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»Ich gehe weiter, mein guter älterer Bruder! Ich blicke auf eure Welten – und werde meinen Blick nicht von den Flammen abwenden! Wenn du kein Feuer willst, brauchst du dennoch kein Wasser zu holen! Wenn ich mich in einen Wagen setzen kann, dann gehe ich nicht zu Fuß, und wenn ich spazieren gehen will, werde ich nicht den Wagen zu Klump schlagen! Ich bin selbst eine Puppe gewesen, lieber Cousin! Eine großartige, gehorsame, fleißige Puppe. Gut, ich habe noch keine Schiffe durch die Photosphäre von Sternen gesteuert! Ich habe sie nur auf einer Autobahn gelandet und in einem Autobus voller Tomaten gebremst. Aber weißt du was? Auch das war schrecklich! Und ich habe niemanden verloren in meinem Leben; ich hatte keine Freundin, keine Eltern, keine Kinder! Ich habe nur mich selbst verloren … zwei Mal. Einmal auf der Erde, als ich einen fremden Platz eingenommen habe. Dann in Der Heimat, als ich in einen fremden Körper geschlüpft bin. Und weißt du was? Sich selbst zu verlieren – das tut auch weh. Danach fängst du an, anders zu leben … bewusster. Ich wünsche den Geometern nichts Schlechtes. Aber ich wünsche auch der Erde nichts Schlechtes. Und auf euer Paradies verzichte ich, denn es riecht mir hier zu sehr nach Schwefel!«

»Du kommst nicht mehr aus dem Schatten raus, Pjotr. Du hast ihn schon in dir.«

»Von mir aus. Aber ich bin nicht in ihm!«

Kelos schüttelte den Kopf. In seinem Blick lag keine Bosheit – sondern Neid.

»Ich war auch einmal so, Pjotr. Als wir die Allianz gegründet haben … als wir die Welten, die sowieso schon frei waren, mit der Peitsche zur Freiheit getrieben haben … Geh durch ein Tor, Pjotr! Finde eine Welt, die euch verteidigen will! Und warte … warte, bis der Schatten zu deiner Erde kommt!«

»Wir selbst werden zu euch kommen«, versprach ich.

Kelos nickte müde.

»Du bist ein guter Junge. Ich erkenne mich in dir wieder. Falls ich dich gekränkt haben sollte, verzeih mir. Ich wollte dich nicht verletzen, darauf gebe ich dir mein Ehrenwort.«

Meine Wut löste sich in Luft auf – und zurück blieb nur Schmerz.

»Ich bin dir dankbar, Kelos. Aber eine Frage habe ich noch …«

»Ich kenne die Antwort nicht. Und ich will sie auch nicht wissen.«

Sein Gesicht zitterte erneut.

»Kannst du also doch Gedanken lesen?«

»Vierhundert Jahre sind ein ausreichend langer Zeitraum, um schon alle Fragen gehört zu haben.«

»Ich frage trotzdem … Dari … ist er dazu verdammt, eine Marionette zu sein?«

»Ich kenne die Antwort nicht. Und ich will sie auch nicht wissen.«

»Kelos, dieses Feuer … es hat dich doch verbrannt.«

Er nickte. »Ja. Vielleicht sogar vollständig. Und jetzt bin ich nur noch Asche. Du darfst Schlösser aus Asche nicht berühren, Pjotr. Sie können sehr schön sein, aber man kann nicht in ihnen leben.«

»Vielen Dank für den Rat. Wenn ich in diesem Feuer verbrenne, werde ich an dich denken. Und für deine Gastfreundschaft danke ich dir auch. Ich gehe jetzt, Kelos. Ich habe nur sehr wenig Zeit. Zwei, drei Tage … danach schlägt das letzte Stündlein für die Erde. Ich muss mich also beeilen.«

Ich wandte mich um und ging zur Tür. Kelos seufzte laut, doch ich drehte mich nicht noch einmal zurück. Als ich die Tür öffnete, erblickte ich Dari, der rittlings auf dem Treppengeländer saß. Nein, ich glaube, er hatte nicht gelauscht. Sonst würde er nicht so lächeln. Er war ein braver Junge … fast wie ich früher.

»Fall nicht«, sagte ich.

»Pjotr …« Kelos rief mich mit lauterer Stimme als nötig. »Pjotr, warte doch … drei Tage … das schaffst du nie.«

In seinem Gesicht rührte sich nichts. Aber in seinem Blick lag alles – und dafür war ich ihm dankbar.

»Ich kenne andere Gesellschaften wie die Kristallene Allianz. Und genau sie brauchst du als Verbündete. Sie werden dir helfen, Pjotr, daran besteht kein Zweifel. Aber das braucht Zeit. Monate, im Glücksfall Wochen. Aber drei Tage, um Hilfe zu finden – das ist völlig illusorisch. Eine rigide Gesellschaftsstruktur kann ihre Ressourcen durchaus mobilisieren, um einer anderen Welt zu helfen. Nicht um des Profits willen, sondern um der Ideen willen. Aber in deinem Fall würde es zu lange dauern, bis sie ihre Entscheidung getroffen haben.«

»Die Erde gibt es in einer Woche nicht mehr …«, flüsterte ich. »Kelos, das Konklave ist ebenfalls eine rigide Struktur. Aber es wird nicht zögern …«

»Es tut mir sehr leid, Pjotr. Du musst es versuchen. Riskier etwas! Geh aufs Ganze! Finde von mir aus ein Schiff, das in der Lage ist, ganz allein deine Welt zu verteidigen, und entführe es! Aber erwarte kein Wunder!«

»Wie stehen meine Erfolgschancen?«

»Null.«

Ich konnte ihm nicht länger in die Augen sehen. Kelos hatte wirklich Mitleid mit mir. Und Mitleid wollte ich nicht …

Ich sah Dari an.

Ach ja, mein Junge, du begreifst nicht – und wirst es nie begreifen – dass du nicht echt bist. Du wirst nicht erwachsen werden, dich nicht auf die Suche nach Abenteuern begeben, und du wirst das Herz deiner allzu menschlichen Eltern nicht brechen. Warum aber liegt in deinen Augen dann das gleiche Mitleid wie in denen von Kelos? Wie kannst du etwas von fremden Schmerzen wissen? Warum hat man dir beigebracht zu leiden? Puppen brauchen keine Seele, mein Junge. Puppen brauchen nur frische rote Wangen, einen gesunden Appetit und müssen Mama und Papa sagen können …

»Hast du Kummer, Pjotr?«, fragte Dari.

Ich nickte.

»Weil man deinen Planeten umbringen will?«

Richtig. Man will ihn umbringen. Mit allem, was es an Gutem und Schlechten auf ihm gibt. Und ich kann nicht einmal zusammen mit ihm sterben, Dari … Denn ich werde jetzt umherirren wie der Ewige Jude, und ich weiß nicht, warum mir dieser Schmerz zugedacht wurde und wer es vielleicht wissen könnte …

»Kannst du ihm denn nicht helfen, Papa?« Dari griff nach meiner Hand. »Papa, erinnerst du dich noch, wie du gesagt hast, dass man immer einen Ausweg findet? Hast du mich damals angelogen?«

»Pjotr ist nicht schwächer als ich, Dari. Und wenn es einen Ausweg gibt, dann wird er ihn finden.«

Was du doch für ein interessanter Mensch bist, Kelos! Wann lügst du? Wenn du mir erzählst, dein Sohn sei nur eine Marionette? Oder wenn du mit ihm sprichst wie mit einem richtigen Menschen?

»Und du kannst ihm nicht helfen?«

»Brauchst du meine Hilfe, Pjotr?«

Ich habe kein Recht, dich darum zu bitten, Kelos. Dich hat ein Feuer verbrannt, das auf mich noch wartet. Man darf ein Schloss aus Asche nicht berühren.

»Ja.«

»Papa!«

Richtig so, Dan. Nimm das nur alles für bare Münze. Glaub, dass das Universum einzig und allein für dich gemacht ist und dass dein Vater jede Ungerechtigkeit darin ausbügeln kann. Denn du bist dafür geschaffen, das zu glauben.

»Dari …« Kelos trat an uns heran. Er sah mich an, mit einem amüsierten, provozierenden Blick. »Dari, du wirst dann also der Mann im Hause sein. Mach Mama keinen Kummer. Wenn ich fortgehe … komme ich wahrscheinlich nicht so bald wieder. Trotzdem werdet ihr auf mich warten. Abgemacht?«

Sag mal, Kelos, bist du jetzt völlig übergeschnappt?! Du wirst niemals hierher zurückkehren! Du bist über das Leben eines Menschen hinausgewachsen, du bist inzwischen selbst Plasma und Asche. Und du, Dari, du hast vorm Einschlafen zu viele Märchen gehört! Zerreiß die Fäden nicht, die dir eine Illusion von Leben geben! Lass meine Hand los und falle deinem Vater schluchzend um den Hals, damit es ihm nicht mal in den Sinn kommt, von hier fortzugehen …

Aber natürlich schwieg ich.

Natürlich löste sich Dari von mir und fiel Kelos um den Hals. Gut so, mein Junge, und jetzt bring es zu Ende!

»Komm so schnell wie möglich wieder zurück, Papa!«

In Kelos’ Augen loderte ein schwarzer Abgrund.