Выбрать главу

Vor mir lag die Ewigkeit.

Ich weinte, in dem weichen Sessel zusammengekrümmt. Kelos streichelte mir über die Schulter, als beruhige er ein Kind. Aber für ihn, der bereits Jahrhunderte gelebt hatte, von den Toten auferstanden war und Planeten niedergebrannt hatte, war ich ja auch ein Kind. Wer stand damals an der Spitze der Kristallenen Allianz, Kelos? Wie kommt es, dass ich die Antwort kenne?

Es zog kurz, weil die Tür aufging. Kelos seufzte. Kinderarme umschlangen mich.

»Warum weinst du denn, Pjotr? Papa, warum weint er?«

»Er hat mehr gefunden, als er wollte, Dari. Das tut immer weh.«

»Weine nicht, Pjotr.«

Du kannst mich nicht verstehen, Junge, denn du weißt von klein auf, dass es den Tod nicht gibt.

Jedes Wissen muss zu seiner Zeit kommen. Und jeder kriegt, was er verdient. Aber warum riechen diese Worte dann nach verbranntem Fleisch?

Ich hatte mehr gefunden, als ich gesucht hatte.

Alle Sterne lagen in meinen Händen.

»Warum hilfst du ihm nicht, Papa?«

»Man muss nicht immer helfen, Dari. Manchmal muss man sich auch abwenden und warten.«

»Das ist unfair!«

»Aber dafür ist es richtig, mein Junge.«

»Dann lieber falsch, aber fair!«

Kelos seufzte.

»Das haben wir früher auch einmal gedacht … Pjotr und ich müssen uns ernsthaft unterhalten, Dari, ein Gespräch unter Erwachsenen. Also geh bitte raus.«

»Papa, aber du …«

»Dari.«

Der Junge verließ das Zimmer.

»Danke«, sagte ich. Es hatte mir nichts ausgemacht, vor Kelos zu weinen. Aber vor dem Jungen … das war etwas anderes.

»Dann lieber falsch, aber fair …« Ich hörte, wie etwas gluckerte. »Möchtest du noch einen Schluck?«

»Nein.«

»In der Kristallenen Allianz haben wir auch diese Auffassung vertreten. Wir haben geglaubt, die Tore seien ein Fehler. Eine Falle, eine Versuchung, eine Sackgasse. Wir haben einen Planeten nach dem nächsten erobert … und versucht, eine monolithische Gesellschaft aufzubauen, anstelle der einheitlichen Vielfalt‹, wie der Schatten damals genannt wurde. Erst später haben wir verstanden, was eigentlich vor sich geht. Der Schatten hat nämlich gar nicht gegen uns gekämpft. Er hat uns lediglich die Welten überlassen, die nach Kampf dürsteten. Wir waren selbst ein Teil des Schattens geworden, eine Schaufensterpuppe, der man alle negativen Gefühle überstülpen konnte. Damals ist bei uns alles in sich zusammengebrochen. Wir haben unsere Idee verloren – und ich will jetzt gar nicht darüber streiten, ob sie richtig war oder nicht. Die Allianz war zu einer Bande von hedonistischen Psychopathen verkommen. Wir wurden in einer Schlacht vernichtend geschlagen, die Handelsliga entstand, deren erstes Opfer wir wurden. Später gaben wir Planet um Planet auf. Der Schatten wollte das so, denn die Menschen hatten genug vom Krieg.«

»Du hast versprochen, mir zu sagen, was die Geometer in die Flucht geschlagen hat …«

Ich löste meine Hände vom Gesicht und sah ihn an. Die Tränen wischte ich nicht weg. Diese Regel kennt jedes Kind: Wenn sie von allein trocknen, sieht man nicht, dass du geweint hast.

»Hast du das wirklich noch nicht verstanden, Pjotr? Ihre Herrscher sind in Panik geraten, weil die Agenten Der Heimat nicht nach Hause zurückgekehrt sind. Der Schatten sieht jedem auf den Grund der Seele, Pjotr. Er erkennt, was sich da wirklich verbirgt. Die Agenten wollen diese ihre Freundschaft im Grunde ihres Herzens nicht. Sie vermissen die Liebe, die ganz gewöhnliche Liebe zwischen den Menschen. Und bei uns ist es nicht schwierig, sie zu bekommen … Ein kleiner Teil von ihnen ist zurückgekehrt, diejenigen, für die Die Heimat tatsächlich die beste aller Welten war. Aber die anderen sind hiergeblieben. Manche voller Freude, andere aber irren von einer Welt zur nächsten und sind davon überzeugt, dass sie eigentlich zurückkehren wollen … Es ist uns kaum aufgefallen, als die Geometer aufgetaucht sind, Pjotr. Hier und da hat man zwar etwas mehr über sie gesprochen, andernorts hat man aber noch nie von ihnen gehört.«

»Genau wie man von uns noch nichts gehört hat?«

»Ja. Dass so fern vom Kern eine verwandte Zivilisation existiert, ist eine interessante Neuigkeit – die allerdings auch nicht für alle Welten neu ist.«

»Eine verwandte Zivilisation?«

Kelos nickte.

»Aus der Zeit des Ersten Imperiums … sogar noch vor dessen Gründung … Wir sind damals auseinandergestoben wie Funken über einem Lagerfeuer. Hunderte, Tausende von Schiffen verschwanden in der Dunkelheit und verloschen. Aber manchmal fällt ein Funke eben auf trockenes Moos. So ist wahrscheinlich die Rasse der Geometer entstanden. Es scheint kaum möglich, dass zwei intelligente Kulturen zur gleichen Zeit auf einem Planeten aufkommen können – aber bei ihnen war genau das der Fall.«

»Ich weiß.«

»Und bei euch muss es auch so gewesen sein. Eine andere Möglichkeit für eine vollständige biologische Übereinstimmung sehe ich nicht. Ihr seid weder unsere Nachfahren noch unsere Vorfahren, sondern unsere Cousins.«

»Und wird die Zivilisation des Schattens bereit sein, ihren Verwandten zu helfen?«

»Dabei, den anderen Familienmitgliedern eins in die Fresse zu hauen?«, fragte Kelos ironisch. »Aber lass uns mal ernsthaft darüber nachdenken, Pjotr. Ich möchte dir wirklich helfen, glaubst du mir das?«

»Ja.«

»Auf unserem Planeten brauchst du keine Hilfe zu suchen. Dir persönlich bieten wir natürlich immer welche an. Wir genießen es, den Gequälten und Erschöpften zu helfen. Denn in ihnen erkennen wir uns selbst wieder … Aber etwas Globaleres? Nein, Pjotr, nein.«

»Wer kommt außer euch noch infrage?«

»Auf anderen Welten … Es gibt viele Welten, die bis heute den Kosmos erobern. Ihre Geschwader suchen Abenteuer, sie löschen sich gegenseitig in Schlachten aus und schnappen einander Planeten weg. Das ist ein sehr verlockender Weg der Entwicklung – in einem bestimmten Alter. Diese Welten solltest du besuchen. Es wird sich bestimmt eine finden, die der Erde mit Freude zu Hilfe eilt. Sie werden eine Expedition ausstatten, einen Ring aus Militärbasen um die Erde ziehen und allen Aliens tüchtig einheizen … Wenn du dich anstrengst, findest du auch einen Planeten, dessen Bewohner, ohne zu zögern, das Konklave hinwegfegen würden. Irgendwelche Chauvinisten in der Gestalt von Menschen … die alle Spinnen, Amöben und Reptilien in Asche verwandeln!«

Der Cualcua in mir fiepte.

»Das möchte ich nicht, Kelos.«

»Dann brauchst du eine technisch entwickelte Welt, die über eine starke Flotte verfügt und eine humane Politik vertritt. So etwas sollte sich finden lassen.«

Kelos schien mit seinem Ratschlag zufrieden zu sein.

»Sie werden auch die Geometer zur Ordnung rufen … möglicherweise fliehen die dann ja noch weiter. Natürlich entkommt man dem Schatten am Ende doch nicht. Der Schatten ist dabei, sich in der ganzen Galaxis auszubreiten. Langsam, aber sicher. Wir werden alle in ihm landen.«

Ich schwieg.

»Was beunruhigt dich daran?«

»Kelos, soll denn das das Ende allen Lebens sein? Ihr selbst stagniert doch! Bei euch ist der technische Fortschritt geradezu künstlich eingefroren worden! Ich habe einen Film über das Erste Imperium gesehen – ihr habt euch nicht im Geringsten verändert!«

»Wir? Plasma und Asche … Versteh das doch, Pjotr, alle leben genau so, wie sie es sich wünschen! Wir wollen gar nichts anderes. Uns gefällt es in diesem Körper. Uns gefällt es, das Leben von Menschen zu leben! Und wenn wir genug davon haben …«

Kelos ging auf und ab, die Hände auf dem Rücken verschränkt.

»Ich habe solche Welten gesehen … Die Kristallene Allianz ging damals allmählich unter. Für uns gab es keine Möglichkeit, durch ein Tor auf einen Planeten zu gelangen, wo man schon vergessen hatte, wie ein Mensch aussieht. Aber wir glaubten, genau das sei die Lösung. Deshalb habe ich … ein Schiff genommen …«