»Eine höchst interessante Programmlösung ...«, meinte der Reptiloid, als er die Pfote vom Pult nahm. Der Computer startete sich daraufhin nicht, die Monitore schimmerten immer noch schwarz, obendrein verlosch nun auch noch das Betriebslämpchen für die Festplatte.
»Was für eine Lösung?«
»Das Navigationssystem. Für einen derart leistungsschwachen Rechner ist eine solche Genauigkeit und Schnelligkeit ganz außerordentlich. Haben Menschen das entwickelt?«
»Selbstverständlich.«
»Ihr seid sehr begabt«, lobte der Reptiloid gönnerhaft.
»Du wolltest die Koordinaten des Jumps berechnen.«
»Ich bin gerade dabei.«
»Und gleichzeitig unterhältst du dich mit mir?«
»Beides findet auf unterschiedlichen Ebenen des Bewusstseins statt, Pjotr. Wir haben ein externes und ein internes Bewusstsein. Mit dem einen verarbeiten wir riesige Datenmengen. Mit dem anderen realisieren wir eine äußerlich erkennbare Tätigkeit.«
»Und beide Ebenen funktionieren parallel?«
»Wenn es sein muss, ja. Jetzt zum Beispiel. Wenn ich zu Hause bin, in meinem Nest, dann schalte ich das externe Bewusstsein ab. Wenn ich keinen Informationszugang habe, schalte ich das interne Bewusstsein ab.«
»Und welches Bewusstsein ist wichtiger für dich?«
»Das ist eine sinnlose Frage«, erwiderte der Reptiloid.
»Aber was hat sich bei euch eher herausgebildet, Karel?«, verbiss ich mich in das Thema. »Das interne oder das externe Bewusstsein?«
»Bist du ein Xenobiologe?«
»Nein, es interessiert mich nur.«
»Das interne. Das externe haben wir künstlich entwickelt.« Anscheinend rückte der Zähler nur widerwillig mit der Sprache raus.
Was mich nicht wunderte. Abermals hatte er mir damit Informationen über seine Heimat gegeben - etwas, das jede Rasse gern vermeidet. Ich versuchte mir eine Welt vorzustellen, in der eine solche Lebensform entstand. Eine Welt, in der es nicht nötig war, gegen Feinde zu kämpfen, sich um Nahrung zu kümmern, sich gegen Unwetter zu schützen oder Arbeitsgeräte zu entwickeln. Eine Welt, in der das Überleben von der Schnelligkeit und Genauigkeit der Informationsverarbeitung abhing.
Irgendwie war das unvorstellbar.
Aber die Natur bringt keine absurden Lebensformen hervor. Jedes Wesen passt in idealer Weise in seine ökologische Nische. Die zerbrechlichen und gigantischen Hyxoiden waren die Könige der heißen und windlosen Steppen des Siriusplaneten. Die alarischen Mäuse eine Schöpfung der hügeligen Ebenen einer Welt bei Fomalhaut, die sich in den Labyrinthen tiefer Bauten herausgebildet hatten, für sie kam es auf Beweglichkeit und geringe Maße an.
Wie musste da der Planet aussehen, der die Zähler aus dem Nichts hatte entstehen lassen? Eine Welt, die wie der Saturn mit einem Ring umgeben war, eine Welt, in der tagein, tagaus Informationen verarbeitet und ausgetauscht werden mussten, noch dazu Informationen in elektronischer Form ...
»Ich habe die Berechnung beendet«, teilte mir der Reptiloid mit. Ich hatte den Eindruck, er messe mich mit einem ironischen Blick. Als wüsste er genau, worüber ich gerade nachgedacht hatte.
»Dann lass es uns überprüfen.«
Der Zähler stieß ein leises Knirschen aus. Ich begriff nicht auf Anhieb, dass es sich dabei um Lachen handelte.
»Pjotr, ich habe alle Daten, die es auf deinem Computer gibt, ausgewertet. Ich habe die ideale Gleitbahn für die Landung ermittelt und das bequemste Kosmodrom. Dabei habe ich sogar die Gravitationsfaktoren und die Bewegung der Sterne berücksichtigt, von denen Menschen nicht einmal ahnen. Ich habe die Ressourcen des Schiffs kontrolliert.«
Er legte eine Pfote aufs Pult, und das Lämpchen der Festplatte flackerte auf.
»Du hast noch nie so einen idealen Kurs gehabt.«
Der Hauptbildschirm sprang an, die Kurstabelle erschien.
»Die Berechnung des Jumps ist beendet«, informierte mich der Computer mit einem Stolz, der völlig fehl am Platze war. »Ich warte auf weitere Anweisungen.«
Unter dem amüsierten Blick des Zählers klickte ich im Menü die »Details« an.
»Jump Erde - Erde«, teilte der Rechner mir mit. »Toleranz: ein Millionstel Prozent.«
»Zufrieden?«, fragte der Zähler.
Blöde Frage! Ein Hundertstel wäre ein exzellentes Ergebnis, ein Tausendstel ein seltener Glücksfall und die Garantie für einen erfolgreichen Jump.
»Pass auf, es geht los«, warnte ich den Zähler, während ich mich setzte. Und ob ich es wollte oder nicht - insgeheim wünschte ich mir, dem Zähler wäre ein Fehler unterlaufen.
Natürlich war das nicht der Fall.
Auf den Jump folgte die halbe Stunde, in welcher das Leben ins Schiff zurückkehrte. Ich aß etwas, der Reptiloid lehnte das Menschenessen jedoch entschieden ab. Etwas anderes hatte ich allerdings auch nicht erwartet, denn im Kosmos hat jede Rasse einen eigenen Stoffwechsel. Der zweite Jump brachte uns zur Erde.
Ich brauchte nicht mal die Lampe anzuzünden, da wir über der Tagesseite wieder in den realen Raum zurückgelangt waren und der Planet wie ein gigantischer Scheinwerfer sein Licht in das Schiff schickte. Wir waren sehr, sehr dicht an der Erde, ich bekam sogar Angst. Bevor der Computer sich wieder hochfuhr, konnte die Erdanziehung uns auf eine nicht berechnete Bahn abdrängen.
Diese Befürchtung erwies sich jedoch als überflüssig. Das Schiff kam nach dem Jump auf einer normalen stabilen Umlaufbahn heraus. Ich schielte zum Zähler rüber, der zischte und zitterte, sich aber allmählich vom Jump erholte. Ich wollte ihn schon fragen, ob er das wirklich alles genau so geplant hatte. Aber dann ließ ich es bleiben.
Natürlich hatte er das alles so geplant.
»Bist du zufrieden, Pjotr?«, wollte der Reptiloid wissen.
»Ein astreiner Jump«, räumte ich ein. »Ich ... hätte die Flugbahn niemals so exakt berechnen können.«
Der Zähler gab einen Schmatzlaut von sich. »Das war kein Kinderspiel, Pjotr. Ich habe diese Art der Berechnung lange geübt. Wir haben nämlich jede Wendung der Ereignisse einkalkuliert ... selbst die, dass ich selbst das Schiff steuern muss.«
»Dann bereitet ihr euch schon lange auf dieses Unternehmen vor?«, fragte ich beiläufig.
»Drei Jahre, nach menschlicher Zeitrechnung.«
Darauf sagte ich kein Wort. Die Zivilisation der Zähler hatte ein paar Jahre darauf verwendet, diesen Erdbesuch vorzubereiten. Sie mussten ernsthafte Motive haben ...
»Pjotr, du musst mir glauben, dass wir nur Gutes wollen ... für unsere und für eure Zivilisation. Vier Zähler haben ihr Leben geopfert, um mein Eindringen in dein Schiff zu decken. Das ... das sind sehr viele. Wir sind nur eine kleine Rasse.«
Er hatte sich bereits an die Schwerelosigkeit gewöhnt, denn er glitt geschickt vom Jumper auf den Boden, hielt sich mit den Krallen an dem weichen Belag fest und stellte sich vor mich hin. »Wir wollen nur Gutes, Pjotr!«, wiederholte er, wobei er den Kopf in meine Richtung reckte.
»Für die Hyxoiden ist kollektive Euthanasie eine gute Sache. Für die Cood-Deldo Kannibalismus. Wie könnt ihr da für uns entscheiden?«
»Wir haben eure Geschichte studiert! Eure Gesellschaft, eure Träume, Religionen und Ideale. Wir haben alle Zufallsfaktoren ausgeschieden und die wesentlichen Punkte herausgefiltert. Jetzt machen wir euch ein Angebot, das ihr nicht ablehnen könnt.«
Ich winkte ab. Sollten sie ihr Angebot machen. Schließlich würde nicht ich darüber entscheiden müssen. Eine halbe Stunde nach der Landung würden diverse Präsidenten, die Experten für Außerirdische und die Generäle der Weltraumsicherheit Kopfschmerzen bekommen ...
Ich schaltete den Hauptsender ein und sandte ein Signal. Es verstrichen zehn Sekunden, bevor mir geantwortet wurde - und zwar auf Russisch, mit leichtem englischen Akzent. Offenbar hatten sie meinen Code bereits entschlüsselt und wussten, wer am anderen Ende saß.