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Wenn man über eine Situation keine Kontrolle hat, bleibt nur Ohnmacht. Die nennen wir dann Vertrauen, und schon sind wir zufrieden ...

Ich erhob mich. Schaute mich um. Der Schacht der Kanalisation hatte mich ins Zentrum der Kuppel gebracht. Bis hoch zur Glasdecke waren es hier rund siebzig Meter, die Bäume wuchsen also völlig ungehindert. Nach terrestrischen Vorstellungen handelte es sich um einen Nadelwald. Allerdings waren die Nadeln der Kiefern einen halben Meter lang und ihre Stämme glatt und weißlich, wie bei Birken.

Ich schloss die Luke und bedeckte sie wieder mit Erde und abgefallenen Nadeln. Geduckt lief ich durch das Wäldchen. Das aufgetaute Hemd umspannte meinen Körper wie eine feuchte Kompresse. Ich hätte es auf dem Gitter des Filters lassen sollen. Oder im Schnee vergraben. Von Nutzen war es sowieso nicht.

Die Glaskuppel über mir gestattete es, mich einigermaßen zu orientieren. Ich lief relativ schnell zur Wand. Hier wuchsen andere Bäume, niedrigere. Wenn ich ihre Bezeichnung wüsste, könnte Rimers Gedächtnis mir soufflieren, ob die Früchte essbar waren ... An der Wand entlang trabte ich in Richtung eines Tunnels. Die Situation wiederholte sich, nur dass ich jetzt in die entgegengesetzte Richtung lief und mich auf dieser Seite der Kuppel befand. Irgendwo hier hatte ich das Licht bemerkt ...

Es war jetzt fast Tag, und das machte alles schwerer. Trotzdem entdeckte ich das fliederfarbene Licht. Ich bog die Büsche auseinander, orientierte mich am Licht und wusste bereits, was ich gleich erblicken würde.

Eine Transportkabine. Eine normale Kabine mit einem Terminal an der Tür. Steig ein - und spring durch den Raum. Nur würde das Steuerungssystem mir den Befehl verweigern. Und zu allem Überfluss würde es auch noch Alarm schlagen.

Ich klopfte mit der Hand auf das warme Plastik und lief weiter, in den Tunnel hinein.

Natürlich wusste ich nicht sehr viel von Der Heimat. Aber ich war an verschiedenen Orten gewesen: auf dem Feld des Kosmodroms, an Tags Arbeitsstelle, in dem Restaurant, im Wohnheim, im Dampfbad, im Geschäft, im Weltrat, im Internat und in diesem Sanatorium genannten Lager. Mein Großvater würde mir sicherlich ein paar kluge Gedanken zu diesem Einblick in die Gesellschaft vortragen können. Doch obwohl ich keine voreiligen Schlussfolgerungen zog, erinnerte mich diese verglaste Wohnanlage an etwas. Ziemlich klar sogar. Zum Beispiel diese Transportkabine mitten im Wald - deren Lage durch keinen logischen Grund zu erklären war. Also musste ich die Logik beiseitelassen.

Einen solch hochkomplizierten Mechanismus in einem Wald aufzustellen hieß, seine Natürlichkeit unterstreichen, seinen alltäglichen Charakter.

Um jemanden daran zu gewöhnen ...

Insofern wunderte ich mich überhaupt nicht, als ich am Ende des Tunnels, über einer breiten, in den Turm führenden Tür ein Schild sah: Weißes Meer.

Das Internat, wohin sie den Ausbilder Fed geschickt hatten, damit er »seine Schuld sühnte«.

Da war ich also gelandet.

Ich setzte mich auf eine der Steinplatten, mit denen der Boden des Tunnels ausgelegt war, und versuchte zu einer Einschätzung der Situation zu gelangen. Ich durfte nicht trödeln, aber trotzdem ...

Vermutlich hatte mein Großvater recht. Alles lief wieder auf drei Möglichkeiten hinaus.

Ein Zufall.

Oder die Geometer kontrollierten mich und hatten mich irgendwie und mit irgendeinem Ziel direkt ins Internat Weißes Meer geführt.

Oder die Orte der »Strafverbüßung« für uns waren eben nicht zufällig gewählt worden, sondern man hatte ein Internat und ein Sanatorium ausgesucht, die nahe beieinander lagen. Selbst wenn ich davon nichts gewusst hatte, dürfte Fed diese Tatsache doch bekannt gewesen sein. Die Güte der Geometer - sie ist sehr eigenwillig. Den Ausbilder Fed dürfte meine »Verrücktheit« wirklich betrüben, das verstand ich jetzt, nachdem ich die erste Wut überwunden hatte. Und wenn der Ausbilder wusste, dass fünfzig Kilometer entfernt ... hundert Kiloschritt entfernt, wie er es ausdrückte ... sein einstiger bester Schützling mit Spaten und Hacke hantierte, würde dies seine Psyche ernstlich belasten.

Was sollte dieser Quatsch! Fehlte ja bloß noch, dass ich über das Schicksal des Ausbilders in Tränen ausbrach!

Ich erhob mich und zupfte überflüssigerweise das schmutzige, feuchte Hemd zurecht. Wie würden die Kinder der Geometer wohl auf das Auftauchen eines unbekannten Mannes in Unterhosen und Hemd, mit einem Dreitagebart und wütendem Blick reagieren?

Wahrscheinlich würden sie mir einen Stuhl anbieten, mir ein Glas mit heißem Tee bringen und den Arzt holen.

Die Ausbilder verstanden etwas von Erziehung. Nur schmeckten mir die Resultate nicht.

Ich stieß leicht gegen die Tür - die ohne weiteres aufging. Schlösser hatte sie nicht.

Die Halle war in einem ganz anderen Stil gehalten als die in Mütterchens Licht. Sie war riesig, nahm das ganze Erdgeschoss ein. Und alles erstrahlte in Weiß, funkelte, die Wände waren uneben, die Decke aus Platten zusammengesetzt. Ich hatte den Eindruck, mich in einer Eishöhle zu befinden. Lampen entdeckte ich nirgends, vielmehr schienen die Deckenplatten selbst zu leuchten. Das war zwar schön - aber wozu diese Einrichtung? Schließlich dachten sich die Geometer bei allem, was sie taten, etwas. An den Wänden standen runde, weiche Sessel, bezogen mit weißem Stoff, auf dem Boden lag ein dicker Teppich. Ich hütete mich, ihn zu betreten, um ja keine Spuren zu hinterlassen. Die müssten die Kinder dann beseitigen, im Rahmen der Vorbereitung-zur-Arbeit ...

Ich trat ein, lehnte die Tür sanft an und lauschte. Alles blieb still. Hier war niemand. Ein Plan für die einzelnen Stockwerke wäre jetzt hilfreich, um zu sehen, wo die Ausbilder wohnten. Dann würde ich zu Fed gehen und sagen: »Du bist mir noch was schuldig, aus unserer Zeit draußen, in Freiheit ...« Aber nein, das würde Fed nicht verstehen. Den Lagerhumor würde er nicht zu schätzen wissen.

Von der Halle führten zwei Treppen weg, eine nach oben, eine nach unten. Gab es hier also noch Untergeschosse? Ein paar Türen ließen mich an Fahrstühle denken, aber auf die verzichtete ich lieber. Drei weitere Türen identifizierte ich sofort als Ausgänge aus dem Turm - und zwar die, an denen ich noch vor kurzem völlig ergebnislos gerüttelt hatte.

Nur gut, dass es keine Wache gab ...

Stopp. In Mütterchens Licht hatte an der Tür eine Ehrenwache gestanden!

Ich drehte mich um, voller Hoffnung, man würde die Kinder nicht zwingen, nachts Wache zu schieben.

Selbstverständlich gab es einen Posten. In einer Nische an der Tür, unter einer riesigen funkelnden Harpune, die an Haken hing. Der Junge war nicht größer als diese Harpune. Jetzt schlief er, friedlich ausgestreckt auf dem Fußboden.

Ich schüttelte den Kopf. Vermutlich lag irgendein höherer pädagogischer Sinn in diesen Posten an der unverschlossenen Tür. Erziehung zu Verantwortung, zum Stolz auf das eigene Internat, auf sein Symbol. Und sie mussten diesen Dienst ja nicht häufig versehen, schließlich gab es in jedem Internat Hunderte von Zöglingen. Trotzdem hielt ich den Schlaf dieses Jungen für weitaus richtiger.

Wenn er älter gewesen wäre, hätte ich nicht an mich halten können. Dann hätte ich die heilige Harpune vom Haken genommen und hinter einem der Sessel versteckt, in bester Tradition meiner Ausbildungszeit. Was konnte es Lustigeres geben, als den Bildersturm auf die hochheiligen Symbole? Aber der Junge war allerhöchstem neun.

Ich blieb kurz stehen und betrachtete das Lächeln, das er im Schlaf zeigte. Am liebsten hätte ich ihm über den Kopf gestreichelt, aber wahrscheinlich wäre er von der außerplanmäßigen Zärtlichkeit aufgewacht. Also schlich ich leise, auf Zehenspitzen, zur Treppe und begab mich nach oben.

Wo könntest du stecken, Ausbilder Fed?

Ich muss dich sehen. Muss dir in die Augen blicken. Dir ein paar Fragen stellen.