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Und das Konklave, diese an Kränkungen und intern geschürtem Hass reiche Institution, würde zusammenbrechen. Die Starken müssten sich zurückziehen, ihnen bliebe einzig die Möglichkeit, sich zu verteidigen. Die Schwachen dagegen würden die Ideen der Freundschaft annehmen.

Dessen war ich mich absolut sicher.

Vielleicht existierte dort, woher die Geometer kamen, eine Kraft, die sie in Schrecken versetzt hatte. Aber das Konklave würde dergleichen nicht fertigbringen ...

Ich blieb stehen und lauschte. Ich meinte, von vorn ein Geräusch zu hören, ein fernes Knallen, das an Schüsse erinnerte ...

Nein, wahrscheinlich hatte ich mir das eingebildet.

Ich habe auch ein Geräusch registriert.

Ist es weit weg, Cualcua?

Nicht mehr als fünf Kilometer an der begradigten Uferlinie entlang.

Danke.

Nach kurzem Zögern fragte ich: Liest du alle meine Gedanken?

Ja.

Was denkst du über die Verteilung der Kräfte? Wären die Geometer in der Lage, das Konklave zu besiegen?

Eventuell.

Erschreckt dich das nicht?

Nein. Wir verlieren nie.

Wenn es euch egal ist, warum nehmt ihr dann an der Verschwörung gegen die Starken Rassen teil?

Wir? Ich nehme daran teil. Mein bisheriger Wirt, der Alari, wollte das, deshalb bin ich zu dir gekommen. Über die anderen Wesen meiner Rasse kann ich nichts sagen.

Sie lebten ein bequemes Leben. Gelassen. Die Körper ihrer Wirte konnten sterben, Zivilisationen konnten einander vernichten - die Cualcua würden all das nur voller Neugier aus fremden Augen heraus betrachten. Natürlich waren auch sie sterblich, und sollte mich eine Plasmabombe verbrennen, dann zusammen mit der in meinem Körper lebenden Amöbe.

Aber was heißt ein gewaltsamer Tod für eine Rasse, die keinen natürlichen Tod kennt? Die in ewiger Teilung von Körper zu Körper reist? Für die Cualcua konnte der Tod eine schreckliche Tragödie bedeuten - oder eine absolut belanglose Nebensächlichkeit. Wohl eher Letzteres. Schließlich dürften sie nicht ohne Grund in großer Ruhe ihre »Arbeit« in den Sprengköpfen von Raketen verrichten ...

Sie lebten ein bequemes Leben ...

Ich ging weiter. Das Geräusch konnte sich als das Knirschen von Eisschollen herausstellen, das absolut nichts zu bedeuten hatte. Vielleicht lag vor mir aber auch eine Ansiedlung. Ein Bergwerk, ein Fischerdorf, ein Hafen ... oder noch ein Konzentrationslager.

Es half nichts, ich musste abwarten. Fünf Kilometer -das würde ich bis zum Morgen schaffen.

Zwei Stunden später lag ich bis zum Hals im Schnee eingegraben da und spähte in das dämmrige Halbdunkel. Der Schnee half mir, er spendete Licht, ließ die Gebäude vor mir so klar hervortreten wie Scherenschnitte auf einem weißen Blatt Papier.

Ein Turm. Fünfzig Meter hoch, dreißig Meter im Durchmesser. Die Fensterscheiben fingen bereits zu funkeln an.

In einem oder zweien schimmerte schwach Licht. Für ein Bergwerk oder ein technisches Gebäude gab es zu viele Fenster. Es handelte sich bestimmt um ein Wohnhaus ... das übrigens architektonisch durchaus auf die Erde gepasst hätte. So eine phallische Betonkonstruktion, die aus dem Frostboden aufragte.

Der Turm war jedoch keineswegs das interessanteste Bauwerk hier am Ufer. Etwas weiter in der Ferne blitzten zwei Glaskuppeln auf - unter denen ich das Grün von Bäumen auszumachen meinte. Transparente Röhren verbanden die Kuppeln mit dem Turm. Im Hintergrund gab es eine weitere Gruppe kleinerer Bauten.

Bestimmt handelte es sich um irgendein Dorf. Eine Art Siedlung von Bergleuten oder Erdölarbeitern. Die Geometer mussten doch Öl haben, oder? Im Fernsehen hatte ich mal ein Dorf von kanadischen Gasarbeitern gesehen, das in Sibirien gebaut worden war, in einer Gegend, die Russland für neunundneunzig Jahre verpachtet hatte. Die Ähnlichkeit ließ sich nicht von der Hand weisen! Außerdem hatte mein Großvater einen ganzen Schrank voll mit Science-Fiction-Bildbänden, die ich in meiner Kindheit begeistert durchgeblättert hatte. Vor einem halben Jahrhundert hatte man sehr ähnliche Landschaften zu Papier gebracht, als man versuchte, den Kommunismus aufzubauen. Damals musste es unbedingt Gärten unter Kuppeln geben, transparente Laufröhren ... beheizte Klos. Und über all diese Pracht fegte ein Schneesturm hinweg, ohne den geringsten Schaden anzurichten ...

Ich kicherte leise. Zu bedauerlich, dass keiner der Künstler jener Zeit auf die Idee gekommen war, diesem romantischen Ambiente einen nackten Menschen beizufügen, der sich hinter Schneewehen versteckt. Einen Menschen, der aus einem Konzentrationslager geflohen war.

Gut, jetzt hatte ich die Kräfte des Cualcua lang genug strapaziert. Vorwärts! Auf zum Sturm der hiesigen Erdölbasen. Selbst wenn diese Kuppeln durchsichtig waren, konnte man sich in ihnen ausgezeichnet verstecken, wärmen und etwas essen. Und falls ich es dann noch in den Turm schaffte ...

Ich nutzte die letzten Minuten der Nacht und rannte weiter. Mein graues Hemd war inzwischen vereist und mit Schnee bedeckt. Auf meinem Haar lag ebenfalls Schnee. Wenn hier draußen keine Alarmanlage installiert war, dann konnte man mich bei einem zufälligen Blick aus dem Fenster kaum entdecken. Und wenn sie doch eine hatten ... dann ließe sich das nur auf eine einzige Art und Weise feststellen.

Auf dem Weg zum Turm überquerte ich einige festgestampfte, schmale Rinnen. Skispuren? Spuren von einem Wagen? Spazierwege der Wendigen Freunde?

Wenn die Geometer etwas verstanden, dann das: keinen Müll zu hinterlassen. Da stand ein Gebäude mitten in der Tundra - und es fehlte jeder Hinweis darauf, woher es gekommen war, jedes Anzeichen, dass es bewohnt war. Niemand ließ es sich einfallen, einen Apfelrest aus dem Fenster zu werfen oder beim Bau ein paar Betonplatten zu vergessen. Nein, alles musste akkurat sein. Es klingt komisch, doch unterwürfen die Geometer die Erde, würde ihre Ordnung vor allem in Russland auf Missfallen stoßen. Ungeachtet aller Tradition utopischer Träume ...

Im leichten Trab umrundete ich den Turm. Ich entdeckte drei Türen, von denen jedoch keine auf meine Berührung reagierte. Pech. Damit blieben die beiden Kuppeln und die kleineren, abseits gelegenen Bauten. Zunächst lief ich zu den Kuppeln, denn das Grün der solide gegen den Frost abgeschirmten Bäume lockte mich zu sehr. Kurz vor der ersten Kuppel drehte ich mich noch einmal um und warf einen flüchtigen Blick auf den Turm.

Teufel auch!

War ich von Natur aus so klug, oder kam das von der Kälte?

Ein Spion! Ein Späher der Erde! Ein allseitig entwickelter Vertreter der Menschheit!

Die Kette meiner Spuren zeichnete sich absolut deutlich ab. Sie begann an den Schneewehen, umrundete den Turm und führte zur Kuppel. Sobald die Sonne aufgegangen war, würde mein Auftauchen für niemanden mehr ein Geheimnis sein. Es würde schwer sein, sich nicht dafür zu interessieren, wer da nachts barfuß durch den Schnee gelaufen war. Wenn dann noch die Nachricht über die Flucht eines Patienten aus dem nahe gelegenen Sanatorium durchkam ...

Ich jammerte leise auf, als ich mir klarmachte, was ich da angerichtet hatte.