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»Papa, wir sind ja schon da!«, rief Dari plötzlich. »Papa!«

Kelos spähte das Ufer entlang und schüttelte den Kopf. »Ach, Plasma und Asche … Pjotr, schnapp dir die Stange! Und du, Dari, ans Steuer!«

Schon in der nächsten Minute versuchten wir verzweifelt, das Floß gegen die Strömung zu bewegen. Der Junge am Steuer war dabei natürlich keine große Hilfe. Aber ich wäre der Letzte gewesen, der darüber ein Wort verloren hätte. Sollte er ruhig mit den nackten Füßen über die glitschigen Balken rutschen und sich gegen das widerspenstige Ruder stemmen, fest davon überzeugt, uns nach Hause zu bringen.

Kelos packte den Rucksack und schulterte ihn. Er blieb, wie er war, nur mit Shorts bekleidet, die nächtliche Kälte machte ihm nichts aus. Dari zog sich einen Pullover über. Ich hielt mich etwas abseits und beobachtete, wie die beiden sich fertig machten.

Durfte ich davon ausgehen, sie zu begleiten? Oder würde die kurze Gastfreundschaft auf dem Floß keine Einladung zu ihnen nach Haus nach sich ziehen?

»Brauchst du eine förmliche Einladung?«, fragte Kelos direkt.

Meine Befangenheit löste sich sofort in Luft auf.

»Nicht unbedingt. Aber jetzt habt ihr mich auf dem Hals«, antwortete ich etwas nassforsch.

Der Waldpfad war schmal, aber klar zu erkennen. Anscheinend wurde er oft benutzt. Mir fiel auf, dass die Bäume, die etwa zehn Meter vom Fluss entfernt standen, im Sternenlicht so zart funkelten wie fein zerstampftes Glas im Licht eines Scheinwerfers …

»Ob Mama den Weg markiert hat?«, wollte Kelos von seinem Sohn wissen. »Was meinst du?«

»Nein, das habe ich gemacht, bevor wir losgefahren sind.«

»Pfiffikus!«

Abermals beschlich mich ein leicht bitteres, neidvolles Gefühl. Und ich hätte nicht zu sagen gewusst, wen ich mehr beneidete, Kelos oder Dari.

Vielleicht erlaubte ihr dämlicher Schatten es ja wirklich, Glück zu erlangen? Natürlich nicht überall. Eine derart ideale Gesellschaft gab es nicht. Aber vielleicht war diese Welt zum Leben geeignet.

»Gibt es hier viele Städte?«, fragte ich, mich nicht nachvollziehbaren Assoziationen überlassend.

»Überhaupt keine.«

Dari fasste nach der Hand seines Vaters. »Ist es interessant in der Stadt, Papa?«

»Meiner Meinung nach nicht sehr.«

»Warum bauen die Leute auf anderen Planeten dann Städte?«

»Sie fürchten sich vor der Einsamkeit.«

Eine gute Minute schwieg der Junge. »Und in einer Stadt gibt es keine Einsamkeit?«, fragte er dann.

»Gerade da gibt es welche. Nur merkst du es nicht.«

Ich konnte mich nicht zurückhalten und mischte mich mit dem gleichen kindlichen Enthusiasmus wie Dari ins Gespräch ein. »Sind hier alle dieser Ansicht, Kelos?«

»Ja. Natürlich.«

Dari ließ seinen Vater los und griff nach meiner Hand. Anscheinend traute er sich nicht, mich mit Namen anzusprechen, und hielt die Berührung für den besseren Gesprächsanfang. »Bist du daran gewöhnt, in der Stadt zu leben?«

»Im Großen und Ganzen ja. Aber dein Vater hat recht, es ist nicht der beste Ort zum Leben.«

»Bist du ein Soldat? Wie Papa?«

Ich hatte den Eindruck, Kelos äugte verstohlen zu mir herüber.

»Ich habe nicht sehr lange gekämpft«, sagte ich vorsichtig. »Das ist keine schöne Sache, der Krieg.«

Teufel auch, was ließ ich denn da bloß für Allerweltsweisheiten vom Stapel! Eine Sonntagspredigt für außerirdische Kinder …

»Stimmt, das sagt Papa auch«, erwiderte Dari. »Alle, die im Krieg waren, sagen das. Aber trotzdem haben sie alle gekämpft.«

Vielleicht dachte er einfach laut, vielleicht legte er auch eine Ironie an den Tag, die ganz und gar nicht kindgemäß war.

»Hat dir als Kind niemand gesagt, dass der Krieg schlecht ist, Pjotr? Papa hat man ja beigebracht, ein Soldat zu sein. Deshalb hat er auch gekämpft.«

»Lass den Mann zufrieden, Dari!«

»Langweilt es Sie denn, sich mit mir zu unterhalten?«, fragte der Junge.

»Nein, es langweilt mich nicht.« Ich seufzte. »In meiner Kindheit hat man mir beigebracht, dass der Krieg eine schmutzige, aber unvermeidliche Angelegenheit ist. Und dass du, wenn du Frieden willst, für den Krieg rüsten musst. Und dass man manchmal für die Wahrheit kämpfen muss.«

»Damit alle glücklich werden«, bemerkte Kelos amüsiert.

»Nein. Um sich selbst zu verteidigen. Gegen diejenigen, die dich glücklich machen wollen.«

»Und du bist sicher, dass die Kristallene Allianz nicht auch deinen Planeten beehrt hat?«, fragte Kelos. »Ich habe solche Worte schon von …«

Er verstummte.

»Was ist die Kristallene Allianz?«, fragte Dari prompt.

»Wir sind fast da.« Diesmal ignorierte Kelos die Frage. »Lauf und weck Mama.«

Wir traten aus dem Wald heraus. Genauer gesagt, wir traten nicht ganz heraus, denn der Wald dünnte sich lediglich aus, verwandelte sich in eine Art gepflegten Park. Vor uns lag, umstanden von Bäumen, ein Haus, nur ein oder zwei Stockwerke hoch, aber von enormer Ausdehnung. Ein wenig erinnerte es mit seiner finsteren Strenge der Linien und dem krampfhaften Versuch, wie eine Burg zu wirken, an alte englische Villen.

»Die Kristallene Allianz …«, verlangte der Junge energisch.

»Das erkläre ich dir nachher, Dari. Geh jetzt vor.«

Der Junge rannte los und verschmolz mit den Schatten der Bäume.

»Ich habe mich wohl verplappert«, brach ich das Schweigen.

»Nein. Das war … mein Fehler. Ich habe schon lange nicht mehr mit einem Soldaten gesprochen … schon gar nicht mit einem, der frisch von der Front zurück ist. Ich will darüber aber nicht in Daris Anwesenheit reden. Verstehst du das?«

»Nicht ganz.«

Kelos seufzte. »Es ist schwer, den Krieg nicht zu romantisieren.«

»Dafür reicht es, ihn einmal erlebt zu haben.«

»Schon möglich. Aber ich will nicht, dass Dari anfängt, von einer militärischen Laufbahn zu träumen.«

»Aber hier gibt es doch gar keinen Krieg.«

»Bei uns nicht! Sag mal, bist du wirklich so naiv, Pjotr?«

»Dann sprich halt überhaupt nicht über den Krieg«, schlug ich vor. »Soll der Junge doch glauben, die Welt sei gut und herrlich.«

Diesen Vorschlag hätte Kelos mir auch verübeln können, doch er schüttelte nur den Kopf. »Dazu habe ich auch kein Recht, Pjotr. Denn das wäre ein Lüge. Und wenn ich ehrlich sein soll …, dann bedaure ich die Zeit nicht, die ich in der Allianz verbracht habe.«

»Das spürt man«, bestätigte ich. »Deshalb ist es auch kein Wunder, dass sich dein Junge dafür interessiert …«

»Stimmt wohl. Ich habe wahrscheinlich Glück gehabt. Die Rebellen haben mich nicht hingerichtet … im Unterschied zu den Jungs aus der dritten Sonderbrigade auf Galeone. Die eigene Spionageabwehr hat mich nicht gefoltert, als die Allianz zu zerfallen begann und es zu Meutereien kam. Ich bin nicht in meinem Zerstörer von einem Hitzestrahl verbrannt worden … Ich wurde nur …«

Kelos sprach in einem Ton, als wollte er gleich sagen, »erschossen«. Er schaffte es jedoch nicht mehr, den Satz zu beenden.

In der dunklen Silhouette des Hauses flammte das gelbe Rechteck einer offenen Tür auf.

»Kelos!«

»Schluss damit, vertagen wir die Kriegserinnerungen!«, sagte Kelos schnell. Er rollte die Schultern und rückte sich den vollen Rucksack zurecht, damit er bequemer zu tragen war. »Sonst beginnen hier nämlich wirklich Kriegshandlungen.«

Es passiert nicht häufig, dass man ein absolut fremdes Haus betritt und sich auf Anhieb wohlfühlt. Denn das hängt sowohl von den Gastgebern als auch vom Haus selbst ab … wobei das Haus nur ein Spiegelbild seiner Bewohner ist. Ein klareres und ehrlicheres Abbild. Kein Wort, kein Lächeln lässt einen Wärme spüren, wenn die Möbel nur Kälte ausstrahlen.

Hier reichte die Wärme für alle.