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»In dem Zimmer, in dem ich geschlafen habe, stehen auch viele Bücher«, tastete ich mich vor.

»Da? Ach ja …« Rada lachte. »Das letzte Mal hat meine Freundin dort geschlafen … sie hat uns im letzten Monat besucht. Aber das sind doch bloß Liebesromane!«

Immerhin, sie las diesen Kram nicht.

»Das ist mir auch aufgefallen. Sehen bei euch alle Bücher so aus? Ohne Bilder auf den Einbänden und … ohne Menschen in den Illustrationen?«

»Das sind doch nicht-adaptierte Ausgaben«, erklärte sie erstaunt. »Na, damit sie …« Rada geriet in Verlegenheit. »Jetzt rede ich schon wie mit einem kleinen Kind mit dir, Pjotr! Nimm’s mir bitte nicht übel!«

»Das tue ich nicht.«

»Das ist eine billige Ausgabe. Für den gesamten Schatten. Und sie verzichtet auf alle Illustrationen, die eventuell eine Rasse aufbringen könnten.«

Lass dir das erklären!, fiepte der Cualcua.

»Wäre das denn möglich?«

»Glaubst du wirklich, eine sentimentale alte Frau würde ein solches Buch lesen, wenn darin Bilder von zwei Spinnen enthalten sind, die sich küssen?«

Mit einer Antwort von mir rechnete sie nicht. Sie brach in Gelächter aus und griff nach meiner Hand. »Zerbrich dir darüber nicht den Kopf, Pjotr. Ich weiß, du bist Soldat. Da ist es ja schon schön, dass du dich überhaupt für Literatur interessierst. Soll ich dir vielleicht für den Anfang ein paar interessante Bücher heraussuchen?«

Damit war ich also abgestempelt.

Meine Frage musste in die Kategorie fallen: Warum sind alle Buchstaben schwarz und trotzdem unterschiedlich? Nun sah sie in mir also nichts weiter als einen grobschlächtigen Soldaten – der ein zartes Interesse für Literatur zeigte.

Doch angesichts dessen, was Rada mir da gerade erzählt hatte, war das eine Nichtigkeit, die keine Beachtung verdiente.

Andere Rassen!

Der Schatten umfasste doch nicht nur humanoide Zivilisationen. Es gab auch noch Spinnen – und vermutlich auch Quallen, Vögel und Insekten.

Ich hatte einfach zwei Mal hintereinander Glück gehabt.

Ich folgte Rada ins Esszimmer. Der große Tisch deutete auf ganze Heerscharen von Gästen. Das Frühstück war deftig und schmeckte gut. Ich bewältigte ein ordentliches Kotelett und Salat, verzichtete aber auf die allzu ausgefallenen Süßigkeiten.

»Hast du schon Pläne?«, erkundigte sich Rada, die mir gegenüber mit einer Tasse Tee Platz genommen hatte. »Hast du schon mal über dein Leben nachgedacht?«

»Ich denke an nichts anderes«, gestand ich düster.

Rada nickte. Ihr Blick hakte sich an meiner Wange fest.

»Stört dich die Narbe nicht?«

»Nein. Nicht sehr.«

»Soll ich sie entfernen?«

Was hatte ich denn eigentlich von Menschen erwartet, die schon jahrhundertealt sind? Vor allem da man inzwischen eine solche Banalität wie eine Narbe selbst auf der Erde entfernen konnte.

»Später …«, antwortete ich ausweichend.

Rada seufzte. »Pjotr«, sagte sie, zum Fenster hinausschauend, »hier in der Nähe gibt es freies Land. Offiziell gehört es uns, daher würde es keine Probleme geben … Hast du etwas erspart?«

»Nein.«

»Macht nichts. Du kannst einen Kredit aufnehmen. Bestimmt hast du einen Beruf, mit dem sich auf unserem Planeten etwas anfangen lässt … Du baust dir ein Haus …«

»Gibt es zufällig auch eine heiratsfähige junge Frau in der Nähe?«, wollte ich wissen.

»In der Nähe nicht, aber …« Rada musterte mich eindringlich. »Eins verstehe ich nicht, Pjotr. Willst du etwa in die Welt zurückkehren, aus der du gekommen bist? Willst du Rache üben oder jemanden retten?«

»Nein. Jene Welt wird selbst für sich Rache üben. Und sie soll sich auch selbst retten, so gut sie es kann.«

»Dann verstehe ich überhaupt nichts mehr. Gefällt … gefällt es dir hier nicht?«

»Es ist alles sehr schön«, antwortete ich ehrlich. »Danke.«

»Haben wir dich vielleicht beleidigt?«

Mein Gott, allmählich wurde es Zeit auszurufen: »Wer? Diese freundlichen Menschen?«

»Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, wie dankbar ich euch bin, Rada.«

»Wofür?«

Ich schüttelte den Kopf. Es war wirklich schwer, Worte zu finden. Für die Wärme? Für die nicht gestellten Fragen? Für die Bereitschaft, einem Unbekannten zu helfen?

»Rada, ich habe meine Heimat. Den Planeten Erde … Ich weiß, das klingt vielleicht dumm, aber dieser Planet hat nun mal keinen anderen Namen. Und ich liebe ihn sehr.«

»Ist es dort gut?«

»Dort ist es schlecht, Rada. Es gibt dort mehr Schlechtes als Gutes. Aber man liebt ja etwas auch nicht wegen etwas.«

Die Frau schien irritiert. »Warum hast du deine Erde dann verlassen?«

»Weil ihr Gefahr droht. Eine dumme, zufällige und unabwendbare Gefahr. Ich habe gehofft, Hilfe zu finden.«

»Eine Gefahr von außen?« Radas Stimme klang jetzt sehr fest.

»Kann man so sagen. Obwohl wir auch jede Menge innerer Probleme haben. Aber im Moment geht es darum, ob die Erde überlebt.«

»Ist es etwas wie …« Rada verzog das Gesicht. »… die Kristallene Allianz? Ich habe gehört, zurzeit würde man die Nächtliche Alternative ins Leben rufen. Und anscheinend auch die Orange Gruppe …«

»Nein. Rada, hast du schon je von einer Welt namens Die Heimat gehört?«

»Nennt sie sich selbst so?«

»Ja. Ich nenne sie die Geometer … weil sie ihre Kontinente mit Zirkel und Lineal begradigt haben.«

Rada fing an zu lachen und schlug verlegen die Hände vors Gesicht. »Oh … entschuldige. Aber das ist wirklich albern … Nein, davon habe ich noch nie gehört, Pjotr.«

»Und vom Konklave?«

»Ist das die religiöse Sekte der Amphibien?«

»Nein, das ist eine Art Imperium. Zu ihm gehören die Starken und die Schwachen Rassen … die Hyxoiden, Daenlo und Torpp zum Beispiel …«

»Rassen können nicht in starke und schwache unterschieden werden.«

»Sie tun das aber.«

»Gut, dann verstehe ich dich«, sagte Rada. »Das ist in der Tat widerwärtig. Aber ich habe noch nie von alldem gehört. Wollen diese Menschen euch bekämpfen?«

»Sie wollen uns vernichten.«

»Das ist nun wirklich unangenehm«, meinte Rada seufzend.

Ihr Ton war bitter, aber in Maßen, als hätte ich ihr erzählt, die Aliens hätten die Absicht, alle Erdbewohner kahl zu scheren, oder befohlen, schnellstmöglich den Coca-Cola-Konsum einzuschränken. Unangenehm! Was sollte man dazu sagen? Ich hielt es immerhin für eine Tragödie, und sei es eine in kleinerem Maßstab.

»Guten Morgen, Pjotr.«

Ich drehte mich um. Kelos stand in der Tür. Er trug einen streng geschnittenen Anzug, der recht unpassend wirkte. Fehlte nur noch die Krawatte – und er könnte zum Bankett bitten.

Anscheinend stand er schon länger da.

»Ich wollte euer Gespräch nicht stören, Pjotr. Wie heißt der Planet der Geometer noch einmal?«

»Die Heimat.«

»Nein, ich meine, wie es in ihrer Sprache klingt. Sprichst du ihre Sprache?«

»Ja …« Ich stellte mir mit einiger Mühe Katti und Tag vor. »Die Heimat.«

»Doch, ich glaube, davon habe ich schon gehört.« Kelos machte ein immer nachdenklicheres Gesicht. »Gehören sie schon lange zum Schatten, Pjotr?«

Der Cualcua in mir seufzte, schwieg aber.

»Sie gehören nicht zum Schatten. Und mein Planet, die Erde, auch nicht.«

Kelos und Rada sahen sich an.

»Na, was habe ich gesagt?«, fragte Kelos. »Ich habe mir nämlich schon gestern Abend zusammengereimt, dass du von außerhalb kommst, Pjotr.«

»Wundert euch das denn gar nicht?«, rief ich aus.

»Warum sollte es?« Kelos rieb sich die Nasenwurzel. »Der Schatten ist groß, aber das Universum ist noch größer. Früher oder später … kommen neue Rassen dazu.«