ins Stolpern.

»Was?«

Mindestens zwei weitere Rassen können den Jump überstehen. Die Zähler und wir.

»Du kannst … Verdammt.«

Klar doch. Als ich paralysiert worden war und wir Jumps Richtung Erde durchführten, da hatte der Cualcua ja in mir gesteckt!