»Leckt mich doch alle!«
Sie hatten diese letzte, diese wahnsinnige Kurskorrektur absichtlich vorgenommen und mir damit praktisch jede Möglichkeit geraubt, das Schiff zu steuern. Um die Stadt vor einer Katastrophe zu bewahren. Damit mir nichts anderes übrig blieb, als mein Raumschiff auf einer Straße voller Schlaglöcher zu landen.
»Wir sperren die Autobahn ab, in einer halben Stunde ist sie leer.«
Wie krampfhaft er sich bemühte, ausschließlich von »Autobahn« zu sprechen, dieser mir unbekannte Typ aus dem Kontrollzentrum! Unweigerlich tauchte vor meinem inneren Auge eine dieser funkelnden, pfeilgeraden Autobahnen aus dem Westen auf.
»Die Verbindung bricht jetzt ab. Halte durch, Pjotr.«
Um das Schiff herum flammte die ionisierte Luft auf. Die Nase des Schiffs hob sich langsamem den Hauptschlag des Plasmas mit dem gepanzerten Bauch abzufangen. Trotzdem züngelten über das ultrabruchsichere, hitzebeständige Glas des vorderen Fensters ein paar Feuerschlangen.
»Da haben wir uns was eingebrockt, Kumpel«, meinte ich, indem ich mich zum Zähler umdrehte.
Aber so spielt das Schicksal nun mal.
Und vermutlich hatte es recht. Es bügelte meine Fehler aus, meinen schwachen Charakter. Es erlaubte dem Feind, der es geschafft hatte, einen unerfahrenen Piloten nach seiner Pfeife tanzen zu lassen, nicht auf der Erde zu landen ...
Der Zähler lächelte. Als ob ihn weder der Feuersturm um uns herum noch die unvermeidliche Tragödie bei der Landung oder der entsetzliche Fehler in den sonst so zuverlässigen Landeprogrammen erschreckten ...
Der Fehler in den Programmen?
»Du Dreckskerl!«, brüllte ich und wirbelte im Sitz herum. »Du Vieh!«
Die simpelste Möglichkeit, an der Kontrolle in einem Weltraumbahnhof vorbeizukommen, war natürlich die, gar nicht in ihm zu landen.
Wenn ich in dem Moment hätte aufstehen können, hätte ich den Zähler mit bloßen Händen in Stücke gerissen. Aber die Beschleunigung machte sich bereits bemerkbar, wollte mich aus den Gurten zerren und gegen das zerbrechliche Innere des Pults schleudern.
Trotzdem würde er mir nicht entkommen.
Bestimmt nicht.
Worauf hoffte er denn bloß, dieser geschuppte Außerirdische namens Karel? Der Schlag bei der Landung würde viel zu stark sein, als dass ...
Aber woher wollte ich eigentlich wissen, welche Beschleunigung sein Körper aushielt?
Eingehüllt in ein explodierendes Feuergewand schoss die Spiral auf die Erde zu.
Der Zähler linste zu mir rüber. Seine Bedingungen waren längst nicht so gut wie meine, saß er doch nicht in einem bequemen anatomischen Sessel mit breiten Gurten, sondern musste mit einem Stahlseil um die Taille vorliebnehmen ...
Der Monitor funkelte mit einem orangefarbenen, Aufmerksamkeit heischenden Licht auf. Ich schaute auf den Schirm. Oberhalb der Berechnungen für die Flugbahn liefen langsam ein paar Zeilen dahin: Pjotr, es ist alles in Ordnung. Sag etwas, aber sprich mich nicht an. Uns bleibt keine Zeit, die Aufzeichnungen noch einmal zu löschen.
Warum, wüsste ich nicht zu sagen, doch ich kam der Aufforderung nach. »Das Schiff kann nicht außerhalb des Kosmodroms landen«, brachte ich heraus.
Du schaffst es.
»Nein, das ist einfach unmöglich!«
Du bist ein guter Pilot.
»Zwanzig Tonnen! Dafür braucht man einen speziellen Landestreifen!«
Hör auf damit! Schweig!
Ich sagte kein Wort mehr. Das Schiff vibrierte, nicht sehr stark, eigentlich wie sonst auch. Feuer peitschte gegen die Fenster. Normalerweise bist du in diesen Minuten leicht rieben der Spur. Obwohl die Wärmedämmung sicher ist, sind bereits zwei Shuttles bei der Landung verreckt. Irgendein Teil war durchgebrannt oder eine Keramikplatte abgesprungen, so dass der Plasmastrahl ins Schiff schoss.
Mir drohte momentan jedoch eine weitaus realistischere Gefahr.
Noch nie in der Geschichte der Raumfahrt musste ein Schiff auf einer nicht dafür vorgesehenen Piste landen. Immer nur auf speziellen Streifen, bei einer Notlandung nur in den besten Militärflughäfen, immer nur auf von der Natur selbst geglätteten Flächen ausgetrockneter Salzseen.
Aber niemals auf einer Straße.
Eine Komödie, ein alter Film noch aus Sowjetzeiten, fiel mir ein, in dem ein Passagierflugzeug auf einer Chaussee runterging. Die Szene war auf einem Flugplatz gedreht worden - der normale Straßenbelag hätte den Vogel nicht verkraftet.
Wovon ich mich gleich in der Praxis überzeugen würde.
Was für seltsame Dinge heutzutage passieren! Interstellare Flüge und fremde Zivilisationen sind für uns Realität geworden. Aber nichts - nichts! - hat sich deswegen geändert! Die Straßen, über die Kamas-Laster und Shigulis brettern, sind so löchrig wie eh und je, im Fernsehen laufen nach wie vor dieselben Seifenopern, die Wasserleitungen sind undicht, und jeder Frühling bringt Rotznasen.
Die Zukunft hatte die Gegenwart berührt, ihr herablassend auf die Schulter geklopft und sich schlafen gelegt.
Zwanzig Prozent der Erdbevölkerung arbeiten im Kosmosbereich. Sie bauen Raumschiffe, bereiten den Treibstoff auf, errichten lächerliche orbitale Festungen und versuchen eine Ökologie, die seit dem Raketenboom verrückt spielt, in den Griff zu kriegen.
Und ich musste auf unter sengender Hitze aufgedunsenem Asphalt landen.
»Leb wohl«, sagte ich zum Zähler. Der reagierte nicht, gab keinen Ton von sich, schloss sich nicht an den Rechner an.
Na schön.
Der Feuersturm ums Schiff legte sich bereits, jetzt glitten wir durch die Stratosphäre, in einer Höhe von gut zwanzig Kilometern, genau wie jedes andere Überschallflugzeug auch ... nur halt mit ausgefallenen Triebwerken. Ich schaltete die Automatik ab und griff nach dem Steuerrad. Ich bewegte das Schiff ein wenig hin und her ... so schlecht sprach es nicht auf das Steuer an, schließlich gleicht bei dieser Geschwindigkeit der Druck der anströmenden Luft die geringe Dichte aus.
Wäre in den Tanks wenigstens noch die normale Brennstoffreserve gewesen, hätte ich versucht, zu manövrieren und doch noch im Kosmodrom zu landen. Aber die Tanks waren fast leer.
Innerhalb von nur zehn Minuten erreichten wir die Wolkendecke. In dem Moment stand auch die Funkverbindung wieder.
»Transaero, antworte!«, wiederholte der Operator müde.
»Ich höre euch.«
»Flug 36-18! Wir sehen dich!«
»Freut mich ungemein«, sagte ich.
»Die Hubschrauber sind in der Luft, Pjotr. An dem Punkt, wo du runterkommst, ist die Straße frei. Du fliegst direkt auf sie zu, deine Chancen stehen nicht schlecht.«
Ich verzichtete darauf, mir diese Chancen in Prozenten angeben zu lassen. Zum Fluchen war das nicht gerade der beste Zeitpunkt.
»Was ratet ihr mir, Erde?«
»Pjotr, hier kommt Alexander Danilow«, informierte mich der Operator. Gleich darauf schaltete sich eine zweite Stimme ins Gespräch. Ich kannte sie flüchtig. Danilow, den besten Piloten der Transaero, hatte ich vielleicht drei Mal gesehen. Er flog jetzt eine Buran, angefangen hatte er aber ebenfalls auf einer Spiral.
»Wir haben keine Zeit für Beileidsworte, Pjotr«, kam er gleich zur Sache. »Außerdem geben wir uns alle Mühe, dass sie überhaupt nicht nötig sind. In zehn Minuten überfliegst du das Kosmodrom. Zwei Minuten später bist du etwa fünf Kilometer über der Straße.«
Wenigstens verzichtete er auf den Ausdruck »über der Autobahn«.
»Die Straße ist beschissen«, bemerkte Danilow in schonungsloser Offenheit. »Ich bin da schon mit dem Auto langgefahren. Aber das Stück, an dem du auf null Meter runtergehst, ist relativ intakt ... Chinesische Händler nehmen sie öfters, die haben den Belag ausgebessert. Hoffe nicht auf die Automatik. Wie steht’s mit deiner Flugerfahrung?«