Выбрать главу

Das heißt, eigentlich hatten alle vier einen wachsamen Blick. Nicht verschreckt, natürlich nicht, wieso sollten die Kinder der Geometer auch ihre Ausbilder fürchten? Sondern einfach aufmerksam, zweifelnd, abschätzend.

»Wir haben Kleidung aus dieser Zeit«, fuhr der Junge fort. »Nur wird uns geraten, sie ausschließlich in der Freizeit anzuziehen. Und jetzt haben wir Unterricht.«

Die Botschaft war angekommen: Misch dich nicht in unsere Spiele ein, verehrter Ausbilder. Lass uns unsere Freiheit.

Ich setzte mich neben die Jungen auf den Fußboden -Teufel auch, wie ungelenk dieser Körper Feds war - und fragte: »Wie heißt ihr, Kinder?«

»Wissen Sie das wirklich nicht, Ausbilder?«, wunderte sich der rotblonde Junge ehrlich. Ein anderer, ein blonder Lockenkopf mit dem Gesicht eines schlaftrunkenen kleinen Engels, ergänzte ebenso langsam wie genüsslich: »Über unsere Gruppe gibt es doch Daten ... jede Menge sogar ...«

Ich hätte gern meine Zeit mit diesen Jungen verbracht. Ich hätte versucht zu verstehen, woher in dieser Welt der Geometer so höfliche, zugleich aber auch so dickschädelige Kinder kamen, die nicht Regressor spielten, sondern Burgenzeitalter ... das letzte Zeitalter der Freiheit auf diesem Planeten. Das wäre eine interessante Aufgabe gewesen. Wenn mir zehn Jahre zur Verfügung stünden, würde ich sie sogar erziehen. So, wie es sein musste ... aus meiner Sicht. Und sie wären ebenfalls Ausbilder geworden ... hätten diese Welt verändert.

Und es hätte eine herrliche Schlacht gegen die Geometer gegeben, ausgetragen mit ihren eigenen Waffen. Dann hätten wir noch die Pest eingeführt, damit ganz gezielt die Ausbilder ausgerottet - und wären endgültig in ihre Fußstapfen getreten.

»Ich habe mir eure Dateien nicht angesehen«, sagte ich. »Das wäre nicht fair, findet ihr nicht auch? Schließlich habt ihr über mich auch keine Informationen.«

Die Jungen schwiegen. Bestimmt hatten sie schon etliche Ausbilder erlebt. Und allerlei Methoden kennengelernt, mit denen warmherzige, freundschaftliche Beziehungen hergestellt werden sollten ...

Ich seufzte. Tut mir leid, Jungs, aber mir stehen diese zehn Jahre nicht zur Verfügung, um euch zu helfen. Leider nicht. Ich habe noch nicht mal zehn Tage, um mich mit euch anzufreunden. Zum Glück nicht.

»Warum habt ihr euch gerade das Burgenzeitalter ausgesucht, Kinder?« Ich ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen. »Warum nicht das Knochenzeitalter oder das Meereszeitalter? Interessieren die euch denn nicht?«

»Weil das Burgenzeitalter einen Wendepunkt in der Entwicklung der Menschheit darstellt, Ausbilder«, teilte mir der rothaarige Junge mit. »Eine Wegscheide.«

»Den Punkt, an dem man sein Schicksal wählt«, ergänzte der Lockenkopf. »Unsere Welt wäre jetzt vielleicht eine andere, wenn es die damaligen Ereignisse nicht gegeben hätte. Sehen Sie das nicht auch so?«

Wie schade, dass mir nicht ein paar Jahre zur Verfügung standen ...

»Das tue ich«, gab ich zu. Ich erhob mich. Der alte Körper knirschte missmutig in den Gelenken. »Habt ihr etwas dagegen, wenn ich das Fenster aufmache, Kinder?«

Sie hatten nichts dagegen. Sie legten es aber auch nicht darauf an, mir zu helfen. Oder mich kennenzulernen. Zwei von ihnen hatten sich nicht einmal zu einem Gespräch mit mir herabgelassen ... diese unerschrockenen kleinen Rebellen.

Ich zog die Gardine zurück. Wie ich erwartet hatte, war das Glas durchsichtig. Zum Einsatz von Technik hatten sich die vier nicht herabgelassen, von ein paar elektronischen Büchern auf ihren Betten vielleicht abgesehen.

Draußen tobte ein trübes Schneegestöber. Der Wetterdienst hatte den letzten Befehl des Ausbilders Fed erfüllt. Der helle Fleck der Sonne ließ sich kaum erkennen. Ich würde diesen fremden Stern nicht länger Mütterchen nennen.

»Kann sich die Welt denn nicht auch jetzt noch ändern?«, fragte ich. »Der Punkt, an dem man sein Schicksal wählt - was ist das denn? Ein mit einem Kreis markierter Tag im Kalender? Eine absolut zufällige Pestepidemie? Eine Entscheidung des Weltrats?«

Die Jungen hinter mir schwiegen. Nach einer Weile sagte der Rotblonde, dessen Stimme ich inzwischen erkannte: »Nein, Ausbilder. Der Punkt, an dem man sein Schicksal wählt, das ist der Tag, an dem die Welt etwas verliert.«

»Aber gewinnt sie nicht auch etwas?«

»Sie gewinnt nur einen Weg. Aber sie verliert Tausende. Wie eine Kugel, die auf der Spitze eines Hügels liegt. Die Kugel kann sich da oben nicht lange halten und rollt runter. Man muss ihr nur einen kleinen Stoß geben. Und wenn sie erst mal rollt, kann man sie so schnell nicht umlenken.«

Jemand schnaubte und flüsterte etwas.

»Du immer mit deinen kindlichen Vergleichen ... au!«

Ich wartete, bis sich der Streit gelegt hatte, dann sagte ich: »Das stimmt. Nur gibt es im Leben keine Hügel und keine Hänge, die für alle gleich sind. Da steht immer einer unten und sieht, wie die Welt auf ihn zurollt, und kann nichts dagegen tun, während ein anderer alles von oben betrachtet und glaubt, die Kugel rolle den einzig richtigen Weg hinunter. Und ein Dritter wiederum ...«

Ich legte eine Pause ein - und natürlich hielt es einer der Jungen nicht aus: »... der steht genau da, wo die Kugel rollt?«

»Richtig.« Ich drehte mich um und sah ihn an. Es war ein absolut unauffälliger Junge, dunkelhäutig, dunkelhaarig, mit einer leichten Andeutung von Schlitzaugen. Auf der Erde hätte man ihn für einen Asiaten gehalten. »Ganz recht. Jemand steht genau auf dem Weg, den die Welt nehmen könnte. Und er sieht, dass die Welt eigentlich unbeweglich ist. Dass sie nur erstarrt ist und gleich abstürzt. Und dieser Mensch kann die Hand ausstrecken und der Welt einen Stoß in die nötige Richtung geben. Wenn er sich das traut, natürlich nur. Denn richtige Richtungen gibt es nicht.«

»Und wie kommt man an diesen Punkt?«, fragte der Lockenkopf da plötzlich.

»Dafür braucht man sich nicht einmal besonders anzustrengen«, antwortete ich achselzuckend. »Die Welt kommt ... von selbst zu dir. Hauptsache, du verstehst, dass du jetzt an der Reihe bist, die Hand auszustrecken und sie anzustupsen ... Also, Kinder, ihr solltet doch jetzt eigentlich Unterricht haben!«

»Ich denke, wir haben schon damit angefangen, Ausbilder Fed«, sagte der rotblonde Junge. »Ich heiß Till, Ausbilder.«

Nein, eigentlich sprach sich sein Name etwas anders aus. Aber in dem Jungen steckte wirklich etwas von einem Till Eulenspiegel. Als ich lächelte, musste ich das Gesicht des Ausbilders Fed mühevoll dazu bringen, meinen Willen auszuführen. Er hatte nicht das Lächeln, an das ich gewöhnt war. Mit Niks Körper hatte es diese Probleme nicht gegeben.

»Ich heiße Grik ...« Das war der Lockenkopf.

»Und ich Laki ...« Der »Asiate«.

»Und ich Fal ...«, brachte der Junge heraus, der bis jetzt geschwiegen hatte.

Sogar der Blick hatte sich bei ihnen allen verändert. Er war nicht mehr so wachsam. Er war jetzt ... wie bei herrenlosen Welpen, die auf der Straße einem Fremden zulaufen. Aufgrund ihrer Jugend glauben sie fest daran, nicht getreten zu werden, auch wenn sie schon ahnen, dass sie sich nicht an jeden Fremden werden schmiegen dürfen.

Sie werden euch kleinkriegen, Kinder. Mit all euren Zweifeln, eurer Neugier und der großen Bereitschaft, Kritik zu üben. Ihr könnt euch dem nicht entziehen, wenn sich ein Ausbilder wie Fed der Sache annimmt. Vielleicht geht dabei das Potenzial, über das ihr verfügt - eure Fähigkeit, aus der Reihe zu tanzen, Fragen zu stellen und Antworten zu finden - nicht einmal verschütt.

Und irgendwann werdet ihr an den gemütlichen Tischen im Weltrat sitzen und in der gemütlichen, fast heimeligen Atmosphäre entscheiden, wohin eure Welt rollt ...

Von der Tür war ein gedämpftes, dumpfes Dröhnen zu hören, fast als schlüge eine Glocke.

Die Jungen wechselten Blicke.

»Es ist jemand gekommen, Ausbilder Fed«, teilte Grik mir mit. »Da sind Fremde am Tor!«