»Hier Orbitalkontrolle, wir sehen Sie.«
»Hier Transaero, Flug 36-18. Ich komme von Hyxi zurück, vom Sirius.«
Eine Pause.
»Eine gute Flugbahn. Wie ist der Flug?«
»Hervorragend.« Ich wartete geduldig. Das Schiff musste bereits auf den Radarschirmen aufgetaucht sein - und vielleicht nicht nur da, wer wusste denn schon, welches der Märchen über die Weltraumsicherheit der Wahrheit entsprach und welches eine Lüge darstellte. Natürlich war der Gedanke, ein Dutzend ihrer Satelliten und ein paar Orbitalstationen könnten einem außerirdischen Raumschiff Widerstand leisten, lächerlich. Trotzdem bezahlten alle ohne zu murren die Steuern für den Geheimdienst des Kosmos. Angeblich leisteten sogar die russischen Oligarchen, die sonst jeder Steuerzahlung entkamen, anonyme Spenden.
Wir haben den Himmel immer gefürchtet. Sie liegt uns Menschen im Blut, diese Angst vor der unendlichen Weite, durch welche die Erde treibt. Die Menschen sind bereit, irgendeinen Scheiß zu fressen und sich in hundsmiserablen Krankenhäusern behandeln zu lassen, solange sie nur wissen, dass über ihnen, in diesem unendlichen Himmel, ein paar Eisenkörner mit Röntgenlasern kreisen ...
»Es ist alles in Ordnung, Transaero. Wir übergeben dich an die Russen.«
»Transaero an Wesi, bis bald.«
Der diensthabende Offizier schaffte es entweder nicht mehr zu antworten oder hielt das für überflüssig. An seiner Stelle meldete sich jetzt eine andere Stimme: »Willkommen zu Hause, Transaero! Das Kontrollzentrum ist auf Empfang.«
»Hallo, Erde!«, erwiderte ich, während ich auf die weißlich-blaue Ebene über mir schaute. Ich flog gerade über Afrika hinweg, die Verbindung musste also über ein russisches Schiff vom Weltraumnachrichtenverkehr oder über eine Relaisstelle der USA realisiert werden. Wir arbeiteten jetzt ja sehr eng mit ihnen zusammen ... anders ging es nicht.
»Du kommst gut runter«, lobte mich der unsichtbare Operator. »Ich bin Maxim, und ich bringe dich bis zum Kosmodrom. Du wirst in Swobodny landen.«
»Warum nicht in Baikonur?« Ich linste auf den Navigationsschirm, auf dem sich ein Globus drehte, der mit einem Netz überzogen war, welches meine Umlaufbahn symbolisierte. Die Flugbahn schien eine Landung in Baikonur durchaus zuzulassen ...
»Baikonur ist besetzt. Beide Landestreifen. Wenn du unbedingt willst, bringen wir dich auf dem Reservestreifen von Saratow runter. Aber wozu die Mühe?«
»Okay, Erde.« Jeder Widerspruch war zwecklos. Wenn es nicht nötig war, versuchte man eine Landung in China nun mal zu vermeiden, schließlich bedeutete sie nur Steuern in die Kasse eines fremden Staates. Und der Reservelandestreifen in der Nähe von Saratow - das künftige Juri-Gagarin-Kosmodrom - taugte nicht viel. Ich selbst war da zwar noch nie gelandet, meine Kollegen hatten mir jedoch davon erzählt.
»Du hast noch fünfundzwanzig Minuten, um eine zu rauchen sozusagen. Der Funkkontakt bricht gleich ab, wir nehmen ihn dann am Apogäum wieder auf, über Alaska, und leiten sofort den Bremsvorgang ein.«
»Ist mit dem Schiff alles in Ordnung?«, wollte ich wissen. Die Telemetriedaten wurden jetzt automatisch vom Schiff aus übertragen, und die Leute im Kontrollzentrum konnten weitaus besser abschätzen, wie mein Vogel den Jump verkraftet hatte.
»Alles bestens«, beruhigte mich Maxim. »Entspann dich. Bis zur Funkstille bleiben dir noch dreißig Sekunden.«
»Ich hab euch auch was mitgebracht ...«, brummte ich, während ich zum Zähler rüberschielte.
»Na, ich will doch hoffen, dass du nicht mit leerem Frachtraum anschwirrst«, meinte der Operator lachend. »Deine Fluggesellschaft löchert uns schon mit ihren Fragen. Es geht da um irgendeinen Vertrag ...«
Die Stimme riss so abrupt ab, als sei sie mit einem Messer gekappt worden. Die Automatik regelte das immer schwächer werdende Signal bis zum letzten Moment aus, dann unterbrach sie die Verbindung einfach. Wenn ich wollte, konnte ich mich mit der Wesi in Verbindung setzen, ihre Stationen deckten den ganzen Horizont ab. Aber wozu?
»Wenn ihr wüsstet, was ich euch mitgebracht habe ...«, sagte ich in die Leere hinein. »Mach dich auf was gefasst, Karel«, warnte ich den Zähler. »Sobald wir unten sind, wird ...«
»Das ist doch nicht nötig«, fiel mir der Reptiloid ins Wort. »Darauf können wir doch verzichten! Meine Mission zielt wahrlich nicht auf eine Begegnung mit Vertreten des Staates ab!«
»Ach nein?«, amüsierte ich mich. »Worauf hoffst du eigentlich, Zähler?«, fragte ich kopfschüttelnd.
»Karel, nicht Zähler!« Der Reptiloid machte eine energische Kopfbewegung. »Das Wort Zähler ist beleidigend, Pjotr!«
»Warum? Das haben nicht wir uns ausgedacht, alle Aliens nennen euch so.«
»Und die Menschen nennen sie Fuhrleute.« Der Reptiloid wies mit seiner kurzen Pfote demonstrativ auf mich. »Eine enge Funktion, Pjotr, stempelt dich immer ab! Sie bedeutet Rettung für die Schwachen Rassen - ist aber gleichzeitig ihr Fluch. Wer den Rahmen, in den ihn die Natur gespannt hat, nicht sprengt, bleibt immer ein Diener!«
»Entschuldige.« Ich schämte mich wirklich. »Gut ... Karel. Wie du meinst. Aber ich muss der Erde doch von dir Mitteilung machen.«
Der Reptiloid ließ sich die Sache offenbar durch den Kopf gehen. »Wir haben nur zehneinhalb Erdtage«, teilte er mir nach einer Weile mit. »Im Laufe dieser Zeit müssen unsere Rassen einen Haddsch unternehmen.«
»Was?«
»Einen Haddsch. Eine Wallfahrt. Eine Heldentat. Eine Messe. Das ist ein ausgesprochen komplexer Begriff, der schwer mit einem einzigen Wort zu übersetzen ist.« Er überschlug sich jetzt fast beim Sprechen, als sei er nervös. »Pjotr! Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich Andrej Chrumow treffen muss. Du kannst an diesem Gespräch teilnehmen. Dann wirst du alles verstehen. Die offiziellen Kanäle sind zu langsam!«
»Natürlich sind sie langsam! Aber woher soll ich bitte schön wissen, was du wirklich willst? Vielleicht hat man dich ja hier hergeschickt, um meinen Großvater zu ermorden!«
»Nein! Wir töten nicht! Niemals!« Der Zähler erschauderte allein bei dem Gedanken. »Pjotr, du hast mir erlaubt, das Schiff zu lenken - und alles ist gut gegangen. Vertraue mir noch einmal!«
»Ob ich dir vertraue oder nicht, spielt keine Rolle.«
»Warum nicht?«
»Zum Beispiel wegen der Black Box. Alle Gespräche an Bord werden aufgezeichnet. Sie werden sie abhören und erfahren, dass ich nicht allein geflogen bin.«
»Die Aufzeichnungen kann ich ändern«, erklärte der Zähler lakonisch. Ich wollte schon einwenden, das sei unmöglich, schließlich lasse sich ein Aufnahmegerät mit Stahldraht, das in einem hermetischen Kasten steckte, nun mal nicht von außen manipulieren ... brachte dann aber kein Wort heraus.
Was heißt hier: von außen? Die magere Pfote würde sich auf die Stahlverkleidung legen - und der Motor würde anspringen. Die Spulen würden sich zurückrollen. All unsere Gespräche würden gelöscht werden, stattdessen würden ein paar harmlose Geräusche aufgenommen, dazu ab und an ein Ausruf, von dem Piloten, der in seiner Langeweile mit sich selbst quatschte.
Das würde der Zähler hinkriegen, nahm ich jedenfalls an.
»Kannst du dich auch unsichtbar machen?« Das meinte ich nicht mal ironisch. Mir fielen nur gerade die Kontrolle und die Untersuchung ein. Das »Röntgentor«, die Wärmedetektoren, das Scannen der Netzhaut und der ganze andere Kram, der uns im Kosmodrom nach einer Reise in fremde Welten erwartete.
Selbst einen Zähler von der Größe einer Katze könnte ich an dieser Kontrolle nicht vorbeischmuggeln.
»Unsichtbar? Nein. Aber die Kontrolle werden wir überwinden.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Pjotr, meine Rasse hat sich seit drei Jahren auf diese Mission vorbereitet. Es wird klappen!«
Aus unerfindlichen Gründen hätte ich ihm gern geglaubt ...
»Karel, es ist nicht so, dass ...«
»Ich füge niemandem Schaden zu!«
»Darum geht es nicht. Das ist ein Verbrechen, verstehst du? Selbst wenn du nicht lügst, wird man mich vor Gericht bringen.«
»Sieger werden nicht verurteilt, Pjotr.« Der Zähler stieß sich vom Jumper ab, glitt geschmeidig zu mir herüber und landete auf meinen Knien. Er brachte seinen Kopf ganz nah an mein Gesicht. »Vertraue mir«, wiederholte er flehend. »Vertraue mir. Das Schicksal der Galaxis liegt jetzt in deinen Händen!«
Ich schüttelte energisch den Kopf. »Das sind nur Worte ...«
»Das ist die Wahrheit! Pjotr, wenn du dich weigerst, wird es in einem Monat keine Erde mehr geben! Und es wird ... auch meinen Planeten nicht mehr geben!«